Grün ist eine wichtige Lebensgrundlage in unseren Städten. Nicht von ungefähr lobte sich die Stadt Frankfurt vor einiger Zeit sehr für einen neuen Rennbahn-Park im Westen der Stadt. Im Osten, am anderen Ende, steht allerdings eher die Vernichtung von Wald auf dem Plan. Und zwar, um eine neue Schneise für Autos auf einer Autobahn zu schaffen. »Ein gewaldiger Fehler«, findet unsere Autorin Julia Krohmer.
Städte brauchen Grün. Großstädte brauchen noch mehr Grün. Ansonsten, so die einfache Wahrheit in Zeiten des Klimawandels, würden sie früher oder später unbewohnbar. Grundsätzlich sind Städte mit ihren dichtbebauten Zentren nämlich wahre »Wärmeinseln«. Mit diesen Stadtzentren sind sie bis zu zehn Grad heißer als ihr Umland – und das derzeit vor dem Hintergrund der ohnehin schon allgemeinen Erwärmung im Zuge des Klimawandels. Frankfurt etwa verzeichnete 2023 einen erneuten Extremsommer – ein Sommer, der sehr wahrscheinlich bald das neue Normal werden wird – wieder mit fast 100 Tagen mit Temperaturen über 25° Celsius. Vor allem für ältere Menschen, für Kleinkinder und für Menschen mit (Vor-) Erkrankungen ist das ein Problem, denn ihr Organismus kann sich schlechter an die hohe Wärmebelastung anpassen. Was also tun? Stadtverwaltungen auf der ganzen Welt zerbrechen sich aktuell die Köpfe, wie sie ihre Städte in Zukunft kühlen und damit nicht nur lebenswert, sondern teilweise überhaupt bewohnbar halten. »Nature based solutions« – Lösungen, die auf der Natur basieren – sind hier der vielversprechendste Ansatz, da sie oft effizienter und ökologischer sowie meist kostengünstiger sind als technische Lösungen. Eine der wirkungsvollsten Maßnahmen ist »grüne Infrastruktur«, also vor allem die schlichte Erhöhung des Grünflächenanteils. Kurzum: mehr Wald, mehr Parks, mehr Rasen, mehr begrünte Fassaden. Damit wird parallel auch noch die biologische Vielfalt gefördert, um die es bekanntermaßen vielerorts auch nicht gut steht.
Auch die Stadt Frankfurt setzt in ihrer »Klimaanpassungsstrategie« auf möglichst viel Grün – auf Plätzen, Dächern und Fassaden etwa. Die großen Parks, der Stadtwald und der ganze Grüngürtel sind dabei überaus wichtige »Kühlpacks« für die Mainmetropole. Dabei kühlen die Bäume gleich doppelt, durch den Schatten einerseits und die Verdunstung andererseits. Außerdem halten sie Wasser im Boden zurück, produzieren Sauerstoff, binden CO₂, filtern Staub aus der Luft, dämpfen Lärm, sind Lebensraum für unzählige Tierarten. Sie sind ganz nebenbei schön anzuschauen und wirken sich laut unzähligen Studien positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden aus. Der Wert der sogenannten »Ökosystemleistungen« eines großen Baumes etwa liegt Wissenschaftler*innen zufolge jährlich im vier- bis fünfstelligen Euro-Bereich. Doch während der letzten Hitzejahre in Frankfurt gingen jährlich mehrere Tausend Bäume verloren, nur ein kleiner Teil davon konnte bislang nachgepflanzt werden; 98 Prozent der Bäume der Stadt zeigen Hitzeschäden, sind schlichtweg krank. Nicht von ungefähr kämpfte das Grünflächenamt der Stadt zuletzt um jeden jungen Baum, der frischgepflanzt gleich wieder zu vertrocknen drohte, und sorgte sich um die vielen älteren und alten Exemplare, deren Wurzeln kein Wasser mehr finden und nach und nach verloren gehen. Doch trotz dieser Situation wurden und werden im östlichen Frankfurter Stadtgebiet 2,7 Hektar Wald gerodet. Wertvoller, artenreicher Wald, laut Frankfurter Arten- und Biotopschutzkonzept sogar die wertvollste Waldkategorie, welche die Stadt überhaupt besitzt. Ein auennaher Eichen-Hainbuchenwald, dessen Artenzusammensetzung für besonderen Strukturreichtum sorgte und der zahlreichen bedrohten, geschützten und hoch spezialisierten Tier- und Pflanzenarten wie Fledermäusen und diversen Käfern (wie dem zuletzt noch entdeckten, streng geschützten Heidbock) eine Heimat bot. Diese 2,7 Hektar sind Teil des Stadtwaldes und Teil des Grüngürtels der Stadt. Sie kühl(t)en rundherum einen aufgeheizten Stadtteil, der gefühlt ohnehin vor allem aus Industriebetrieben, Einkaufszentren und Parkplätzen besteht. Dieser Wald wird trotz des vierten großen Hitzesommers innerhalb von fünf Jahren gerodet. Der Grund: ein Anfang der 60er Jahre geplanter Bau eines Autobahnanschlusses, von dem viele Verkehrswissenschaftler*innen übereinstimmend sagen, dass er zu noch mehr Verkehr führen werde. Rechtlich ist dem mittlerweile nichts mehr entgegenzusetzen, die sogenannten Rechtsmittel sind ausgeschöpft und selbst der streng geschützte Käfer scheint am Ende irrelevant. Fraglich aber ist, ob dies in Zeiten überhitzter Städte, brennender und absterbender Wälder sowie des fortschreitenden Klimawandels noch zeitgemäß ist – oder ein letztlich »gewaldiger« Fehler und im Sinne nicht nur der städtischen Zukunftssicherung im wahrsten Wortsinn überholt … (juk.)?