©
Immerhin: Selbst spielen muss man(n) / frau in diesem Kino-Lockdown noch nicht
Quelle: Hans-Jürgen Herrmann©

Die Kultur im Lockdown

Noch mehr Séparée beim Filmschauen

Der November der Online-Filmfestivals

Eigentlich war es ja ein guter Plan (gewesen). Im November, wenn die Tage grauer und ungemütlicher werden (was sich auch durch den Klimawandel nur bedingt geändert hat), ballen sich gerne die kleinen Filmfestivals überall in der Region, locken die Leute von draußen in ihre plüschigen, manchmal etwas zersessenen, aber oft gemütlichen Sessel, tief eingetaucht und je nach Gusteau mit Popcorn oder Rotwein oder beidem. Dann leben sie, die Kultkinos wie das Caligari in Wiesbaden, das Filmmuseums-Kino oder das Mal Sehn in Frankfurt oder das Koki (Kommunales Kino) in Weiterstadt bei Darmstadt. Und dann ist – wie gesagt – die Zeit der kultigen Festivals.

An letzerem hat sich nichts geändert. Kein Monat ist so reich an Filmfestivals. Da sind in Wiesbaden das exground mit seinen bereits legendären Independant-Filmen oder in Kassel das Dokfest, bei dem nomen est omen gilt. Da sind die beiden (Längst-nicht-mehr-) Geheimtipps International Filmfestival Mannheim Heidelberg und Filmz – Festival des deutschen Kinos (wobei das z am Ende kein Druckfehler ist, sondern die zweite Hälfte von mz für Mainz). Und da sind quer über die Region die Specials wie die kultige Mutter aller Animationsfilmfestivals, das Internationale Trickfilmfestival Wiesbaden, das schon so alt ist wie sein liebevoll antiquierter Name. Dazu zählen auch das italienische Verso Sud in Frankfurt, die lateinamerikanischen Días de Cine in Höchst oder das queerfilmfest in eben jenem Koki in Weiterstadt und in einigen anderen Kinos der Region und der Republik. Dazu noch spannende Filmreihen wie die Southern Lights im Kino des Filmmuseums in Frankfurt.

Diese Festivals finden zum Teil tatsächlich statt. Geändert hat sich allerdings eines für die meisten von ihnen: der Standort der Filmsessel. Ob hybrid, online oder on demand – die Bezeichnungen sind vielfältig. Doch sie meinen überall, dass die Festivals auch einen Online Counter besitzen und sich die Filme dort für zu Hause buchen lassen. Die ohnehin schon häufig kleinen Séparées gleichenden Sitz-Inseln in den Corona-Kinos werden also durch noch privatere Séparée-Vorstellungen in den heimischen Kino- und sonstigen Sesseln ergänzt. Pardon: Ergänzt war leider gestern. Seit 2. November heißt es: ersetzt. Ob exground, Dokfest,  Filmz oder International Filmfestival – alle sind mehr und mehr in die privaten Kino-Sessel hineingedrängt worden durch Corona. Einzig das queerfilm und Southern Lights sind gerade noch am virtuellen Raum vorbeigeschrammt. Für einige jedoch, die Días de Cine und das Trickfilmfestival, heißt es leider – aktueller Stand – »verschoben«. Noch offen sind die Verso Sud, die kurz vor Monatsende beginnen sollten. Irgendwie scheint es also mit dem Kino-November zu sein wie mit dem richtigen November. Der ist auch nicht mehr das, was er mal war. Aber angesichts des aktuellen »Lockdown Light« ist es vielleicht ganz gut, dass es zumindest mal diesen heimischen Kino-November nun gibt. Und noch einen Lichtblick gibt es: exground hat bereits die Volte rückwärts geschafft – das »hybrid« in die andere Richtung sozusagen. Nach dem Online-November soll doch noch ein Offline-Dezember folgen. Vom 11. bis 22. Dezember wird das Festival quasi nachgeholt – wenn Corona da nicht immer noch auf dem Spielplan der Kinos steht … (vss.).