Südafrika | Feature

Unruhige Unis am Kap

Studenten legen immer wieder Hochschulen lahm

»All activities will be suspended until further notice« hieß es tagelang auf der Webseite der Witwatersrand-Universität. Für mehr als drei Wochen hatte die Universität in Johannesburg ihren gesamten Betrieb eingestellt. Keine Vorlesungen. Keine Übungen. Und auch die Forschungslabors blieben leer. Eine kurzzeitige Hoffnung, wieder zur Normalität zurückzukehren, scheint aufgrund der heftigen und andauernden Studentenproteste trügerisch. Ähnliches gilt für nahezu alle Universitäten in Südafrika.

Auslöser der Proteste war ein Satz des südafrikanischen Bildungsministers Blade Nzimande. Im August hatte er verkündet, dass die Universitäten ihre Studiengebühren im nächsten Jahr um bis zu acht Prozent anheben könnten. Den Sturm der studentischen Entrüstung hätten Polizei und Universitätsleitungen voraussehen können, denn schon seit 2015 kämpft die »Fees Must Fall«-Bewegung für die Abschaffung sämtlicher Studiengebühren. Und nicht nur mit friedlichen Mitteln: Neben blockierten Einfahrten zündeten Protestierende Autoreifen und Gebäude an und warfen Steine. Auf dem Campus in Johannesburg fand man zudem wiederholt Benzinbomben. Ende September forderten die Proteste ein erstes Todesopfer: ein Angestellter eines Studentenwohnheims musste ins Krankenhaus eingeliefert werden, nachdem Protestierende im Gebäude Feuerlöscher entleert hatten. Der 38-Jährige wurde zunächst behandelt, starb aber wenige Tage später. Ob sein Tod mit dem Einsatz der Feuerlöscher zu tun hat, wird untersucht.

Die im Netz kursierenden Bilder belegen die Eskalation der Gewalt, denn Polizei und private Sicherheitsdienste beantworteten die Proteste mit Gummigeschossen und Verhaftungen. Unversöhnlich stehen sich nun Studentenorganisationen und Hochschulleitungen gegenüber, auch wenn sich die offizielle Studentenvertretung von der Gewalt, nicht aber den Protesten distanziert. Die Situation ist in der Tat kompliziert. Während deutsche Universitäten zu etwa 90 Prozent aus der öffentlichen Hand finanziert werden, erhalten südafrikanische Universitäten nur einen Teil ihres Budgets vom Staat. Sie verlangen daher Gebühren, die je nach Studiengang einige Tausend Euro pro Semester betragen können. 2014 hatte die Witwatersrand-Universität – mit 33.000 Studierenden eine der größten des Landes – Einnahmen von etwa 5,4 Milliarden Rand, was etwa 317 Millionen Euro entspricht. Mit 26 Prozent waren die staatlichen Zuschüsse an die Universität in etwa genauso hoch wie die Summe, die durch Gebühren eingenommen wurde (1,5 Milliarden Rand). Der Rest waren Forschungserträge und private Spenden.

Was also tun, wenn die Universitäten einerseits ihre Gebühren jedes Jahr aufgrund steigender Ausgaben und der immensen Inflation erhöhen müssen und Studierende andererseits die komplette Abschaffung fordern? Den Staat einschalten? Der hält sich, noch mehr als bei den vergangenen Ausschreitungen, im Hintergrund und überlässt das Problem den Universitäten. Noch im vergangenen Herbst hatte Präsident Jacob Zuma die damals angekündigten Gebührenerhöhungen in Folge der Proteste zurückgezogen. Ein kurzfristiges Friedensangebot, das jedoch ein klares Zeichen an die Protestierenden war, die in ihren Forderungen bestätigt wurden. Eigentlich bedarf es einer landesweiten Diskussion um die Bildungsgebühren, wollte man zu einer langfristigen Lösung kommen. Adam Habib, Vizekanzler der Witwatersrand-Universität, hatte 2015 gesagt, die Regierung könne mit acht Milliarden Rand die Studiengebühren sämtlicher Hochschulen decken. Doch daran ist nicht zu denken, denn Südafrika hat derzeit andere Probleme. Im September erst hat die Rating Agentur Moody´s angedroht, die Kreditwürdigkeit des Landes aufgrund seiner schlechten Konjunktur herabzustufen. Das einstige Vorzeigeland am Kap kämpft mit extrem hoher Arbeitslosigkeit und sinkenden Staatseinnahmen, und wird von einem Regierungschef beherrscht, der tief in Vetternwirtschaft und Korruption verstrickt zu sein scheint, aber vom ANC, der Partei Nelson Mandelas, weiterhin unterstützt wird.

Die Witwatersrand-Universität reagierte auf die Proteste mit einem politischen Schachzug: Sie ließ Studierende und Universitätsangestellte darüber abstimmen, ob der Hochschulbetrieb wieder aufgenommen werden sollte. Das Ergebnis war eindeutig. Von mehr als 21.000 Studierenden entschieden sich 77 Prozent für die Fortsetzung des akademischen Jahres und die Wiedereröffnung der Universität. Bei den Angestellten war das Ergebnis noch eindeutiger. Auch wenn die Wahl von den Protestierenden angezweifelt wurde, führte sie zu einer Beruhigung der Lage. Ende Oktober wurden die Sicherheitsmaßnahmen zurückgenommen, und Einschreibungen und Examensprüfungen konnten ohne größere Zwischenfälle erfolgen. Doch die finanzielle Situation der Universitäten verschlechtert sich durch aufwendige Sicherheits- und Reparaturmaßnahmen weiter und die nächste Protestwelle dürfte Anfang 2017 anstehen. In einem offenen Appell rief die Witwatersrand-Universität Zuma nun zu einer Versammlung über die langfristige Finanzierung der Hochschulen auf. Passiert nichts, wird wohl der Graben zwischen jenen, die sich eine Hochschule leisten können, und den Familien, denen das nötige »Kleingeld« fehlt, noch größer werden (sub.).