Frankfurter Unorte der Kunst I

Am Anfang war ein Flur

Von den Anfängen bis in die 90er Jahre

Vergleicht man die Kunstszene in Frankfurt am Main mit denen in anderen deutschen Städten wie Berlin, Leipzig, München oder Köln, so ist sie vor allem eines: anders. Obwohl die Stadt über eine lange Geschichte der Bildenden Kunst verfügt, ist das Kunstfeld heute noch immer von Museen und kommerziellen Galerien dominiert; sicher auch dem einzigartigen Museumsufer geschuldet. Unabhängige Projekt- und Ausstellungsräume nimmt man in der Bankenmetropole eher am Rande wahr. Die Gründe: Ganz sicher ein Mangel an öffentlich geförderten Räumen der Kunst, aber auch das Fehlen einer Netzwerk-Organisation von und für unabhängige Räume. Einen kleinen Einblick in die Geschichte der Frankfurter Off Spaces gibt die folgende kleine Reihe; aufgezeichnet durch zwei Beteiligte der Szene. 

Eigentlich war Frankfurt in den 70er Jahren ein Stück Avantgarde in der deutschen Kunstlandschaft. Es gab erste Produzentengalerien und Ateliergemeinschaften, Orte des künstlerischen Experiments und der Entwicklung neuer Präsentations- und Vermittlungsformate. Und 1973 wurde in den Räumen des Kulturamts sogar die erste »Kommunale Galerie« eröffnet – ein Novum damals in Deutschland. Und Vorbild für die inzwischen beispielsweise 35 Berliner Kommunalen Galerien. Wobei Galerie schon sehr wörtlich zu nehmen war: Es waren mehr oder minder Flurstücke im damaligen Kulturamt. Doch Frankfurts »Kommunale« täuschte ein wenig über die tatsächlichen Zustände hinweg. Die aus Frankreich stammende Künstlerin Nicole Guiraud charakterisiert dies rückblickend so: »Die Situation der Künstler*innen in dieser Zeit war wie überall in den westlichen Ländern in zwei Bereiche gespalten, die kaum Kontakt untereinander hatten: die akademischen Zirkel (in Frankfurt um die Städelschule, Hochschule für Bildende Künste), die mit den Kunstinstitutionen direkt verbunden waren und daher »elitär« waren, und die verschiedenen, die nicht aus diesem Milieu kamen und etwas »Freieres« suchten, experimentell, unabhängig, d.h. mehr in dem Bereich der Subkultur unterwegs waren.«

Diese konstatierte Spaltung hält in Frankfurt bis heute an: lokale Institutionen und Stiftungen fördern vorwiegend Ausstellungen von Absolvent*innen dieser Kunsthochschule sowie der Hochschule für Gestaltung (HfG) im benachbarten Offenbach. Anderswo sah es teilweise schon bald anders aus. Zu Beginn der 1990er Jahre etwa ging eine kreative Aufbruchsstimmung durchs Land – in West und Ost, schließlich hatten der Fall der Mauer und die anschließende Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands unheimliche Potenziale eröffnet und freigesetzt. Viele junge Menschen gingen damals nach Berlin und arbeiteten mit an der ganz anderen Szene in der Kapitale. Einen ähnlichen Boom erlebten später Städte wie Leipzig. Doch der Boom schien auch in Frankfurt aufzuflackern. Wer hier blieb, konnte dem Entstehen einer eigenen Independent-Szene zusehen. Da war das »707«, das mit seinen Performances, Lesungen, Lectures und Konzerten zu Beginn der 1990er Jahre sicherlich das wichtigste Projekt alternativer Kulturvermittlung darstellte. Gegründet bereits 1985 von einer Gruppe um Andreas Kallfelz, war 707 allerdings nur bis 1995 aktiv. Parallel dazu entstand 1993 das »Gartner’s«, das mit wöchentlich wechselnden Ausstellungen, Vorträgen oder großen raumübergreifenden Environments eine ganz eigene Szene formte und prägte. Allerdings ebenfalls nur bis 1995. Es war dies auch die große Zeit von Annette Gloser, die sich als ortsbezogene Kuratorin begreift, und Brachlande in temporäre kulturelle Oasen zu transformieren begann; so etwa bis 1999 in der Galerie Fruchtig, einer 600 Quadratmeter großen Industriehalle. Namen jener Zeit waren auch Daniel Milohnic und Dirk Paschke, die als die Künstlergruppe »Phantombuero« bis 2000 an zwei Standorten Ausstellungs- und Veranstaltungsräume betrieben, um künstlerische Projekte als Widerstand gegen das urbane Frankfurter Phänomen aus Gegensätzen und Konflikten einer auf den Kopf gestellten Welt zu entwickeln. Von der offiziellen Frankfurter Kultur, die im Jahrzehnt zuvor gerade ihr Museumsufer zu formen und zu zelebrieren begann, recht alleingelassen, entwickelte sich in diesem »Wilden Jahrzehnt« eine durchaus eigene, wenn auch wenig beachtete Szene. Die »Kommunale Galerie« war in diesen Jahren übrigens irgendwo abhandengekommen …