Der alte Schrank mit Bauernmalerei, der im Atelier von Saskia Schüler steht, hat einen Fuß verloren. Holzbretter sorgen für Ersatz. Seit Langem steht er dort, am liebsten aber möchte die Künstlerin für ihn einen neuen Besitzer finden. Und so ganz passt er auch nicht dorthin. In dem 22-Quadratmeter-Raum im vierten Stock von Hessens größtem Künstlerhaus, dem Atelierfrankfurt im Ostend, wirkt alles sehr aufgeräumt. Die Malutensilien sind in Kisten verstaut, ein kleiner Tisch ist am Fenster aufgestellt. Ein Rundgang mit offenen Ateliers – die jährlichen »Open Studios« – steht an. Daher hat Schüler den Großteil ihrer Werke in einen Lagerraum gebracht. Aber auch unabhängig von solchen Terminen sei das Atelier eher aufgeräumt, sagt sie. Sie nutze »diesen Raum« vor allem für ihre Malerei, aber auch dafür, zu schauen, wie großformatigere Arbeiten wirken. Etwa der Schriftzug »Egal was du tust«, der jetzt hier an der Wand hängt: 114 mit Bügelperlen gestaltete Kunststoffkacheln und 21 am Computer generierte Grafiken in derselben Größe. Ein Werk, das in der Pandemie entstand. Eines, das die Frage stellt, wie Menschen mit der Situation umgehen und ob individuelle Handlungen Relevanz haben.
Szenenwechsel. Oberursel, Kleinstadt vor den Toren Frankfurts, ein kleines Reihenhaus. Hier lebt Schüler mit ihrer Familie. Und auch hier arbeitet sie. Hier ist der Fries entstanden. Akribisch hat sie dabei die Bügelperlen zu Mustern mit ornamentalem Charakter in Handarbeit zusammengesetzt. Schüler arbeitet gerne in verschiedenen Techniken, fertigt Objekte, zeichnet auf Millimeterpapier, malt oder nutzt die Möglichkeiten der Computertechnik. Gemeinsamer Nenner ist das Kleinteilige, Pixelartige, das sich vor den Augen des Betrachters zu einem größeren Ganzen zusammensetzt – individuell gestaltet und doch seriell anmutend. Schüler wechselt zwischen dem Hier und dem Dort. Dass der Fries im Hier entstand, hatte pragmatische Gründe: die Nähe zur Familie, eine Arbeit, die sich unterbrechen ließ, und schlicht Bügelbrett und Bügeleisen. Nur eben nicht der Platz, das Kunstwerk in Gänze zu hängen. Auch im Reihenhaus in Oberursel hat Schüler ein Arbeitszimmer. Ebenfalls aufgeräumt und überschaubar – weit weg vom Klischee chaotischer Künstler. Modern eingerichtet, mit einem Glasschreibtisch und zwei Klassikern des Möbeldesigns, den beiden Ledersesseln der Serie »Wassily« nach Entwürfen Marcel Breuers. Sie schätzt offenbar nicht nur in der Kunst klare Formen. Auch hier ein Schrank. Er wurde in den 70er Jahren von ihrer Mutter schwarz-weiß mit geometrischen Formen bemalt. Heute bewahrt sie darin ihre Bügelperlen und anderen »Kunstkram« auf. Schüler hatte in den 80er/90er Jahren an der Städelschule studiert. Die Entscheidung, von Frankfurt wegzuziehen, haben ihr Mann und sie 2003 getroffen. Obwohl sie ihr Atelier in der Stadt behielt, habe sie, vor allem der beiden Kinder wegen, viel von zu Hause gearbeitet. Mittlerweile sind diese groß, doch das Arbeiten von Zuhause habe sie beibehalten. Es spare Fahrerei. Als konzeptionell arbeitende Künstlerin finde sie ihre Ideen nicht raumgebunden, sondern im Alltag. Wenn die Idee stehe, ließe sich die Arbeit überall realisieren. »Welchen der beiden Räume ich nutze, hängt letztlich davon ab, an was ich gerade arbeite«. In ihren Arbeiten thematisiert Schüler gerne gesellschaftliche Fragen, aber auch angsteinflößende Augenblicke. Auch ihr Leben als Künstlerin spielt hinein. Für Künstler sei vieles nicht planbar, gerade jetzt, und insbesondere Ausstellungen. Das hatte zuletzt auch ganz praktische Auswirkungen. Ihr Stadt-Atelier musste sie eine Zeit lang sogar untervermieten, weil sie es nicht habe finanzieren können. Trotz Stadt-Atelier und Reihenhaus – der Spielraum ist eng … (_us.).