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Strenge Regeln im Nachbarland
Quelle: lys.©

Lettre de Lyon (lys.)

Ein Formular für jeden Schritt

Le confinement - Frankreich ausgangsgesperrt

Die junge Frau vom Blumenladen nebenan hat ein Schild ins Schaufenster gehängt. Sie schreibt, sie sei »traurig und wütend«, dass sie ihren Laden schließen musste. Und sie dankt den Kunden, die ihr bis zuletzt treu geblieben waren. Bis zuletzt, das bedeutet, bis zum 17. März. Dem Dienstag vor einem Monat, an dem die hierzulande viel striktere Ausgangssperre – auf Französisch »le confinement« – begonnen hat. Zahlreiche Läden, Bars und Bistros gehen mittlerweile davon aus, dass sie die Coronavirus-Krise nicht überleben werden. Welche Geschäfte am nun erst einmal anvisierten 11. Mai in Frankreich wieder öffnen dürfen, steht noch nicht fest …

Einige Tage nach dem ersten hatte die Blumenhändlerin ein weiteres Schild aufgehängt. So weit wie möglich, werde sie sich bemühen, Traueraufträge weiterhin zu bearbeiten. Allerdings dürfen in Frankreich überhaupt nur sehr wenige Personen an Beerdigungen teilnehmen. Viele Kränze werden nicht bestellt. Immerhin ein »Schicksal«, das es so oder so ja auch in anderen Ländern Europas gibt. In Deutschland etwa heiraten Paare wegen der Kontaktbeschränkungen im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus oft ganz alleine – ohne Gäste, ohne Party. Viele Standesbeamte meinen, die Eheschließungen nur mit Braut und Bräutigam seien oft »viel romantischer« als sonst.

Von Romantik ist in Frankreich wenig zu sehen. Präsident Emmanuel Macron sieht das Land im Krieg. »Nous sommes en guerre«, sagte er gleich mehrmals, als er die Ausgangssperre ankündigte. Freunde dürfen nicht mehr besucht werden, Nicht-Beachtung wird streng bestraft. Vielen EU-Bürger*innen, die in Frankreich leben, ist übrigens aufgefallen, dass Macron seine Rede nur an Französinnen und Franzosen richtete. Dabei gelten die strengen Regeln für alle, die in Frankreich leben. Außer dem Weg zur Arbeit – für die, die noch arbeiten – dürfen die Menschen nur zum Einkaufen, für Arztbesuche und für kurze Spaziergänge nach draußen – und nicht weiter als einen Kilometer von der Wohnung weg. Das Formular, das man vor jedem Tritt vor die Haustür ausfüllen muss, gibt es inzwischen auch zum Downloaden auf dem Smartphone. Aber man muss jedes Mal ein neues Formular ausfüllen. Beim Verstoß gegen die Regeln drohen Strafen ab 135 Euro aufwärts.

In Spanien und Italien dauern die Ausgangssperren noch länger und sind teilweise noch strenger. Doch in der Krise denken viele Staaten – auch innerhalb der EU – zunächst nur an das eigene Land. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz ist stolz auf den Erfolg seiner Maßnahmen, Deutschland auf die vergleichsweise niedrige Sterberate. Derweil dauerte es Wochen, bevor – auf Initiative einer Lokalpolitikerin – schwer erkrankte Coronavirus-Patienten aus dem arg betroffenen Elsass in benachbarten Krankenhäusern jenseits der Grenze in Deutschland und in der Schweiz aufgenommen wurden. Überhaupt: Die geschlossenen Grenzen sind für viele schwer zu ertragen. Beim Nachrichten-Sender euronews hier in Lyon arbeiten viele Italiener*innen, Spanier*innen, Portugies*innen, Brit*innen … Einige sitzen in ihren Heimatländern fest, andere können nicht zurück zu ihren Ehepartnern und Kindern. Es gibt ja keine Flüge und keine internationalen Bahnverbindungen mehr. Wenn ich meine Eltern, die in Hessen leben, besuchen wollte, müsste ich mich sofort beim Gesundheitsamt melden und dann erst einmal 14 Tage in strikte Quarantäne. Da kann ich eigentlich auch gleich hier bleiben …