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Quelle: Barbara Walzer (bw.)©

Lettre de Lyon (lys.)

Goncourt, Comics und Kochkurse

Die Franzosen und ihre Bücher

Jedes Jahr ist es noch immer ein nationales Event in Frankreich, wenn im Spätherbst die wichtigsten Literaturpreise vergeben werden, allen voran der »Goncourt«. Dem ausgezeichneten Buch sind ausgezeichnete Verkaufszahlen sicher. Im Zweifelsfall verschenken Franzosen zu Weihnachten das Buch, das den Goncourt gewonnen hat. Die Jury besteht vornehmlich aus Schriftstellern. Aber den Vorsitz hat ein älterer Herr aus Lyon, der vor allem dadurch bekannt ist, dass er jahrelang auch im Fernsehen Diktate organisiert hat: Bernard Pivot (82). Die öffentlichen Diktate gibt es schon lange nicht mehr. Aber auch die Jury des Prix Goncourt besteht vor allem aus älteren Damen und Herren, die alle zumindest mal auf der Auswahlliste für den renommierten Preis standen: Paule Constant (73), Pierre Assouline (64), Françoise Chandernagor (72), Didier Decoin (72), Philippe Claudel (55), Patrick Rambaud (71), Tahar Ben Jelloun (72) sowie seit 2016 Virginie Despentes (48) und Éric-Emmanuel Schmitt (57).

Schmitt ist ein begnadeter Geschichtenerzähler und Theaterautor – der übrigens ebenfalls aus Lyon kommt. Der Goncourt wird aber selbstverständlich in Paris verliehen. Im vergangenen Jahr ging er an Leïla Slimani (36) für »Chanson douce« (»Dann schlaf auch du«). Der Roman handelt von einer Kinderfrau, die ein Baby tötet, und ist natürlich auch schon auf Deutsch erschienen. Doch nicht alle Franzosen lieben schwere literarische Kost. Besonders beliebt sind Comics, die hier zu Lande übrigens voll und ganz zur Kultur zählen. Der 2012 verstorbene Moebius etwa wurde auch schon im Museum ausgestellt. In Frankfurt ist derzeit Marc-Antoine Mathieu mit einer sehenswerten Schau zu bewundern. Leicht, aber vielgelesen sind auch die vielen (Liebes-) Romane von Marc Levy (56), der inzwischen in New York lebt. Oder die unterhaltsamen Bücher von Katherine Pancol (62), die in verschiedenen attraktiven Taschenbuchausgaben immer wieder neu erscheinen – auf Französisch, aber auch längst auf Deutsch.

Und längst sind Bücher auch in Frankreich ein Markt mit einigen wenigen großen Playern und bekannten Mechanismen; wenn auch mit der einen oder anderen französischen Besonderheit. Neuerscheinungen werden vor allem vom Radio- und TV-Sender FranceInfo vorgestellt – und in den Buchhandlungen oft mit handgeschriebenen Empfehlungen vom »Buchhändler Ihres Vertrauens« versehen. Daneben wächst der Markt derer, die ihre Bücher inzwischen digital kaufen und lesen, wiewohl aber auch noch einige der berühmten »Bouquinistes«, die an der Seine und anderswo Antiquarisches anbieten, noch da sind. Eine Besonderheit sind in Frankreich sicher Kochkurse, die einige Buchhandlungen gemeinsam mit Rezeptbüchern anbieten. Und die überall in Frankreich anzutreffende Kulturgüter-Kette FNAC mit ihrem senfgrünen Logo hat bisher auch alle Krisen irgendwie überstanden, bietet weiterhin Lesungen an – und verkauft längst Konzertkarten, Musik, Fotoapparate, Computer, Videospiele und tatsächlich auch Bücher … (lys.).