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Moderne Fotokunst trifft altes Viertel
Quelle: Mbzt.©

Lettre de Paris (lys.)

Fotokunst und viel Trendsetting

Im Marais sehen, was in Paris angesagt ist

Paris-Touristen kommen auf jeden Fall im historischen Viertel der französischen Hauptstadt, dem Marais, vorbei. Es liegt auf der rechten Seine-Seite – rive droite, wie die Franzosen sagen – in etwa zwischen dem Rathaus, dem Centre Pompidou und der Bastille. Zum Viertel gehört die Place des Vosges – einer der Inbegriffe des konservativen Paris. Aber die Gegend befindet sich ständig im Wandel. So hat seit einigen Jahren hier auch die LGBT-Bewegung eine ihrer Hochburgen. Mittlerweile gibt es dort sogar einen regenbogenfarbenen Zebrastreifen. Letzterer löste zwischenzeitlich sogar einen Kulturkampf aus, den die LGBT-Gemeinde vor ein paar Wochen mit Hilfe der Bürgermeisterin Anne Hidalgo für sich entschied.

In einer kleinen Seitenstraße dieses wahrhaft bunten Viertels befindet sich direkt neben der Metrostation Saint-Paul ein Kleinod der Fotografie: das MEP – Maison Européenne de la Photographie. Es ist immer einen Umweg wert. Bis Ende Mai wurden dort Arbeiten des chinesischen Künstlers Ran Heng ausgestellt, der sich 2017 im Alter von 29 Jahren das Leben genommen hatte. Seine Fotos zeigen traurige Erotik – kunstvoll in Szene gesetzt. Zudem präsentierte das MEP zuletzt Arbeiten von Coco Capitan. Die 26-Jährige aus Spanien hat sich als Modefotografin einen Namen gemacht. Inzwischen bieten ihre Fotos eine gesellschaftskritische Sicht auf die USA, auf China und auf die moderne Welt, in der wir leben. Mit der Welt, in der wir leben, beschäftigt sich auch Henry Wessel, ein führender Vertreter des »New Topographic Movement«. Im Fokus von deren Kameras steht die menschengemachte – oder genauer: veränderte – Landschaft, meist an den Rändern urbaner Zentren. Wessel ist bis Ende August im MEP zu Gast.

Allerdings gibt es im Marais auch sonst viel zu schauen. Im Viertel kann man auf kleinem Raum sehen, was in Paris gerade angesagt ist. Dort hat die italienische Slow-Food-Bewegung ihren Tempel in Frankreich: Im »Eataly« kann man essen und italienische Lebensmittel einkaufen. Eher zu empfehlen ist allerdings die traditionelle jüdische Bäckerei »Kocarz« in der rue des Rosiers. Hier gibt es Bagels, Strudel und Mohnstückchen. Früher gab es hier übrigens noch mehr jüdische Kultur und Läden. Doch seit den 80er Jahren haben teure Modeläden die jüdischen Geschäfte im Marais mehr und mehr verdrängt. Viele französische Marken wie Bensimon, Comptoir des Cotoniers und American Vintage haben Flagship-Stores im Viertel – vor allem in oder um die rue des Francs Bourgeois unweit des Picasso-Museums. Wer eher wissen will, was im Design gerade angesagt ist, sollte bei »MERCI« vorbeischauen. Zum Geschäft im Hinterhof 111 Boulevard de Beaumarchais gehören nicht nur mehrere Etagen mit Klamotten und Küchengeräten, sondern auch ein Bistro mit Bibliothek. Noch so ein angesagter Trend im Marais … (lys.).