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Deux Lettres d'Europe

Die Europäer stehen auf

Hauchen seine Gegner Europa endlich Leben ein?

Lange Zeit war es in Europa Mode, als Bürger und als Politiker auf EU-Brüssel zu schimpfen und mit antieuropäischem Kurs Wähler zu gewinnen. Die Engländer spülen sich auf der Anti-EU-Welle gerade aus der Gemeinschaft heraus. In Frankreich ätzte sich Marine Le Pen mit ihrem stramm rechten Front National und gegen Europa in verdächtige Nähe zum präsidialen Elysée-Palast. Und in Deutschland konnte sich die AfD lange Zeit auf der Protestschiene als antieuropäisches Schreckgespenst aufbauen und in zahlreiche Landesparlamente einziehen. Europa also nur noch ein Vehikel für seine Abschaffung? Gibt es zwar Europa, aber keine Europäer?

Doch Europa wehrt sich. Genauer: Die Europäer wehren sich. Dass es auch sie gibt, zeigt sich mittlerweile immer öfter. In vielen Städten des Kontinents gehen Europäer seit Monaten sonntags unter dem Motto »Pulse of Europe« auf die Straßen (mehr von Pulse of Europe). Als kürzlich das Schauspiel Frankfurt zu einem Europa-Wochenende unter dem provokativen Motto »Erfindung Europa« einlud, platzte das Haus zeitweise aus allen Nähten. Und es waren vor allem Menschen, die sich Sorgen um Europa machten. Doch es wurde in den Debatten auch eines deutlich: Es war schon immer einfacher, entschieden gegen etwas zu sein als für etwas. Und Befürworter Europas scheinen durchaus auch differenziertere Denker zu sein als dessen Gegner – ein Vor- wie ein Nachteil. Doch kann nicht genau dies auch Europas Stärke sein? Petra Manahl hat im Schauspiel einmal genauer hingehört (zu ihrem Beitrag).

Und Europa scheint tatsächlich wieder an Stärke zu gewinnen. In Frankreich und Deutschland, im Herzen Europas, traten und treten bei den Wahlen um Präsident- und Kanzlerschaft zwei erklärte Europäer mit an. In Deutschland ist es der ehemalige Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz,  der die SPD zumindest mal aus dem Umfragetief herausholte. In Frankreich rückt mit Emmanuel Macron gar ein Unabhängiger mit einem erklärten Mitte- und Europakurs in den Fokus. Er wälzt gerade die innenpolitische Landschaft um und schlug dabei sowohl den allerdings angeschlagenen konservativen Spitzenkandidaten François Fillon als nun auch die FN-Frontfrau Le Pen. Kann man mit Europa also doch wieder Staat machen? Kirsten Ripper hat sich Frankreichs neuen Hoffnungsträger Macron angesehen (zu ihrem Beitrag) (vss.).