Orte & Menschen | Mainz
Die geduldete Duldung
Alternatives Zentrum Haus Mainusch
Viele, vor allem linke, soziokulturelle Zentren haben oft vor allem ein Problem: die ungewisse Zukunft. Paradebeispiel: das Haus Mainusch in Mainz. Ungewisse Zukunft seit 35 Jahren. Programm machen sie auch – zumindest, wenn nicht gerade Corona ist …
Auf dem Mainzer Uni-Campus wird es derzeit licht. Nach sechs Jahren Leerstand ist das Wohnheim »Inter I« abgerissen worden. Unweit davon entfernt erging es dem »Sonderbau I« nicht anders. Damit wird der Blick frei auf ein von der Uni selten gesehenes Gebäude: das Haus Mainusch. Verwunschen wirkt es auf die einen, verwahrlost auf die anderen. »Alternativ« ist es auf jeden Fall. Was die einen wiederum positiv meinen, die anderen etwas weniger. Begonnen hat auch hier alles mit einem Leerstand. Das ehemalige Professorenhaus liegt am Rand des Campus und hat eine bewegte Geschichte. Am 8. Juni 1988 verkündete ein Flugblatt: »Seit heute Nacht halten wir, Studenten der Jogu-Mainz das Haus Mainusch besetzt!«. 16 Ausrufezeichen folgten …
Man wolle das Haus als »unabhängiges, offenes Kommunikationszentrum für alle Studenten nutzen«, alternativ zum »Schicki-micki Restaurant Campus«. Das Mainusch war also zunächst Streik-Café – Kultur und Kommunikation statt Kapitalismus. Doch es war auch mehr: Ort für Konzerte, Lesungen, Vorträge, Küche für alle, Frauen- oder Antifa-Café. Wer eine Idee hatte, konnte sie hier umsetzen. Doch die Umdeutung des Hauses fand wenig Anklang bei der Uni-Leitung. Die Besetzer*innen waren jedoch kompromisslos: Keine Einmischung – und das unbefristet. Tatsächlich wurde ein Untermietervertrag mit dem AStA unterschrieben, ein Verein gegründet. 1998 wurde dem Haus das erste Mal gekündigt: ein »Gästehaus« inklusive »Konsumzeile« und Fitnesscenter sollte entstehen. Protest, das Projekt wurde auf Eis gelegt, der Vertrag verlängert. 2000 war es dann ein Straßenbau, der zur Kündigung führte. Richtig durchgeplant war dieser offenbar nicht – wieder wurde die Kündigung zurückgenommen. Zwölf Jahre später der nächste Anlauf. Die nächste Verlängerung kam allerdings mit einer 300%igen Mieterhöhung. 2017 sollte es schließlich ein Medienhaus werden. Konkrete Pläne – wieder Fehlanzeige. Seine längste Zeit war das Mainusch vor allem »geduldet« – teils halbjahresweise. Aktuell aber zumindest mal bis Mitte 2025. Duldung scheint Programm, das Ganze eine Never-ending-story – positiv wie negativ. Das Schicksal vieler soziokultureller Zentren …
Ach ja, ein Konzept gibt es auch im Mainusch: »Wir versuchen mit dem Haus Mainusch einen diskriminierungs- und hierarchiefreien Ort zu schaffen, einen Freiraum. Das Mainusch ist, was im Mainusch passiert«, so die Mitglieder. Und es lebt davon, dass es belebt wird – auch durch die Bewohner*innen des angrenzenden Bauwagenplatzes. Für viele ist das Mainusch ein Anker auf dem Campus, Schutz- und Freiraum. Frei und geschützt wollen sie es halten. Auch wenn sie gerne in die »Extremisten- und Schmuddel-Ecke« geschoben oder als »Schandfleck« gebrandmarkt werden. Wiewohl sie eigentlich nur ein linkes, kulturelles Kommunikationszentrum sein wollen. Der Weg des Hauses bleibt aber ein ständiges Auf und Ab. Die Mitglieder beklagen intransparente Kommunikation der Universität. Sei es Einsicht in Baupläne, Mitteilung von Zahlungsbeträgen und Fristen oder schlicht das Fehlen einer festen Ansprechperson. Von Seiten der Universität heißt es, es könne weder von »intransparenter Kommunikation« noch von einer »Problematik« die Rede sein. Das Mainusch stehe auf einer »Vorratsfläche« für eine »eventuell erforderliche bauliche Erweiterung«. Aber auch die Pandemie setzte den Mitgliedern zu. Das letzte Konzert war im März 2020. Ein tiefer finanzieller Einschnitt, denn das Haus wird vorrangig über Getränke bei Veranstaltungen finanziert. Veranstaltungen waren kein Thema mehr, Miete schon. Ob komplett oder teilweise gestundet, erlassen, mit oder ohne oder nur Nebenkosten? Wie viel zu zahlen ist und wann, hat die Universität laut der Mitglieder nicht mitgeteilt. Rücklagen gibt es kaum. Das Haus hangelt sich von Monat zu Monat, Instandhaltungen drängen. Und so bleibt die Sorge, bald nicht über die Mittel zu verfügen, den Betrieb wiederaufzunehmen. Hoffnung für die Zukunft macht den Betreiber*innen vor allem der Blick in die Vergangenheit: Immerhin wird das Haus schon seit 35 Jahren konstant geduldet. Baupläne kommen, das Haus bleibt … (upm.).