
ZUR WAHL | PLAKATIVE PANDEMIE?
Schöne bunte Einfaltsstraßen
Ein Gang durch Frankfurts Wahlplakate-Parcours
Man kommt derzeit in Frankfurt buchstäblich nicht an ihnen vorbei, wenn sie einem nicht sogar und nochmals buchstäblich an vielen Geh- und Radwegen ins Auge stechen. Wahlplakate türmen sich dieser Tage haushoch an den begehrtesten Laternenmasten der großen Einfallstraßen oder thronen entlang der Alleen großformatig im Begleitgrün, die Sicht auf Straßen und Übergänge großzügig versperrend. Immerhin: 93 Stimmen pro Wähler*in gibt es in Frankfurt zu gewinnen. Die meisten Parteien tun alles dafür, keine einzige zu erhalten …
Das Motto für alle scheint eine dynamisch-grellbunt daherkommende Kleinpartei vorzugeben. Die, die man früher mit den drei Punkten kannte. »Was wirklich zählt« steht auf deren meist großformatigen Kunstwerken. Und das ist gleich ziemlich viel, muss man an einigen von deren oft vollgepackten Plakaten doch schon länger stehenbleiben, um sich das zu Gemüte zu führen. Über manche wiederum könnte man gleich stundenlang philosophieren. »Unsere Luft vor Staus schützen«, steht da etwa. Bitte was? Worum geht es? Nicht eher darum, den Menschen Schadstoffe, Lärm und Autoverkehr zu ersparen? Und wie schützt man überhaupt Luft vor Staus? Und warum? Wie wäre es mit Aerosolen? Fragen über Fragen. Gleiches auch, wenn die Partei Märkten eine Heimat geben möchte. Oder mehr Endgeräte fordert. Hat wohl seinen Grund, warum die FDP schon länger in der Opposition sitzt.
Wo die einen mit vielen Worten nichts sagen, schaffen das andere mit wenigen. Dabei hat uns die CDU auf den ersten Blick sogar Hoffnung gemacht. Mit einer autofreien Mainbrücke und einer Straßenbahn in der Innenstadt. Wenn da nicht der Zusatz »Verkehrspolitik mit Plan« stünde. Klingt sehr nach: erst mal ein Gesamtkonzept finden, erst mal zehn Jahre planen und untersuchen, und derweilen erst mal alles so lassen, wie es ist. Zumal uns auch der dritte plakative »Plan« der Union etwas verstört: das Bild der wie üblich mit viel Blech verstopften Frankfurter Innenstadt. Oder hatten da einfach nur die Plakatdesigner der Partei keinen Plan? Kurz zur Beruhigung der CDU: Nein, wir nehmen Euch Eure Stadt nicht weg. Ja, wir lassen Euch wahrscheinlich sogar im Magistrat. Und nein, wir ändern nichts. Na ja, mal sehen. – Apropos Worte. »Egal, wo Du herkommst. Entscheidend ist, wo Du hinwillst«. So charmant sind Migranten selten aus dem Land komplimentiert worden. Peinlich nur, dass dieser missverständliche Satz nicht von einer Rechts-Partei kommt, sondern von der SPD. Von der stammt übrigens auch der Gedanke, was unsere Gesellschaft »zusammen hält«. Zusammen halten? Mit oder ohne Stoppschild? Aber vielleicht sollen die SPD-Plakate auch nur den Bildungsnotstand illustrieren – fragt sich nur, welchen …
Verlassen wir mal die nicht vorhandenen Inhalte. An den Farben hätten Psychologen ihre helle Freude. Es hängt sehr viel Orange an den Straßen. Kein Wunder, die Farbe gilt als aktiv, jugendlich, stimulierend, man verbindet mit ihr Kreativität, Vitalität, Lebensfreude und Optimismus. Und die Parteien dahinter? Tja. Neben den ja traditionell orangen Piraten kommt neuerdings die CDU so daher (ja, die mit dem Plan), außerdem die Freien Wähler und die BFF. Ansonsten dominiert weichzeichnendes Pastell: grün-pastell, pink-pastell, und ist orange nicht eigentlich auch irgendwie pastell? Überraschend: Auf vielen Plakaten der SPD sind Menschen, die man eigentlich gar nicht wählen kann, da sie im Magistrat sitzen und dort auch bleiben wollen (Oder ahnen die schon mehr?). Bei der Union sind’s eher auffällig viele, die man gar nicht wählen mag – oder liegt das daran, dass die Partei offenbar nicht nur an Plakatdesignern, sondern auch an professionellen Fotograf*innen gespart hat? Wobei überhaupt die wenigsten Plakatgesichter dazu führen, dass man zuhause gleich den tischtuchgroßen Musterwahlzettel auffaltet, um sie für die Wahl vorzumerken.
Also doch noch mal zu den Inhalten. Auch wenn die bei manchen eher nach Neujahrs-Vorsätzen klingen. »Die Stadt neu denken« heißt es etwa bei den Grünen. Die Grünen? Wie lange regieren sie jetzt schon in Frankfurt mit? Und wann wollen die mit dem Denken anfangen? Das Gleiche in schwarz von der anderen Magistrats-Partei CDU: »Schwierige Zeiten. Richtige Antworten«. Das Bild dazu: eine triste, schlecht asphaltierte Straßengabelung, deren beide Zweige in nebliges Niemandsland führen – flankiert von zwei leeren Wegweisern. Erinnert irgendwie ein bisschen an den Slogan mit den »blühenden Landschaften«. Dazu passt ein Satz der dritten Pastell-, pardon: Magistrats-Partei: »Garantiert nur mit uns«. So offen können wenige mit ihrer Verlust-Angst umgehen. Kann ja heiter werden, falls es zur Neuauflage der Dreier-Therapie-Gruppe kommt. Immerhin haben die drei neben der gemeinsamen Selbstbeschäftigung auch ein Thema: Mieten – wahlweise übrigens runter, gedeckelt, gestoppt oder stabilisiert. Oder mit den Worten einer anderen Partei: auf zur »Wohnraumoffensive«. Wohnraumoffensive? Ja, war jetzt nicht schwer zu erraten: das waren die, die auch die Luft vor den Staus retten wollen. Vielleicht sollte man die noch mit aufnehmen in den Magistrat. Dann sind die wenigstens alle mal von der Straße runter … (juk./vss.).