Kultur muss sparen. Das hört man in jüngster Zeit wieder öfter. Städte und Gemeinden müssen nach Corona wieder die Rotstifte auspacken. Und die, so scheint es, scheinen vielen Stadtkämmerern oft am besten zur Kultur zu passen. Umso erfreulicher, dass in der Region gerade in dieser Zeit 2024 durch außergewöhnliches privates Engagement zwei neue, ebenso außergewöhnliche Kultur-Häuser entstanden sind: in Frankfurt das Crespo-Haus, zu dem die Stadt mit einem 50er-Jahre-Sanierungsfall den Grundstein legte, und in Wiesbaden das gänzlich neue Museum Reinhard Ernst, bei dem nur das Grundstück der Stadt gehört und das praktisch komplett privat finanziert wurde durch den Unternehmer gleichen Namens. Doch auch in Frankfurt wurde das neue Haus nur möglich durch das posthume Engagement der verstorbenen Wella-Erbin Ulrike Crespo – selbst begeisterte und zuweilen begeisternde Fotografin –, aus deren Stiftungsvermögen das neue Haus komplett grundsaniert wurde, nunmehr auch betrieben wird und wo zur Zeit auch ausgewählte Werke von ihr zu sehen sind.
Was beide Häuser neben zwei sehr ansprechenden Architekturen eint, sind hohe, wenn auch fast diametral gegensätzliche Ansprüche. Hier das neue, fast futuristische Museum Reinhard Ernst im Herzen von Wiesbaden, das sich als (künftiger) Leuchtturm und selbsternanntes »Kompetenzzentrum für abstrakte Kunst« positionieren will. Lee Krasner, Ernst Wilhelm Nay, Günther Uecker, Kenneth Noland – Schon die Eröffnungsausstellung »Farbe ist alles!« war ein Who is who der abstrakten Kunst; bestückt ausschließlich aus dem Fundus des Stifters selbst. Dazu eine Hommage an den wenige Tage vor der Eröffnung im Juni verstorbenen Architekten Fumihiko Maki, welcher den abstrakten Meisterwerken ihr Museum regelrecht auf den Leib geschneidert zu haben scheint. »Für eine menschliche Architektur« wurde diese zweite Schau überschrieben – und schlug damit geradezu die Brücke zu dem anderen neuen Haus in Frankfurt. »Menschen stark machen« war das Motto, das Ulrike Crespo ihrer gleichnamigen Stiftung und indirekt auch dem neuen Haus auferlegt hat. Menschen durch Kunst und durch kulturelle Bildung stärken, ihnen die Chance geben, Persönlichkeit(en) zu entwickeln, ist der Auftrag des Hauses und der mit bis zu 25 Millionen Euro pro Jahr gut ausgestatteten Stiftung. Ein Stück weit fließt das Geld in dem weiten und lichten Crespo-Haus, das vor allem aus viel Luft zum Atmen zu bestehen scheint, in Projekte und Veranstaltungen, die dort stattfinden sollen oder die von dort aus gesteuert und noch mehr als bisher gefördert werden sollen. Kultur und Soziales soll mit den Projekten sehr konkret verbunden werden. Abstrakt ist hier wenig. Jugendliche sollen gefördert und gefordert werden, wie schon gleich nach der Eröffnung ein sehr offener »Social Dreaming Day« lebhaft illustrierte. Zusammenleben soll befördert werden, wie etwa die Unterstützung für die migrantische Plattform »Amal« unterstreicht. »Kultur-Schaffende« in vielerlei Sinn sollen ebenfalls dort buchstäblich Raum erhalten. »Eine gläserne Werkstatt« nannte es Crespo-Vorständin Christiane Riedel kurz nach dem Einzug. Nicht von ungefähr besteht das Haus aus vielen großen Fensterfronten – und einer nach außen offenen Freitreppe. Eine Architektur, welche das Innere nach außen trägt. Das wiederum hat das sehr offene Crespo-Haus mit der streng abstrakten weißen Kubenlandschaft des Museums Reinhard Ernst auf eine sehr eigene Art und Weise gemeinsam … (vss./ver.).