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Quelle: Maryam Bonakdar / 3sat©

3sat | Dokumentiert

Eine Generation ohne Kindheit

»Die vergessenen Kinder von Sarajevo«

Sarajevo, Anfang der 90er Jahre. Damals, als die ersten Bomben einschlugen, dachten alle, dass es nur drei, vier Tage dauern würde. Aus drei, vier Tagen wurden dann vier Jahre. Das belagerte Sarajevo wurde zum Sinnbild des sinnlosen Bosnienkriegs. Für die damaligen Kinder in der Stadt hieß dies: Großwerden unter Granateneinschlägen, Lernen in Luftschutzkellern, ständige Angst und fast tägliche Nachrichten von erschossenen Angehörigen und Freunden. 

Adi war eines dieser Kinder. Vor der Kamera geht er noch einmal an den Ort, an dem er in diesen Jahren die mit Abstand meiste Zeit verbrachte: die verwinkelten schmucklosen Keller des Hauses, in dem auch seine Eltern eine Wohnung hatten. In die Wohnung weiter oben konnten sie nur selten, für einen Tag, ein paar Stunden, ein paar Minuten, um Lebensmittel zu holen. Die Nachbarschaft, so Adi, sah man nur einmal im Monat. Der Rest: der fensterlose, enge Keller.

Heute sind die Kinder von damals junge Erwachsene. Und eine traumatisierte Generation, die glaubt, vergessen worden zu sein. Von Europa und von ihrem eigenem Land. In Bosnien herrscht seit dem Krieg Stillstand. In Deutschland gab es nach dem Zweiten Weltkrieg einen massiven Wirtschaftsaufschwung, der half, mit dem Krieg umzugehen – in Bosnien blieb dieser Aufschwung aus. Die Zahlen sprechen für sich: 63 Prozent der jungen Bosnier sind arbeitslos.

»Die vergessenen Kinder von Sarajevo« von Maryam Bonakdar erzählt die Geschichte(n) von Adi, Selma, Irfan, Gordan und Mirza, alle im Alter zwischen 28 und 33. Es ist ein Porträt einer ganzen Generation, die ihre Vergangenheit verdrängt oder verklärt. Und die 20 Jahre nach dem Krieg verzweifelt auf der Suche ist nach einer Perspektive. Ein eindrucksvoller, sehr tief gehender Film (red.).