Leben in Koffern und Köpfen
Quelle: Beck / Insel / Piper (Buchcover)©

Das Festival | LiteraTurm

Menschliches und Allzumenschliches

04.06. bis 10.06. | Biografie-Festival in FrankfurtRheinMain

Scheunen, Badehäuser, Klöster – ein wenig scheint das regionale Literaturfestival »LiteraTurm« mittlerweile doch von seinem einstigen Image des Turmes als Ort für Literatur abgekommen zu sein. Immerhin: ein paar Türme sind auch dieses Jahr noch mit dabei, insbesondere im Frankfurter Bankenviertel Westend sowie mit dem Mouson- und dem Kuhhirtenturm. Aber auch inhaltlich hat man sich in diesem Jahr auf ein zwar sehr populäres, aber eher bedingt literarisches Feld bewegt. Biografien stehen 2018 im Mittelpunkt der zahlreichen Lesungen und Gespräche. Die halbe Welt- und Kulturgeschichte wird anhand ihrer oder gleich von ihren mehr oder minder berühmten Köpfen erzählt – und gleichzeitig wohl auch munter auseinandergenommen und (neu) zusammengesetzt. Es geht um Theoderich und um Maria Theresia (und ihre Zeiten), um Ludwig van Beethoven und John Lennon (und ihre Künste und Leben), aber auch um einen Leutnant Stern, eine erotische Biografie, eine Bratwurst, einen Koffer und sonstiges »Gepäck des Lebens« sowie wahrscheinlich noch um die eine oder andere Selbstinszenierung und -bespiegelung.

»LiteraTurm« und dessen Macherinnen haben sich damit eines der schillerndsten Genres unserer Zeit ausgesucht. Fiktives und akribisch Recherchiertes mischen sich mittlerweile nicht selten in diesem breiten Feld, das sich längst einer ebensolchen Nachfrage erfreut. Geschichte(n) aus dem privaten Blickwinkel faszinieren die Menschen. Die Trennschärfe zwischen Fakten und Fiktionen müssen gerade in diesem Genre Leser und Zuhörer oft selbst finden. Was aber bekanntlich auch zunehmend ein Phänomen unserer Zeit zu sein scheint. Und manches Mal offenbar auch gar nicht wirklich interessiert. In der Biografie des LiteraTurm-Festivals selbst schließt sich mit dieser Wahl übrigens ein interessanter Kreis. Wer sich noch an die ersten Ausgaben erinnert, weiß, dass damals nicht wenige Besucher offenbar mehr von den populären Türmen, denn von den Literaten, die darin lasen, angezogen wurden. Rund zwei Jahrzehnte später stehen die Türme nicht mehr ganz so im Mittelpunkt. Doch mit den für viele Menschen große Faszination ausstrahlenden Biografien hat man sich nun eines der populärsten Genres gesucht. Vielleicht auch, um dem zuletzt zuweilen etwas elitären Festival wieder einmal einen ebensolchen Schub zu geben … (vss.).