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Europa ist in Frankreich dabei
Quelle: EM Facebook©

Europa | Lettre de Lyon (lys.)

Smart, jung, europäisch

Präsident Emmanuel Macron

In Lyon sind mehr als 16.000 Menschen zum Wahlkampf-Auftritt von Emmanuel Macron gekommen. Die Pressetribüne war brechend voll. Nur 8.000 Leute passten in die Veranstaltungshalle, die anderen konnten sich die Rede draußen auf einer Leinwand anschauen oder im Fernsehen. Von Null auf Hundert: Macron war von Anfang an der »Shooting star« der Präsidentschaftswahl in Frankreich. Er steht mit seiner neuen Bewegung »En Marche« außerhalb der großen Lager (der rechtsextremen FN, der Konservativen und der zerstrittenen Sozialisten, mit denen er einst selbst in der Regierung saß), vertritt einen Kurs der Mitte und ist uneingeschränkt für Europa. Besonders letzteres war in Frankreich in den vergangenen Jahren nicht sehr angesagt.

Macron (39) gilt – privat und politisch – als eine Art unorthodoxes »Wunderkind«. Er hat als Bankier gearbeitet, Philosophie und Politik studiert und spielt hervorragend Klavier. Verheiratet ist der Mann mit dem Look des idealen Schwiegersohns seit 2007 mit seiner ehemaligen Französischlehrerin. Die Eltern schickten den 17-jährigen Sohn einst weg vom heimatlichen Amiens, um die Liebe zur 24 Jahre älteren Brigitte Trogneux zu beenden. Inzwischen kümmert sich Macron mit um die Enkel seiner Frau, die aus ihrer vorherigen Ehe drei Kinder hat. Macron war zwei Jahre lang Wirtschaftsminister des sozialistischen Präsidenten François Hollande. Doch dann hat der Absolvent der ENA – der Kaderschmide der französischen Eliten – für seine Kandidatur eine eigene Bewegung mit dem Namen »En Marche« (»Vorwärts«) gegründet. So umging er die interne Abstimmung der Sozialisten. Einige warfen ihm lange vor, er habe nie eine Wahl gewonnen. Andere Politiker der Partei wie der Bürgermeister von Lyon, Gérard Collomb, stellten sich auf die Seite des Politikneulings – nicht erst, seit er in den Umfragen aufgeholt hatte. Unterstützt wird Macron auch vom Zentrumspolitiker François Bayrou (65), der auf seine eigene Kandidatur verzichtete, weil er schon seit Jahren sagt, dass die Trennung in ein linkes und ein rechtes politisches Lager überholt sei und überwunden werden müsse.

Ämter in seiner Bewegung und in der Regierung will Macron stets paritätisch mit Frauen und Männern besetzen. Seine Leitworte sind die der französischen Republik, denen er wieder Leben einhauchen will: Liberté, Égalité, Fraternité – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Zur Freiheit gehöre es auch, dass sich jeder in Frankreich sicher fühle, sagt Macron. Besonders am Herzen liegen ihm aber die Gleichheit wie der Kampf gegen jede Form von Diskriminierung und die Brüderlichkeit. Die politischen Gegner erwähnt Macron meist nur am Rande. Der Sieger der internen Abstimmung der Sozialisten, Benoît Hamon, forderte ein universelles Grundeinkommen. Macron sagt, die Leute, die von der Krise gebeutelt seien, verlangten kein Grundeinkommen. Es gäbe bereits die Sozialhilfe. Sie wollten Jobs und eine angemessene Bezahlung. Macron will das französische Arbeitsrecht lockern, die Arbeitgeber-Abgaben für niedrige Lohnstufen senken. Von den Politskandalen profitiere nur der Front National, sagt Macron. Dabei repräsentiere der FN nicht das Volk, sondern nur sich selbst – vom Vater über die Tochter bis zur Nichte.

Macron bekennt sich – wie der Hoffnungsträger der SPD in Deutschland, Martin Schulz – ohne Wenn und Aber zur EU. Er wünscht sich ein zuverlässigeres Frankreich, eines, das den Kindern keine Schulden überlässt und das in Europa zu seinen Zusagen steht. Die Grenzen seien die Grenzen Europas. Macron will keine Mauern und sieht in Angela Merkel in dieser Hinsicht ein Vorbild. »Macron Président« – sein Publikum in Lyon hatte Emmanuel Macron mit seiner Rede überzeugt. Wie viele Franzosen tatsächlich von ihm überzeugt sind, ist schwer abzuschätzen. Wie viele explizit für ihn oder eben nicht nur gegen die rechte Le Pen oder den diskreditierten Konservativen Fillon waren, ist auch nicht sicher zu sagen. Seine Gegner meinen, Macron habe seinen Erfolg vor allem der elitären Pariser Presse zu verdanken, die viel mehr über ihn als über die anderen Kandidaten berichte. Macrons Mitarbeiter sagen, die Internetauftritte der Bewegung »En Marche« seien gehackt worden. Es wird spekuliert, ob Russland hinter den Angriffen steckte, um den russlandfreundlichen Fillon zu begünstigen. Besonders in den sozialen Medien wurde verbreitet, Macrcon sei homosexuell und habe eine Liebesbeziehung zum Chef von Radio France. Der Kandidat selbst trat diesen Gerüchten entgegen und machte sie damit publik. Was aus der Sicht der Wähler von den Vorwürfen hängenbleibt, ist nicht klar. Wirklich geschadet haben sie Macron bisher nicht … (lys).