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In Stuttgart bekommen Bildende Künstler*innen künftig mehr als nur das Equipment bezahlt
Quelle: Barbara Walzer©

Blaupausen | Künstlergagen

Das Stuttgarter Modell

Bis zu 840.000 Euro für Künstler*innen

Im Oktober 2022 hat der Stuttgarter Gemeinderat beschlossen, ab 2023 jährlich ein Budget von 210.000 Euro für Ausstellungshonorare von Künstler*innen zur Verfügung zu stellen. 30 bis 40 Stuttgarter Institutionen der Bildenden Kunst sind seither berechtigt, beim Kulturamt Anträge auf Förderung zu stellen, wenn sie Werke bildender Künstler*innen in öffentlichen, nicht kommerziellen Wechselausstellungen zeigen. Nicht abgerufene Beträge können auch für freie Projekte vergeben werden. 

Die Initiative ging einst von zwei Stuttgarter Künstlern aus. Wolfram Isele und Joachim Sauter, beide auch aktiv im Fachbereich Bildende Kunst der Gewerkschaft verdi und von dieser unterstützt, argumentierten, eine Ausstellung sei wie ein Live-Auftritt, und Musiker bekämen dafür ja auch ein Honorar. 50 Akteur*innen aus Künstler*innenschaft, Kunstinstitutionen und Verwaltung trafen sich daraufhin im Juni 2022 im Künstlerhaus Stuttgart. Tobias Wall, Fachreferent für Bildende Kunst im städtischen Kulturamt, hatte das partizipative Verfahren koordiniert. Die Aufgabe war, gemeinsam über Bedarfe und Erwartungen sowie über die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für Ausstellungshonorare zu diskutieren. Schon damals hatte der Gemeinderat dafür 50.000 Euro aus der Stadtkasse bewilligt.

Das Ergebnis: das Modellprojekt »Stuttgarter Modell«, das auf vier Jahre angelegt ist und für das der Stuttgarter Gemeinderat Kultur-Einrichtungen jährlich 210.000 Euro für Ausstellungshonorare von bildenden Künstler*innen bereitstellt (inklusive 10.000 Euro für Künstlersozialabgaben). Der Bereich der Bildenden Kunst ist dabei weit gefasst und beinhaltet Performances, Aktionen, Installationen, Film- und Videoarbeiten sowie Malerei, Grafik, Zeichnung, Fotografie oder Skulptur. Auch der Kreis der Künstler*innen ist weit gefasst: die Vergütung diene der »Förderung professioneller bildender Künstler*innen in der Landeshauptstadt Stuttgart«. Förderfähig sind Absolvent*innen und Studierende von staatlich anerkannten künstlerischen Hochschulen. Talentierte oder etablierte Autodidakt*innen können zudem im Rahmen einer von Expert*innen jurierten Ausstellung gefördert werden. Das Kulturamt vertraue dabei darauf, so ist zu hören, dass die Institutionen Sonderfälle eigenständig regeln. Auf Anfrage besteht jedoch eine Nachweispflicht.

Antragsberechtigt sind derzeit zwischen 30 und 40 Institutionen aus der Stadt. Unter den Antragsteller*innen sind beispielsweise der Kunstverein, die Wagenhallen e.V., das Künstlerhaus, die Oberwelt e.V. und der VBKW – Verband Bildender Künstlerinnen und Künstler; nicht antragsberechtigt sind einige städtische und Ausbildungsinstitutionen. Der Abruf der Fördermittel erfolgt unbürokratisch über ein Online-Antragsformular zum Download, das jährlich mit der Jahresplanung der Häuser bis zum 30. September per E-Mail eingereicht werden muss. Die Förderung ist eine »Ausstellungsgrundvergütung«, wie es im Leitfaden des Kulturamts steht, und keine Produktionskostenerstattung. Die Antragsteller*innen sollten die Grundvergütung idealerweise noch aufstocken. Beim Kulturamt können 1.500 Euro für Künstler*innen einer Einzelausstellung beantragt werden und je 500 Euro für Künstler*innen einer Doppel- und Dreierausstellung. Weitere Staffelungen nach unten bis zu 100 Euro regeln die Beträge für Gruppenausstellungen mit mindestens vier Künstler*innen. Wenn im Topf noch Geld übrig ist, werden in einem zweiten Schritt freie Projekte von Institutionen und Einzelkünstler*innen ohne direkte Anbindung an städtisch geförderte Institutionen von einer Fachjury ausgewählt. Bisher hatte das Kulturamt etwa 25 Prozent des Budgets auf diese Weise verteilt. Die Reaktionen sind bisher weitgehend positiv, naheliegenderweise vor allem aus Kreisen der Geförderten. So etwa von Birgit Herzberg-Jochum, die für den Bund Bildender Künstlerinnen Württemberg e.V. am Partizipationsprozess beteiligt war und vom Ergebnis nach wie vor »sehr überzeugt« ist. Und mittlerweile hat die Idee Vorbildcharakter und gibt es auch bereits prominente Nachahmer wie die Stadt Frankfurt, die ihr »Frankfurter Modell« eng an das Stuttgarter Pendant angelehnt hat (uno.).