Schon die Gestaltung des Ladens eines in den 50er Jahren erbauten Mehrfamilienhauses ist ein Blickfang: Schwarze Kacheln mit weißen Fugen umranden die großzügig gestalteten Fensterfronten und die Eingangstür. Noch mehr zum Blickfang wird der Laden durch Jens Lehmann, dem Passant*innen in der Lillystraße in Offenbach durchs Schaufenster beim Arbeiten zuschauen können. Der Künstler nutzt die Räume des ehemaligen Ladengeschäftes als Atelier und lässt sich sozusagen beim Künstlersein »über die Schulter« blicken. Umgekehrt fällt durch die großen Scheiben auch viel Tageslicht ins Innere der Räume, und er kann selbst an dem Geschehen vor seiner Tür partizipieren, wenn er dies möchte. Doch meist, so sagt er, nehme er das Treiben draußen gar nicht so bewusst wahr, wenn er arbeite. Dass sein Arbeitsplatz bei manchen Passant*innen Fragen aufwirft, ist ihm dennoch bewusst. Doch nicht jeder traue sich nachzufragen, wie etwa jenes Pärchen, das heute gerade neugierig durch die Schaufenster blickt. Wobei: So viele Menschen sind es denn dann doch auch wieder nicht. Der Laden liegt in einem Wohnviertel und die Zahl der Vorübergehenden ist überschaubar.
Lehmann, der gebürtige Frankfurter, der in den 90er Jahren bei Per Kirkeby und Georg Herold an der Städelschule studierte, habe sich allerdings auch daran gewöhnt, dass er von draußen für alle zu sehen sei. In gewisser Weise zelebriert er es wohl auch. Auf einem Rollwagen aus Holz liegt alles bereit, was er zum Malen seiner Bilder benötigt: eine Vielzahl an Tuben mit Ölfarben, kleinere Kanister und Gläser mit Verdünner sowie Pinsel in schmalen und breiten Formaten. Unweit davon, in der Mitte des langgezogenen Atelierraumes, steht sein Arbeitstisch, an dem seine Kunstwerke entstehen. Kleinere Formate – abstrakte Kompositionen in Öl auf Glas – hängen an den Wänden, größere Werke stehen ordentlich aufgereiht in einem Regal. Die Fläche vor der großzügigen Schaufensterfront nutzt er als Ablage für Kunstbücher oder um Modelle seiner konstruktiv gestalteten Objekte aufzustellen. Der Raum ist auch Ausstellungsfläche. Er nutzt ihn auch, um eigene Werke oder die anderer Künstler*innen zu zeigen. Doch der Ort ist mehr als ein Arbeitsraum. An das Ladengeschäft grenzt eine kleine Wohnung, in der Lehmann und seine Frau leben. Beides haben sie vor ein paar Jahren erworben. Der Weg in die Wohnung führt über das Atelier; wenige Stufen und nur zwei Schiebetüren müssen überwunden werden und schon ist der Blick ins Wohnzimmer frei. Kunst gibt es auch dort. An den Wänden sind mehrere Arbeiten verschiedener Künstler*innen angebracht in einer Art Petersburger Hängung. Die Verbindung zwischen Atelier und Wohnraum ist die schicke Edelstahl-Küche im hinteren Teil des langgezogenen Atelierraumes vor dem Aufgang zur Wohnung. Ein großer Tisch steht davor, direkt darüber eine konstruktiv anmutende Lampe, die den Ort des gemeinsamen Essens in ein warmes Licht taucht. Auch die Küche ist einsehbar. Sie trennt Arbeits- und Wohnbereich – eine Art Pufferzone, die auch Platz für Gespräche mit Besucher*innen bietet, ohne Einblicke in den eigentlichen privaten Bereich der Familie dahinter zu geben. Er ist wirklich privat. Ganz so weit geht Lehmanns Leben im öffentlichen Raum dann doch nicht … (_us.).