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Alt trifft neu
Quelle: Barbara Walzer (bw.)©

RHEINMAIN | Industriekultur

Dampfkraft und Schrottkunst

03.08. bis 11.08. | 17, Tage der Industriekultur

Die moderne Welt wandelt sich hierzulande schon lange zu einer High Tech- und Dienstleistungsgesellschaft. Doch die Grundlagen des Wohlstandes lagen einst in der Industrie, von der noch immer steinerne oder stählerne Relikte in den modernen Glaslandschaften unserer Tage überlebt haben – und zuweilen auch heute noch da und dort als Nachfahren und Zeugen gern zitierter deutscher Wertarbeit weiterleben. Zeugen dieser Zeit sind im Rhein-Main-Gebiet noch zahlreiche alte Bahnhöfe und Eisenbahnbrücken oder umgewandelte Industriehallen wie Naxos- und Großmarkthalle in Frankfurt sowie Arbeitersiedlungen wie Hellerhof oder Riederwald. Von dieser industriellen Kultur aus der Vergangenheit (und teils der Gegenwart) zeugen aber auch Unternehmensmuseen wie die Designsammlung von Braun in Kronberg.

Einmal im Jahr lässt sich diese Welt direkt erleben bei den »Tagen der Industriekultur« in Rhein-Main. Von Bingen am Rhein bis Miltenberg im Odenwald werden Besichtigungen, Führungen, Vorträge, Konzerte oder Filme an einst gewöhnlichen und heute oft ungewöhnlichen Orten angeboten. In diesem Jahr stehen die Tage unter dem wenig überraschenden Motto »Baukultur«. Im Jubiläumsjahr des »Bauhauses« geht es um Städtebau und Baugestaltung wichtiger Industriestandorte und Industrieensembles. Es geht zu prominenten Bauten früherer Zeiten wie dem einstigen Jugendstil-Dampfkraftwerk in Bad Nauheim, dem Peter-Behrens-Bau im Industriepark Höchst, Frankfurts geschichtsbeladenen Adler- oder Rüsselsheims traditionsreichen Opel-Werken. Ebenso präsentieren sich aber auch moderne Industrie- und Logistikunternehmen bei den Tagen wie der Frankfurter Flughafen oder Darmstadts Pharmariese Merck. Viel versprechen einige Themenführungen per Schiff, per Rad oder per Pedes. In Rüsselsheim geht es auf den Spuren einer vermeintlich »sterbenden Stadt« (wohlweislich mit Fragezeichen versehen) zu alten Vorzeigebauten und neuen Bausünden sowie zur einstigen, heute kaum mehr bekannten Opel-Rennbahn. Auch um Menschen und Arbeitsmigration geht es in den Führungen, etwa um Hanaus Verbindungen nach Antwerpen oder das Arbeiten und Leben im Frankfurter Gallus.

Kunst spielt auch eine Rolle. Am Bau, im öffentlichen Raum oder in alt-neuen Räumen wie dem noch recht neuen »Kreativquartier« Bad Orb oder der Bildhauerwerkstatt Gallus, wo straffällige Jugendliche seit fast 30 Jahren bereits aus Holz und Schrott fast museale Kunstwerke gestalten können. Besonders viele Künstler*Innen in alten Industriebauten lassen sich übrigens zum Abschluss der Tage am 10. und 11. August in den beiden »Kulturfabriken« Farbenfabrik und Atelierfrankfurt beim Sommerfest und bei den Open Studios antreffen. Apropos kreativ. Zuweilen wurde man im Programm auch sehr kreativ: etwa bei »Europas schönstem Campus« (Westend) und »Europas schönstem Wissenschaftscampus« (Riedberg). Die »Tage der Industriekultur« schauen zudem auch auf Orte, die sich wandeln. So gehört etwa der Hafen in Offenbach dazu, der mehr und mehr zu einem modernen Zentrum für Wohnen und Kultur am Main wird. Und mittendrin: der alte, gerade museal aufgepeppte stählerne Kran, der als letztes industrielles Relikt alles überragt und dem modernen Ambiente eine wertig-nostalgische Note gibt. Aber auch ganz moderne Orte wie die Europäische Weltraumbehörde ESA in Darmstadt gehören zum Programm. Alles in allem ist die Palette der über 150 Veranstaltungen in der Region eine Tour d’Horizon durch die regionale Industriekultur von alten Schrauben bis zu modernen Nanoteilchen … (vss. / sfo.).