Nicht wenige Frankfurter*innen machen sich Gedanken um ihre Wohnsituation. Vor allem Künstler*innen, mit denen sich die Stadt gerne schmückt, die aber immer öfter woanders wohnen (müssen). Sandip Shah, stadtbekanntes Exemplar, hat im wahrsten Wortsinn offensichtlich seine Lösung gefunden. Zumindest für sich, denn beliebig reproduzierbar ist die Idee nicht. Shah lebt – zumindest zeitweise – in einer »Bewohnten Kunstinstallation« (kurz: b.k.i.). Oder er arbeitet in einer öffentlichen Wohninstallation. Wie man es nimmt. Während andere bereits in ihren Ateliers wohnen, hat er dies zum künstlerischen Prinzip erhoben. Shah hat in Sachsenhausen eine Laden-Wohnung zu einer Mischung aus Galerie- und Wohnraum gestaltet und stellt sich sowie andere Künstler*innen aus. Im vorderen Teil zur Straße hin sieht alles aus wie eine Galerie mit Schaufenster, im hinteren lebt und arbeitet er. Seit Corona sind die »Grenzen« noch strikter. Beide Bereiche sind fast hermetisch voneinander abgeriegelt. Shah selbst – künstlerisch kokettierender Hypochonder – bleibt hinter einer Glaswand und kommuniziert über Mikrophone vor und hinter der Scheibe.
Die Bewohnte Kunstinstallation ist vieles: Wohnung, Atelier, Ausstellungsraum, Spiel mit dem Raum – und ohne Zweifel auch Inszenierung. In ihr verschwimmen wie bei vielen Künstler*innen die Lebenswelten. An ihr kann man sich trefflich Gedanken über Künstler*innenleben machen. Manchmal auch ganz direkt. Etwa, wenn Shah seiner bisherigen Hauptbeschäftigung in der b.k.i. nachging, dem Ausstellen anderer Künstler*innen. In dieser Hinsicht hat er in den Jahren seit der Gründung 2016 ein echtes Kunststück geschafft. Er hat den Ort fast als kleinen alternativen Frankfurter Kunstverein etabliert, der immer wieder eine Handvoll mehr oder minder echter – zumindest langjähriger – Frankfurter Künstler*innen wie Bea Emsbach, Deniz Alt, Edwin Schäfer, Corinna Mayer oder Annette Gloser zeigt(e) und zuweilen auch verkauft(e). Und der es schafft(e), bei Eröffnungen der zweite kunst-familiäre Off Space in Sachsenhausen neben Mica Prentovics Perpétuel zu sein. Ein Ort, wo sich Off-Künstler*innen mit ihren Freund*innen treffen, nicht selten bis weit in die Nacht. Auch aktuell hängt eine Schau Frankfurter Künstler*innen an den Wänden – auch wenn es noch immer die »Reste« der einzigen Ausstellung während Corona sind. Statt einer Vernissage hatte Shah die Künstlerschar diesmal einzeln zu Interviews gebeten – zum Zwiegespräch durch die Scheibe. Shah kann sich die künstlerischen Inszenierungen leisten. Ein kleines Erbe machte ihn finanziell etwas unabhängig. So wie Shah in dieser b.k.i. arbeitet und lebt, lebt und arbeitet er auch noch in Mülheim bei Offenbach, wo er ein »Atelier« hat. Selbstverständlich eines, in dem er auch lebt (vielleicht sogar mehr lebt als hier). Für den Deutsch-Inder, selbst mit Malerei, Zeichnungen und Installationen bekannt geworden, ist die Idee »b.k.i.« nicht neu. Er hatte sie – und sich – bereits in Darmstadt »ausgestellt«. Unwohl fühle er sich nicht dabei, sei er doch gewohnt, als Künstler »auf dem Präsentierteller zu leben«. Durchs Fenster konnten ihm Passanten vor Corona schon auch beim Leben zuschauen. Zumindest bei einem Teil davon. Denn eines ist gewiss: Je öffentlicher ein Künstler wie Shah sich ausstellt, umso weniger wissen eigentlich die Betrachter*innen wirklich, wer der Künstler vor ihren Augen eigentlich ist und was nur eine Inszenierung – und vor allem welche? Aber noch eins ist ebenfalls gewiss: In Shahs b.k.i.s sind mehr Wahrheiten über Kunstbetrieb und Künstler*innenleben anzutreffen (gewesen), als in vielen Abhandlungen darüber geschrieben wurde. Als nächstes will Shah übrigens wieder sich ausstellen, also seine Kunst, sagt er (_us.).