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Beschränkt offen - sorgsam abgezählte Stühle in der Centralstation
Quelle: Centralstation©

Kolumne von Jan Deck [10]

Elitär geregelte Lockerungsübungen

Warum trotz viel Geld Corona-Kultur oft unrentabel bleibt

[> Beitrag auf eigener Seite lesen»Lockerung« ist das Wort der Stunde. Eigentlich steht es für eine planvolle, vorsichtige Rücknahme von Verboten und Regeln, die angesichts der Corona- Pandemie für eine Zeit lang notwendig waren. Und in vielen Bereichen fühlen wir uns in der Tat schon sehr gelockert. Restaurants, Läden oder Friseursalons können wieder offen haben, arbeiten und Geld verdienen. Man kann wieder üppig essen gehen, fast unbegrenzt einkaufen, mehrere Menschen treffen, zum Teil gar bereits ganze Menschenmassen. Auch alle Kulturorte dürfen längst wieder offen haben. Theoretisch zumindest. Denn »dürfen« ist in diesem Falle nicht immer gleich »können«. Für einige Kulturbetriebe etwa ist ein  halbwegs normaler Betrieb unter den geltenden Regeln durchaus möglich, etwa für Museen oder andere Ausstellungsorte. Auch für große Theater und Säle. Sie alle müssen zwar den Einlass beschränken. Aber immerhin …

Doch dies gilt längst nicht für alle Kulturbetriebe. Man könnte fast sagen: Alte und Schwache haben besonders zu kämpfen. Kleine Kinos, alte Theater und auch auffällig viele Konzertveranstalter können aufgrund der Abstandsregeln nur sehr wenig Publikum in ihren Orten unterbringen; es sei denn, sie arbeiten im öffentlichen Raum oder verfügen über sehr große Räumlichkeiten. Das macht die Öffnung für sie problematisch, denn die Kosten überwiegen oft die Einnahmen. Die freien Theater in Frankfurt etwa haben derzeit die Wahl zwischen Pest und Cholera. Nicht spielen, heißt: keine Einnahmen, aber auch keine Sichtbarkeit. Zu spielen, heißt aber meist: Verluste machen, aber immerhin wieder etwas künstlerisch zu zeigen. Die meisten Schwierigkeiten machen die Regeln, dass zwischen Sitzplätzen in alle Richtungen 1,5 Meter Abstand sein muss, pro sitzende Person sind fünf Quadratmeter erforderlich, pro stehende Person zehn Quadratmeter. Wenigstens letzteres weicht sich nun langsam auf. Aber auch zwischen den Akteuren auf der Bühne und von diesen zum Publikum muss Abstand sein. Bei singenden, tanzenden oder laut sprechenden Menschen auf der Bühne beträgt der vorgeschriebene Abstand sechs Meter. Die meisten dieser Theater können so immer noch nur einige Dutzend Zuschauer*innen einlassen (statt wie sonst zwischen 100 und 200). Hinzu kommen Hygienekonzepte mit Regelungen für Ein- und Auslass sowie Toiletten-Benutzung sowie Maskenpflicht für Personal und weiteres. Das Ergebnis: mehr Anforderungen, mehr Personal, weniger Einnahmen …

Nun gibt es zwar Förderprogramme von Bund und Ländern, welche Theatern und anderen Kulturorten bei der Finanzierung von notwendigen Umbauten, bei der Anschaffung zusätzlicher Materialien oder bei notwendigen Maßnahmen helfen. Doch dies hilft nur, die Häuser für weniger Zuschauer fit zu machen. Aber oft nicht, mit diesen weniger Zuschauern zu überleben. Vielen Häusern drohen nach drei Monaten ohne Einnahmen nun drei Monate mit Verlusten. Einziger Trost: Förderprogramme, die Neuinszenierungen und Überarbeitungen finanzieren. Doch die werden dringend gebraucht, sind doch auch viele Inszenierungen selbst keineswegs mehr corona-tauglich und müssen erst einmal durch neue ersetzt werden. So suchen die Theater neue Lösungen. Manche haben eigene Formate entwickelt, andere hoffen darauf, dass ihnen die Städte vorübergehend größere Räume zur Verfügung stellen, und alle hoffen, dass zur nächsten Spielzeit ab Herbst die Maßnahmen weiter gelockert werden. Hoffnung macht ein Konzept aus Österreich. Dort gilt für Kulturveranstaltungen in Kinos oder Theatern nur eine Abstands-Pflicht von einem Meter, wobei Zuschauerränge im Schachbrettmuster zu besetzen sind. Mit einem solchen Konzept lassen sich deutlich mehr Zuschauer*innen einlassen. Bleibt zu hoffen, dass diese Situation dort nicht zu weiteren Corona-Fällen führt. Denn falls es gut läuft, könnte Österreich ein Muster für eine weitere Lockerungsübung im Herbst in Deutschland sein. So könnten Kulturveranstaltungen wieder Einnahmen erzielen. Nur sie sichern das Überleben …