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Ein Wasserhaus und seine Seele: Jöst Nr. 1 im Osthafen
Quelle: Barbara Walzer (bw.)©

FFM | Kult und Kulturgut

Neues Trinken in alten Mauern

19.08. | 1. Frankfurter Wasserhäuschentag

Seit Jahrzehnten gehörte und gehört das Wasserhäuschen zum Alltag, ein sozialer Ort, an dem alle Generationen und Milieus aufeinander treffen. Wo es menschelt und der Büdchenbesitzer schon weiß, wie viele Bier oder Schokoriegel man abends so kaufen will. Doch gerade das wollten viele Menschen irgendwann nicht mehr und haben die Anonymität eines Supermarktes oder einer Tankstelle vorgezogen. Am Büdchen strandeten nur noch die, die man lieber nicht treffen wollte. »Büdchensterben« nannte man das dann irgendwann. Doch was da starb, waren nicht nur ein paar Steine. In Zeiten, in denen über Zusammenhalt, Integration und Partizipation diskutiert wird, war am Büdchen eigentlich genau das gelebt worden. Dies ist keineswegs nur als Wasserhäuschen-Romantik zu verstehen. Vielerorts ist der Büdchen-Alltag auch rauh und traurig. Wie das Leben in der Großstadt eben. Und gerade das schätz(t)en die Menschen.

So war und ist es nicht verwunderlich, dass die Frankfurter Wasserhäuschen eine Renaissance erlebten. Wenn auch da und dort in der zuweilen etwas feineren Variante: wie eben genau das »Fein« im Nordend. Und jetzt bekommt das zum Kult erhobene Kulturgut auch noch einen eigenen Ehrentag. Was vor Jahren zunächst als Aktion einiger Frankfurter Jungs im besten Partyalter startete, ist heute nach sieben Jahren ein ordentlicher kleiner Verein, der als Experte in Sachen »Wasserhäuschen« gefragt ist. Die »Linie 11« hat den Kult nicht unwesentlich mitbegründet und setzt sich für den Erhalt sowie die Pflege eines vom Aussterben bedrohten Frankfurter Kulturgutes ein. Und das Engagement kommt von Herzen – nicht nur, wenn von der legendären gemischten Tüte oder von dem einzigartigen Charme der so ganz unterschiedlichen Büdchen geschwärmt wird. Ob die interaktive Wasserhäuschen-Karte, das erste Wasserhäuschen-Infomobil der Welt oder die Vernetzung der Büdchen-Betreiber: Die Macher haben immer wieder frische Ideen, um die Menschen der Stadt für ihre Traditionshäuschen zu begeistern.

Begonnen hat alles um die letzte Jahrhundertwende, als Frankfurt schon einmal boomte. Sauberes Wasser kam damals nicht aus dem Hahn, sondern eben vom Wasserhäuschen, für das die Stadt gesorgt hat. Heute ist es längst als Treffpunkt und kleiner Laden »um die Eck« wiederentdeckt worden und Teil einer neuen Kultur des urbanen Zusammenlebens. Viele alt eingesessene – wie das Jöst-Häuschen im Osthafen – und auch neue Büdchen mit kreativen Geschäftsideen gehören mittlerweile fest zum Leben im Quartier mit dazu. Genauso wie der Kult um sie, wie es die »Linie 11« oder auch die einmal im Jahr auf Tour gehenden Jungs und Mädels vom »Trinkhallen Hopping« pflegen. Um es mit der »Linie 11« zu sagen: »Wir lieben Wasserhäuschen«. Und am »1. Frankfurter Wasserhäuschentag« haben auch alle anderen Frankfurter die Möglichkeit, sich ebenfalls zu verlieben (pem.).