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Die Brotfabrik - dem Verwertungsdruck vorerst entzogen
Quelle: Landesamt für Denkmalpflege / Thomas Steigenberger©

Impulse | Industriebauten

Kultur und Kulturerbe bewahren

Gastbeitrag von Sabine von Bebenburg

Alte Industriebauten sind oft ideale Biotope für Kultur und Kulturschaffende. Aber leider sind deren Areale auch beliebt bei Projekt- und Immobilienentwicklern. Sabine von Bebenburg, Geschäftsführerin der KulturRegion, plädiert für einen Erhalt und für ein Bündeln von Kräften – für die Kultur, aber auch für eine lebendige Stadtteilkultur. 

Nur selten sind sie in den Schlagzeilen: Ehemalige Industriebauten und -Ensembles, die nach einem Leerstand zunächst von Pionier*innen – etwa mit Künstler*innenateliers – genutzt wurden. So wie die Brotfabrik in Frankfurt-Hausen mit ihrem Mix aus Kultur, Gastronomie und Praxen. Sie belebt diesen Stadtteil und hat sich über Jahrzehnte als Kulturzentrum mit Tanz-Schwerpunkt für Frankfurt und die Region etabliert. In die Schlagzeilen geriet sie durch Verkaufspläne, die Abriss und Wohnungsneubau nach sich ziehen sollten. In diesem Fall reagierten Stadt und Land schnell und stellten das Ensemble unter Denkmalschutz. Fürs Erste scheint damit auch die Kultur hier gerettet.

Sowohl für eine lebendige Stadt wie für eine lebendige Kulturlandschaft ist es wichtig, Soziotope wie dieses zu schützen. Ist die Lage eines solchen Ensembles nämlich begehrt, wird es im weiteren Verlauf dann gerne von der Kreativwirtschaft, von Fotograf*innen, Design*innen oder Werbeagenturen, nachgefragt – sowie später in der Verwertungskette von etablierten Firmen als Showroom oder als Lofts zum Wohnen für Kosmopolit*innen. »Aufwertung« nennt man das – und es wird dabei Geld zur fachgerechten Erhaltung in die Hand genommen. Beispiele zur »upgrading«-Transformation von qualitativ hochwertigen Ensembles aus der Industriezeit sind etwa in Offenbach die Heyne- und Hassia-Fabrik, in Frankfurt die ehemalige Union-Brauerei an der Hanauer Landstraße, die Klassikstadt in Fechenheim oder das Druckwasserwerk im Westhafen, heute ein angesagtes Restaurant. Zuweilen werden Industriekultur-Hallen entkernt und erleben ihre Auferstehung als Supermärkte wie etwa die ehemaligen Bornheimer und Sachsenhäuser Straßenbahn-Depots. Auch die ehemaligen Lungenheilstätten in Königstein-Falkenstein (heute ein Kempinski-Hotel mit Wohnen sowie Fitnessstudio) und in Kelkheim-Ruppertshain (heute ein »Zauberberg« mit Wohnungen, Praxen, Ateliers und Gastronomie) haben eine solche Entwicklung durchlaufen, wodurch die aufgewerteten Ensembles dauerhaft erhalten werden können.

Die Schönheit und Potenziale solcher industriekultureller Ensembles zu erkennen, ist allerdings eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe: als identitätsstiftende Orte – neben ihrer soziokulturellen Rolle auch durch ihre typischen Landmarken wie die alten Schornsteine – und in ihrer gestalterischen Offenheit als ideale Orte der künstlerischen und kreativen Begegnung. Nur selten können solche Orte dauerhaft für eine rein kulturelle Nutzung erhalten werden, so in Frankfurt ein weiteres ehemaliges Straßenbahn-Depot, das als »Bockenheimer Depot« Spielstätte städtischer Bühnen und des Balletts wurde. In nachgefragten Lagen kann die Kultur meist nur so lange bleiben, wie es (noch) bröckelt. An anderen brachgefallenen Orten etwa, wo der Verwertungsdruck nicht so groß ist, werkeln häufig eher betagte Vereinsmitglieder mit viel Leidenschaft und Kompetenz, um »ihre« Orte zu nutzen und zu erhalten: So gibt es etwa engagierte Eisenbahnvereine in Frankfurt, Darmstadt oder Hanau, die über historische Rundlokschuppen samt Schienenfahrzeugen verfügen. Doch hier fehlt es oft an Geld für notwendige Reparaturen zur Instandhaltung der Gebäude, und die Kosten notwendiger TÜV-Abnahmen von Dampfmaschinen oder Loks können einen Verein in den Ruin stürzen. An anderer Stelle braucht es Ressourcen, um ein Management so weit zu professionalisieren, dass ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept möglich wird für die Betreiber. Aktuelles Beispiel: die Transformation der Seilerbahn, der ehemaligen Seilerei Reutlinger, in Frankfurt-Sachsenhausen. Dass städtische oder staatliche Unterstützung seitens der Kreativwirtschaft im Schulterschluss mit Kultur- und Planungsdezernaten Gutes bewirken können, zeigen Beispiele wie das Produktions- und Ausstellungshaus Basis im Frankfurter Bahnhofsviertel oder die ebenfalls dort angesiedelte Leerstandagentur Radar, die im Bestand Räume für Kulturschaffende vermittelt und unterstützt. Wo findige und kundige Pioniere wie etwa der Gastronom Simon Horn und Projektentwickler Sven Seipp unterwegs sind, kann es auch aus eigener Kraft gelingen, inspirierende Orte für Kreative in Industriekultur zu schaffen, zumindest temporär. Das zeigen aktuell etwa das »Danzig am Platz« (am Frankfurter Ostbahnhof) und das »Massif Central« in einer ehemaligen Druckerei an der Eschersheimer Landstraße. Was es braucht: Kreative Köpfe, eine offene Gesprächskultur, ein konstruktives Miteinander von öffentlichen und privaten Akteur*innen, Ressourcen und finanzielle Unterstützung, Allianzen zwischen engagierten Kulturschaffenden und Bürger*innen. All das hat in Frankfurt, der Stadt der Bürger*innenstiftungen, Tradition …