Aus dem Tanzstück »Para que o céu não caia« (Damit der Himmel nicht herunterfalle)
Quelle: Sammi Landweer©

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Projeto Brasil – Hier und jetzt

02.-26.06. | Brasilien im Fokus des Mousonturms

Brasilien kommt derzeit aus den Krisen und Schlagzeilen nicht heraus. Schon seit Monaten in einer tiefen Wirtschafts- und Verfassungskrise, wurde nun eine umstrittene Präsidentin durch einen noch umstritteneren Nachfolger ersetzt. Ein Nachfolger, dessen Kabinett nur aus weißen, reichen und älteren Männern besteht, und der nicht nur das eigenständige Kulturministerium, sondern auch gleich mehrere Behörden für Gleichstellung, Menschenrechte und die Aufarbeitung der Diktatur erstmal abschaffte. Vor diesem Hintergrund gärt es in Brasilien in der Gesellschaft und in der Kulturlandschaft. Und vor diesem Hintergrund räumt der Frankfurter Mousonturm einen Monat lang sein Haus frei für ein umfangreiches und ambitioniertes Brasilien-Festival, bei dem sich kritisch eigentlich nur eine Frage anmerken lässt: Ob das Wort »Festival« das richtige ist … 

Vielleicht passt besser das Motto »Projeto Brasil – Projekt Brasilien«. Es steht für ein »in Vielfalt geeintes, gerechter prosperierendes Land und eine immer weniger segregierte und immer stärker integrierte moderne Gesellschaft«, so Intendant Matthias Pees, der selbst viele Jahre in diesem Land gelebt hat und für den »Projeto Brasil« ein Herzensprojekt ist. Unter diesem Motto bündelt sein Haus eine Fülle von Theater- und Tanzstücken, Ausstellungen, Konzerten und Performances, Workshops und Diskussionen. Herzstück ist sicher Marcio Abreus gleichnamige Theaterperformance »Projeto Brasil« am 7. und 8. Juni, ein visionäres Kabarett um Texte und Reden internationaler Politiker. Von Abreu stammt auch das Stück »Preto« um den alltäglichen Rassismus (09.06.). Nicht selten stehen Theater, Tanz und Performances auch stellvertretend für die Auseinandersetzung des Südens mit dem Norden. Zu den Highlights gehören sicher auch eine Ausstellung des fast globalen brasilianischen Gegenwartskünstlers Paulo Nazareth, der virtuos mit (seinen) einheimischen, afrikanischen und italienischen Identitäten spielt, eine zweiwöchige Residenz des ungewöhnlichen Choreografen Eduardo Fukushima mit zahlreichen Arbeitsproben oder eine urbane Intervention der Transnomaden von Opavivará!. So spiegelt »Projeto Brasil« auf vielfältige Art die Mobilmachung der brasilianischen Kunstszene gegen die Zustände im Land (und in der Welt). Realisiert wurde das ambitionierte Projekt gemeinsam mit vier weiteren Produktionshäusern, HAU (Hebbel am Ufer, Berlin), Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste (Dresden), tanzhaus nrw (Düsseldorf) und Kampnagel (Hamburg) (vss.).