Festival | Stanislaw Lem

Maschinenphilosophie im Zeitloch

Bis 05.03. | Lems Komet des (Un-) Sinns in Darmstadt

Es ist wie in einem ordentlichen Zeitloch, sich umzustülpen und einem ahnungslosen Zuschauer einen Antimoment der Kurzweiligkeit zu bereiten. Mathematische Geschütze werden aufgefahren, um den Zustand einer kybernetischen Muse darzustellen. Ihre Elektronenküsse, ihr Maximalideal als Matrix. Es sprüht und donnert der Bariton des Sprechers, dessen Gurgel zum kybernetisch verzurrten Sprachrohr der wahren Welt wird. Verbunden mit den Gurgelröhren einer ganzen Röhrenstadt. Vielleicht der, die verträumt und aufmerksam, die different und reich, bebend und liebkosend ist. Angesichts der Kälte und Vernichtungswillenstendenz der funkelnden Roboterwelt. Das Detail, die Schönheit in der Differenz, erledigen für uns derweil die »Grafen des maximalen Ideals«. Gelenkt von dem Elektronenbarden, dessen tiefste Verbindungen sich zwischen einem Barhocker, einem Piano unter dem runden Fenster zum Theaterparkhaus und einem Bartisch ineinander versponnen haben. Denn es ist eine stürmische Antizeit, die hier alles – mal mit Pauken und Trompeten, dann wieder leise säuselnd -, restlos alles tut, um ja nicht als Vergangenheit missinterpretiert zu werden.

»Kyberiade« ist eine von Stanislaw Lems (1921-2006) skurrilen Inszenierungen, in denen er die Probleme der Welt durch Maschinen lösen lassen möchte. Und als »Barabend« in den Kammerspielen ist sie zugleich Teil des Festivals »Komet Lem«, mit welchem das Staatstheater Darmstadt gemeinsam mit dem Deutschen Polen Institut und der TU Darmstadt über einen Monat lang das Wirken des berühmten polnischen Autors und kritischen Zukunftsdenkers würdigt. In einem gelungenen Mix aus adaptierten Theaterstücken wie dem »Futurologischen Kongress«, skurrilen Barabenden und intellektuellen Gesprächen spiegelt sich Lems Bandbreite von tiefgründiger Philosophie bis zu herrlichem Unsinn. Abgerundet wird das Festival  durch die Ausstellung »Lems Tierleben nach Mróz«, für die das Foyer der Kammerspiele zu einem Panoptikum überdimensionaler Papproboter wurde – im »Original« und auf den berühmten Zeichnungen des Lem-Illustrators Daniel Mróz (die mithin Lem-gleich das eigentliche Original für die Papproboter sind). Mróz gab den mechanistisch-organischen Ideenkonglomeraten Lems in seinen Zeichnungen annähernd menschliche Formen, die auch an Wolf Wondratscheks »Maschine Nummer 9« erinnern. 50 dieser Zeichnungen sind zu sehen. Und es schmatzt, quietscht und schabt nur so hallend im Foyer … (mgk.).