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Aus dem Buchcover
Quelle: btb©

Buchmesse | Vorgelesen [1]

Wer bin ich? Und wo bin ich wer?

Kristina Koehler über Khuê Phạms »Wo auch immer ihr seid«

Einige von uns kennen das: Wenn der eigene Name nicht ganz richtig geschrieben oder ausgesprochen wird, fühlt man sich unwohl, manchmal vielleicht sogar nicht wirklich gesehen. Aber wie ist es wohl, wenn man etwa den eigenen Namen selbst nicht richtig aussprechen kann. Kiều?! Der Name klingt so … Ja, wie klingt er denn? Das fragt das Umfeld der Berlinerin Kiều auch immer wieder – oder es ignoriert Kiều (die mit dem schwierigen Namen) einfach gänzlich. In der vietnamesischen Heimat ihrer Eltern, wo ihre vermeintlichen Wurzeln liegen, zweifelt man hingegen eher an Kiềus Aussprache – und das bei ihrem eigenen Namen. So tritt sie die Flucht nach vorne an und benennt sich um: Aus Kiều wird Kim. Bei ihren deutschen Freunden gerne auch »Kimm«, bei der vietnamesischen Verwandtschaft hingegen »Kihm«. Und sie selbst fragt sich immer wieder: Wer bin ich eigentlich und woher komme ich?

Kiều ist die Protagonistin in Khuê Phạms Debütroman »Wo auch immer ihr seid«. Im Romanerstling der »Zeit«-Journalistin geht es um Heimat und Identität, um die Flucht aus Vietnam während des Krieges, um Hoffnungen, Träume, aber auch Traumata. Kiều erzählt von ihrer bekannten und unbekannten Familie, die über drei Kontinente verstreut lebt, und über das Schweigen als Familienerbe. Phạm gehört zu einer neuen Generation, die in der vietnamesischen Diaspora lebt. Sie ist Teil einer Bewegung, die ihre Kreativität nutzt und ihre Stimme erhebt. »Wo auch immer ihr seid«, erschienen bei btb, ist somit der überhaupt erste deutsch-vietnamesische Roman und bringt eine neue Sichtweise in die deutsche Literaturlandschaft. Eine Sichtweise, die allerdings hier bereits beim Lesen beginnt. In »Kiều« stehen eigentlich beide Akzente auf dem »e« übereinander. Doch das kann beim digitalen Lesen von Endgerät zu Endgerät unterschiedlich sein und scheitert selbst auf der Website von Khuê Phạm (und sicher auch bei vielen Leser*innen dieses Beitrags). Man muss wohl schon den Roman selbst in Händen halten, um sicher zu sein, dass man diesen Namen richtig liest. 2012 veröffentlichte Phạm übrigens bereits das Sachbuch »Wir neuen Deutschen. Was wir sind, was wir wollen«, in dem es um Zugehörigkeit in der deutschen Gesellschaft geht. Beim Lesefest »Open Books« präsentiert sie nun zum »Debütabend« ihren ersten Roman gemeinsam mit drei weiteren Debütant*innen, der Medizinerin Minu D. Tizabi, dem Poetry Slammer Dalibor Marković und dem frischgebackenen Ponto-Preisträger Stefan Hornbach.