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Im Spielkartenformat: Was die Leerstandsagentur im Augenblick so auf dem Radar hat
Quelle: Radar / Aoki Matsumoto / Profi Aesthetics / us©

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Kreativ(en) Räume schaffen

Radar - Kreativräume für Frankfurt

Bei Kultur und Frankfurt ist normalerweise gerne von »Leuchttürmen« die Rede. Von »Leuchttürmen der Kultur« wie das MMK, das Städel oder die Oper, wahlweise Alte oder neue. Irgendwo dazwischen leuchten allerdings noch unzählige Teelichter, welche in der Summe diese Stadt durchaus erhellen können – und ohne die besagte Leuchttürme oft ziemlich im Dunkeln stehen würden. Da sind zum Beispiel die West Ateliers, zehn Künstler*innenbleiben in alten Ladenlokalen im Ernst-May-Ambiente im tiefsten Gallus. Anders als die Leuchttürme konnte man sie sogar in dunkelsten Corona-Stunden besuchen – und durch die großen Ladenfenster Kunst buchstäblich schauen. Da ist das Orbit 24, draußen in Fechenheim, oben auf der obersten achten Etage eines alten Industriegebäudes: mit weit über 100 Quadratmetern und Terrasse für zwei Künstler*innen – und immer wieder viele Gäste, die sie sich salonartig dorthin einladen. Da ist die Halle 406, gar nicht so weit davon entfernt in der Gwinnerstraße in Seckbach. Der Ort: eine alte umgebaute Fabrik- und Lagerhalle, in der auch wahrhaft Großes entstehen kann, zum Beispiel die raumhohen Skulpturen einer weiteren Frankfurter Künstlers. Und da ist ein rund 15, vielleicht 20 Quadratmeter kleines Zimmerchen im örtlichen Atelierhaus Basis. Alter Holzschreibtisch, zwei Stühle, ein wenig Grün, im Idealfall zwei Menschen, Felix Hevelke und Paola Wechs. Und ein Etat von rund einer halben Million Euro pro Jahr, inklusive ihrer beiden halben Stellen …

Was das Ganze miteinander zu tun hat? Nun, die drei erstgenannten und rund 200 andere kreative Teelichter in der Kultur-Stadt Frankfurt gäbe es nicht ohne diesen kleinen Raum im zweiten Stock der Basis im Bahnhofsviertel. Oder zumindest nicht in ihrer heutigen Form. Und nicht ohne ein paar kreative Köpfe rund um Basis-Mitgründer Jakob Sturm, der vor rund zehn Jahren die Leerstandsagentur »Radar – Kreativräume für Frankfurt« auf den Weg gebracht hatte. Und wie bei vielen guten Ideen, die Kreative in der Stadt so entwickelt haben, hat die Stadt mittlerweile sogar erkannt, dass auch ihr dieses Projekt gut zu Gesichte stehen würde. Von ihr kommt jedes Jahr die halbe Million. Und aus dieser organisieren und finanzieren meist zwei Leute (auf eben zwei halben Stellen) den Umbau von Räumen für Kreative und Künstler*innen, vermitteln freie oder freigewordene Atelier-, Büro- oder Ausstellungsräume, entwickeln zuweilen auch selbst Projekte wie etwa den Höchster Designparcour mit. Die Bilanz aus zehn Jahren: rund vier Millionen Euro Fördermittel in 216 Räume mit insgesamt 24.000 Quadratmetern gesteckt, um 319 Kreativen und Künstler*innen kreativ ebenso kreativen Freiraum zu ermöglichen. Die beiden Orbit-Künstlerinnen Dede Handon und Eva Weingärtner erhielten etwa 22.000 Euro für ihr neues Dachstudio zugeschossen. »Zuschuss« ist in diesem Falle schon das richtige Wort. Denn vor Ort sieht man schnell, dass da deutlich mehr drin steckt – zumindest unzählige monatelange Arbeitsstunden der beiden Künstlerinnen und kreativer Freunde. Nicht anders bei der »Halle 406«. In einer Radar-Publikation zum Zehnjährigen kann man an deren Beispiel etwa nachlesen, wofür eine solche Förderung so alles gut ist: Trennwände, Türen, Elektro- und Wasserleitungen, Installation von Toiletten und Heizung. Meist täuscht der Name »Leerstandsagentur« etwas über das Tun der meist zwei Leute aus dem zweiten Stock (vor Hevelke und Wechs saßen schon ein paar andere an diesem Schreibtisch). Zwar vermitteln sie in der Tat von der Kreativetage bis zum Souterrain-Atelier alles, was ihnen von Atelierhäusern und freien Vermieter*innen mitgeteilt wird und haben dafür auch bereits ein ziemlich kreatives Spielkarten-Tool entwickeln lassen. Doch ihr Hauptjob, der das meiste Geld kostet, ist der Anschub für den Umbau und die Instandsetzung von Räumen. Dabei ist es egal, ob sie selbst die Räume entdecken oder ob sich Vermieter*innen und/oder Künstler*innen an sie gewandt haben. Jede/r Kreative, auch wer schon einen Raum besitzt, kann anfragen, wenn teure Umbauten anstehen oder aus einem feuchten Lagerraum erstmal überhaupt ein Atelier entstehen soll. Allerdings – das lässt ein grober Überschlag über die oben genannten Zahlen erahnen – sind die Finanzierungszuschüsse halbwegs gedeckelt: rund 20.000 Euro pro Objekt sind das Maximum. Wiewohl sich in Einzelfällen auch durchaus »kreative Lösungen« finden lassen, wie man von ehemaligen Radar-Leuten hört. Hinzu kommt: der Raum muss für mindestens fünf Jahre zur Miete für Kreative zur Verfügung stehen; beispielsweise über einen Mietvertrag. Beratung und Formularvorlagen gibt es außerdem für die Interessierten. Bleibt eine Frage: Könnte Frankfurt mit etwas mehr Geld für das Personal noch mehr Kreativen und Künstler*innen in der Stadt neue Freiräume geben? Oder ist der Zwei-Personen-Etat deshalb so sparsam, weil mehr Personal angesichts der raren Leerstände und der immer weiter anziehenden Mietpreise in dieser Stadt eh nicht mehr Arbeit hätte … (vss.)?