Der niedrige Flachbau duckt sich im Viertel, das in vielen Jahrzehnten gealtert ist. Er stammt aus einer Zeit, in der gerne solche Flanken für die sogenannte »soziale Infrastruktur« in Quartieren gebaut wurden. Heute wirkt er teilweise unbelebt, etwas aus der Zeit gefallen inmitten des Mixes aus 30er-Jahre-Wohnsiedlung, Ein- und Mehrfamilienhäusern. Wären da nicht einige Schaufenster in den Fassaden, die bunt herausstechen: das »Atelier Wäscherei«. Ladenschilder draußen und drinnen erinnern an die Vormieter –und Carolin Liebl und Nikolas Schmid-Pfähler erzählen, dass auch nach rund sieben Jahren hin und wieder Menschen ihre schmutzige Wäsche abgeben wollen. So haben sie sich vorgenommen, stets freundlich zu erklären, dass es keine Wäscherei mehr an diesem Ort gibt, und was sie hier nun stattdessen tun. Erster Kunstbildungsakt.
Überhaupt erscheinen die beiden heutigen Hauptprotagonist*innen des »Ateliers Wäscherei« stets entspannt. Sie wollen in einem Offenbacher Stadtteil, der in einem toten Winkel der Stadt wenig gesehen wird, Hemmschwellen senken, Zugänge erleichtern, einladen zu Kunst, die von der Künstler*innengruppe vor Ort geschaffen wird. Das können Kunststoff ausscheidende Roboter – wie von Liebl/Schmid-Pfähler auch bereits international gezeigt – oder auch schräge Töne Neuer Musik von Atelierkollegen sein. Beides erweckt dann auch immer wieder die Neugierde von Nachbarinnen und Nachbarn; wenn auch wohl nicht immer nur deren Freude. Im Laufe der Jahre haben sie sich aber aneinander gewöhnt. Manches ist zur schönen Gewohnheit geworden: Zu Ausstellungen oder Aktionen schaut man von nebenan vorbei. Und eine Häkelgruppe aus der Nachbarschaft beteiligt sich mittlerweile auch gerne, zum Beispiel mit einer Schaufenster-Ausstellung (ein auch ansonsten gut etabliertes Format in dieser etwas anderen Wäscherei mit den langen Schaufensterreihen) – und mit kleinen Häkelfiguren zum Mitnehmen.
Irgendwie ist die kleine Wäscherei-Geschichte auch ein typisches Stück Offenbacher Kultur-Geschichte. Nirgendwo in der Region ist die gefühlte Dichte von kleinen, oft selbst geschaffenen Kulturorten so groß wie hier. Nirgendwo gibt es wohl so viele Ateliers und Ateliergemeinschaften in alten Läden oder Hinterhöfen. Nirgendwo sind sie so verwoben. Etwa mit der bewusst angestrebten Praktikantin aus der Nachbarschaft. Oder mit der Gründung eines Vereins, um im Atelier Wäscherei die (alleinige) Verantwortung für den geschaffenen Ort für das Paar etwas zu vermindern und eine vielfältige, generationengemischte Gemeinschaft an Künstler*innen zu fördern. Puzzlestücke zugleich ihrer Vision. So weit, so (sehr) gut. Aber in dem Atelier und in dem Paar stecken auch noch weit mehr: Hier wirkt ein international wahrgenommenes Künstler*innenpaar mit kluger Elektronischer Kunst und Medienkunst, die in Maschinen und Kunststoffen die Natur – und den Menschen – sucht. Von Irland bis China und zwischendurch im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien oder in Darmstadt für den 2020 erhaltenen Sezessionspreis sind sie mit ihren Werken bereits ordentlich herumgekommen. Vor allem ihre vielleicht meistausgestellte Arbeit »Vincent und Emily«, zwei filigrane, bewegliche Roboter, die sich (mitunter menschlich zerstreut) suchen, ist sehr berührend und poetisch – und witzig zugleich.
Die HfG-Absolvent*innen Liebl und Schmid-Pfähler haben sich bewusst für Offenbach entschieden: Über ein halbes Jahr lang hatten sie gesucht, bis sie auf den leerstehenden Ort gestoßen sind, und in nochmals gut über eineinhalb Jahren haben sie alles mit der damaligen Künstler*innen-Gruppe saniert. Es war eine anstrengende Zeit, irgendwie haben sie schon einen ganz neuen Ort geschaffen. Der aber dafür jetzt »ihr Ort« ist. In Offenbach gestalten beide auch ihr privates Leben gemeinsam. Seit ihrem Kennenlernen an der Hochschule für Gestaltung und dem ersten Projekt vor gut über einem Jahrzehnt funktioniert ihr Leben auch als Paar. Mit ihrer Entscheidung für das Investment in die offene Ateliergemeinschaft war dabei klar, dass eine Reduktion des Wohnens unvermeidlich war. Also: zwei Zimmer unterm Dach. Ein paar Fußminuten entfernt. Für die beiden passt das, weil sie ohnehin wenig zwischen Leben und Arbeiten unterscheiden: Zuhause ist der Ruheort, der aber auch stets das Hinübergleiten in den gemeinsamen kreativen Tag am Schreibtisch dort ermöglicht. Für alles andere gibt es das »Atelier Wäscherei«. Ihr Resümee? »Wir würden es nochmal so machen« (pem).
