
UND OFFENBACH
Eine Selbstermächtigung
23.04. | Tagestipp von Setareh Alipour
Zwei Jahre lang waren die Figuren vom öffentlichen Schachfeld am Platz der deutschen Einheit in Offenbach eingesperrt. In einer Holztruhe – frühe Leidtragende von Corona. An diesem Samstag werden sie befreit. Mit einem Workshop zum Schilderbasteln und anschließendem Demonstrieren nehmen die Workshop-Leiter Rushy Rush und Sarah Charlotte Bloch mit den Kindern die Freilassung in die Hand. Mithilfe eines Meisterdiebes wird das Schloss der Truhe geknackt. Im Anschluss kann wieder gespielt werden. Ein Spiel auf mehreren Ebenen: die Kinder eignen sich mit dieser Aktion ihre Mündigkeit und den öffentlichen Raum an. Sie okkupieren die ihnen verwehrten Figuren, und machen das Feld für sich und Andere wieder nutzbar.
Wer mag, kann in der Aktion aber noch mehr sehen. In allen Kulturen ist das Schachspiel als Strategie des Friedens bekannt. Das Spiel ersetzt zwischen Nationen Auseinandersetzungen, durch das Spiel können Menschen miteinander in Kontakt treten, Verhandlungen ausüben, sich streiten und einigen. Sprachbarrieren können im Spiel durchbrochen werden. Das Schachbrett am Stadthof hat bereits vor der Pandemie gezeigt, dass sich Menschen verschiedener Kulturen im Spiel unvoreingenommen begegnen können. Aus kulturanthropologischer Sicht wird ein elementarer Teil des Mensch-Seins aktiviert; der Homo Ludens. Der spielende Mensch kann als vorübergehend freieres Wesen sein Ich in ganz anderer Weise spielen, ausschmücken und skalieren, als ihm dies im Alltag sonst möglich ist …