Was uns beschäftigt und beschäftigen sollte
Quelle: Museum Angewandte Kunst / Nassauischer Kunstverein©

Zwei Ausstellungen

Seltene Einblicke …

... die uns beschäftigen (sollten)

Wir Journalist*innen sehen viele Ausstellungen im Laufe eines Jahres. Aus dieser Fülle filtern wir die heraus, die wir unseren Leser*innen ans Herz legen. Und zugegeben: In dieser Fülle sind auch viele, bei denen wir uns schon fragen, ob wir dieses Sujet oder jene Machart nicht schon dreimal, viermal oder wer-weiß-wie-viel-mal gesehen haben. Doch dann gibt es auch Ausstellungen, die uns höchst seltene Einblicke geben, die in Erinnerung bleiben und uns im Wortsinn beschäftigen. So wie zwei Ausstellungen im Jahr 2023, die gegensätzlicher nicht sein könnten – und doch so viel gemein haben.

Eine von beiden kann jede/r sofort an jedem Bildschirm mit Internetanschluss besuchen. »Hidden Statement – Art in Afghanistan«, ein Projekt des Goethe-Instituts Rom und des Nassauischen Kunstvereins Wiesbaden mit weiteren Partner*innen, zeigt in einer virtuellen Ausstellung aktuelle Kunst aus Afghanistan. Eindrucksvolle Einblicke in ein Land und in die Kunstszene eines Landes, in das wir im Augenblick so gut wie gar nicht mehr hineinblicken können. Einfache Eindrücke, was die Menschen dort gerade bewegt und wie es ihnen geht. Mit Leichtigkeit und doch bedrückend. Von Künstler*innen, die zur Sicherheit mit Pseudonymen geschützt werden müssen. Gute Kunst obendrein, digital sehr hochwertig umgesetzt. Kunst aber, die geeignet ist, einen nicht nur von der Machart, sondern auch von den Inhalten zu beschäftigen. Bilder – man/frau verzeihe die abgegriffene Wortwahl –, die buchstäblich mehr sagen als viele Worte. Und die vieles, worüber hierzulande debattiert wird, banal erscheinen lassen …

Ganz anders eine reale Ausstellung im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt. »Was wir sammeln«, so der Titel. »Womit wir uns (wirklich) beschäftigen«, könnte man die Schau auch nennen. Mehr oder weniger bekannte Gestalter*innen geben in dieser Schau einen seltenen Einblick, was sie persönlich aus Interesse oder einfach gestalterisch anspricht, was sie im wahrsten Wortsinn in ihrem eigenen Leben gesammelt haben. Vom Edel-Bike bis zu Bananen-Etiketten: Die ausgewählten Gestalter*innen geben in kleinen Schauvitrinen und jeweils einem begleitenden Text tiefe und seltene Einblicke in das, was sie so in ihrem Leben beschäftigt bzw. beschäftigte. Und in ihre – und vielleicht auch unser aller –  Psyche(n) gleich mit. Sehr aufschlussreich: Manche Texte sind höchst geistreich, wenn etwa über die Schwierigkeiten beim Sammeln von Bananenetiketten berichtet wird. Andere – und hier verkneifen wir uns die Beispiele – spiegeln eher den Hang der Schreibenden zur Selbstbeschäftigung und -darstellung als zur Darstellung oder gar Beschäftigung (mit) einer Leidenschaft. Ob in Frankfurt oder in den virtuellen Weiten des Nassauischen Kunstvereins: Die Besucher- und Betrachter*innen erfahren höchst seltene Einblicke – in Themen, die uns alle beschäftigen, und in solche, die uns alle beschäftigen sollten … (ver.).