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Pfade, Brücken, Grenzen - Was Deutschland und Europa bewegt
Quelle: Barbara Hupfeld©

Ffm. | Schauspiel

Eine grenzenlose Sehnsucht

29.04. | »Safe Places« kerben sich harmlos in Hirne und Herzen

Pfade, Grenzen, Angst – Hass: Deutschland im Jahr 2016. Die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen ist ein zentrales Thema, das viele verunsichert und überfordert. Auch reflektierte Menschen mit politischer Links-bis-Mitte-Identität lassen sich in gedankliche Ecken drängen, in die sie niemals wollten. Flüchtlinge sind auch in Deutschland zunehmend nicht mehr die gutherzig willkommen geheißenen Fremden, sondern diejenigen, die unsere Werte, unsere Sicherheit und unseren Wohlstand angreifen. Ist das so? Es ist jedenfalls mittlerweile salonfähig, dies auszusprechen – und das nicht nur in rechtsnationalen Kreisen. Haben wir uns mit unserer so genannten pluralistischen und offenen Gesellschaft 70 Jahre lang etwas vorgemacht?  Und sind wir mit unserem so stolz machenden Ehrgeiz des Gutmenschenlands gescheitert? Müssen wir fortan mit der Angst und dem Hass in und um uns herum leben (lernen)? Was ist Europa? Wer bin ich?

Mit bitteren Wahrheiten, Widersprüchen, glücklich vergessenen Ressentiments, Wortmonstern und unseren eigenen Ängsten konfrontieren uns Falk Richter und Anouk van Dijk in ihrem neuen Stück »Safe Places« im Schauspiel Frankfurt. Auf der Bühne wird alles auf den Tisch gelegt, wie aktuell in tausenden Küchen- oder Stammtischgesprächen, Party- oder TV-Talks überall in der Republik. Ein entlarvender Abend, der die Zuschauer mit einem Bombardement an Fragen und einem Thema herausfordert, dem wir uns nicht entziehen sollten. Einfache Antworten dürfen wir hier nicht gelten lassen, es uns nicht bequem machen in einem Wohlstand, der denen abgerungen ist, die nun zu uns kommen und einen Teil davon einfordern. Richter und van Dijk erinnern außerdem gnadenlos an die Gefühl- und Wortlosigkeit der verlorenen Generation, die uns noch  immer prägt. Aber sie lösen unser Dilemma nicht – und trotz aller verbalen Hässlichkeiten ist »Safe Places« schön anzuschauen, bleibt harmlos für den, der oder die nicht genau zuhören will. Den oder die es nicht im Herzen trifft. Und dies gilt ebenso für das fabelhafte Bühnenbild von Katrin Hoffmann, das scherenschnittartig eine sanft hügelige Waldlandschaft mit windgebeutelten Bäumen in Szene setzt. Tische werden wechselweise zu Brücken, Inseln oder Mauern. Tanz-Sequenzen mit schnell-hartem Beat visualisieren kraftvoll die Dynamik und die Emotionen, die den Worten innewohnen. Dazwischen getragene Klaviermusik, die Erschöpfung und Traurigkeit spiegelt. Auch befreiendes Gelächter ist an diesem Abend möglich, etwa wenn Frau Europa im weißen Anzug einen atemlos-absurden Deutsches-Brot-Monolog hält. Doch die trommelwirbelnde Erkenntnis am Ende bleibt – hilflos: Wie das ausgehen wird, kann man jetzt noch nicht sagen.

Jeder Mensch sehnt sich nach einem sicheren Platz (pem.).