Barcelona - einst das erste LNG-Terminal Spaniens
Quelle: Port of Barcelona©

Optionen für einen Wandel

Wind, Sonne und Häfen

Spanien - ein europäischer Energiepark?

Rund die Hälfte der deutschen Energie kam bisher aus Russland. Um diese Abhängigkeit abzubauen, schaut man in den Nahen Osten, tauscht aber damit womöglich nur einen Krieg führenden und Menschenrechte verletzenden Diktator gegen einen anderen. Klüger könnte es sein, den Blick Richtung Iberische Halbinsel oder sogar weiter auf den afrikanischen Kontinent zu wenden. 

Spanien ist, was seine Energieversorgung angeht, weiter und nachhaltiger unterwegs als viele andere Teile Europas. Rund ein Drittel der spanischen Energie kommt bereits heute aus erneuerbaren Rohstoffen. Strom produziert das Land sogar bereits zur Hälfte aus Energien wie Sonne oder Wind. Beides gibt es schließlich auf der Iberischen Halbinsel zur Genüge. Importiertes Gas wird hingegen nur zu 15 Prozent für die Stromerzeugung genutzt. Wobei Spanien – und Nachbar Portugal – beim Gas sogar fast völlig unabhängig von Russland sind. Der Grund: An den Küsten der Halbinsel liegt fast die Hälfte der europäischen LNG-Häfen, an denen Tanker etwa aus den USA, aus Nigeria oder aus Norwegen Liquefied Natural Gas, also verflüssigtes Gas, anliefern können. Direkt vor Ort wird das Gas wieder in den Originalzustand versetzt und weitertransportiert. Sechs der Häfen liegen an der spanischen, einer an der portugiesischen Küste. Dort könnte ein Teil der jährlich bis zu 50 Mrd. Kubikmeter LNG ankommen, das allein die USA in den kommenden Jahren nach Europa liefern sollen. Die beiden iberischen Nachbarn hatten früher als viele andere europäische Staaten auf diese Häfen gesetzt. Portugal kann damit seinen kompletten Gasbedarf decken. Spanien wäre sogar in der Lage, mit einer Kapazität zur Löschung von 30 Tankern pro Monat einen Teil des Gases nach Europa weiterzuliefern. Ähnliches gilt auch für Solar- oder Windenergie, welche auf oder vor der Halbinsel produziert werden könnten. Spanien nutzt seine Kapazitäten vielfach gar nicht aus.

Nicht von ungefähr sehen Spanien und Portugal nicht nur Chancen für eine eigene Autarkie von russischer Energie, sondern Iberien sogar als Energie-Reservoir oder zumindest Durchgangsstation für Europa. Allerdings hat die Sache bisher noch zwei überraschende Haken. Zum einen ist Spanien so gut wie gar nicht mit dem Stromnetz Resteuropas verbunden. Zum anderen gibt es nur zwei, noch dazu recht leistungsschwache Gas-Pipelines durch die Pyrenäen nach Frankreich, eine dritte endet bei Girona gar im Niemandsland. Doch selbst wenn alle drei Pipelines funktionieren würden, flöße mit gut 15 Mrd. Kubikmetern Gas im Jahr nur ein gutes Viertel des Volumens von Nord Stream I durch diese Verbindungen. Dabei wäre ein Ausbau beider Netze nicht nur kurzfristig ein Gewinn. Sowohl die Häfen als auch die Pipelines könnten langfristig auch für sogenannten grünen Wasserstoff umgerüstet werden. Er ist umweltfreundlicher als das LNG und kann mit Sonne, Wind und Wasser sowohl in Spanien als auch in und um Afrika im großen Stil produziert werden. Deutschland etwa arbeitet zur Zeit gemeinsam mit Namibia an entsprechenden Versuchsanlagen im südlichen Afrika (wenn auch bisher noch ohne eigene Abnahmehäfen in Deutschland selbst). Ganz nebenbei verfügt auch Mittelmeeranrainer Algerien über große Gasvorkommen und könnte über zwei Pipelines ganz klassisch über 20 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr nach Spanien pumpen. Allerdings ist dieser Teil des Ganzen politisch heikel, da dazu auch das Transitland Marokko teilweise mit eingebunden werden müsste. Dieses aber liegt wegen der West-Sahara mit Spanien und Algerien im Streit. So oder so könnte die Iberische Halbinsel in Zukunft für die Energieversorgung Europas zunehmend wichtiger werden – sei es selbst als Produzent von Energie oder zumindest als Anlande- und Transitland Richtung Zentral-Europa. Das größte Manko aber: Die Europäische Union müsste vorher kräftig in den Anschluss der Halbinsel investieren. Und eines noch: Angesichts von 155 Mrd. Kubikmetern russischen Gases, das 2021 alleine in die EU floss, werden die Anlagen Iberiens alleine das Energie-Problem Europas nicht lösen. Aber laut Fachleuten sollen sie gemeinsam mit den Kapazitäten der anderen Häfen in Europa rund zwei Drittel des russischen Gases ersetzen können … (sfo.).