
Preisverleihungen sind so eine Sache. Und die Einführungen dazu erst recht. [weiter…]
Preisverleihungen sind so eine Sache. Und die Einführungen dazu erst recht. [weiter…]
Guten Abend allerseits.
Ich entbiete Ihnen ein herzliches Willkommen zur 44. Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises im und aus dem Unterhaus in Mainz. Ich darf Sie als Moderator durch diesen Abend begleiten. Es sei mir daher gestattet, vorab einiges klarzustellen.
Der Begriff »Moderator« leitet sich direkt und ohne Umweg von dem Adjektiv »moderat« ab, was für »gemäßigt« oder »maßvoll« steht und damit für Sie die Konsequenz hat, dass ich Sie heute Abend nicht, wie zu solchen Anlässen inzwischen leider allzu üblich, mit Auszügen aus meinen Soloprogrammen behelligen werde, die diesbezüglichen Termine, sollte da vereinzelt Interesse bestehen, lassen sich mühelos im Internet recherchieren.
Nein, wir machen es einmal anders: Heute Abend sollen ausschließlich die zu Moderierenden, die Preisträgerinnen und -träger nämlich, im Vordergrun stehen und sonst niemand. Ich werde auch nicht mit diesen schicken Moderatorenkarten in der Hand, die auf der Rückseite das 3sat-Logo zeigen, damit Sie wissen, auf welchem Kanal Sie sich hochaufgelöst sehen können, vor Ihnen herumhampeln und so tun, als könnte ich meine Texte auswendig und diese dabei gläsernen Blickes vom Teleprompter abhaspeln, dessen Bildschirm viel zu klein und zu weit entfernt ist und dessen Bediener nie die richtige Geschwindigkeit beim Herunterkurbeln der Textrolle trifft, so dass der Sprecher ein eigentümlich unrhythmisches Sprechtempo an den Tag legt, das die Vermutung nährt, er habe sich mit Kräuterlikör oder durch das Aspirieren von Kompositkleberdämpfen in den Zustand der Moderationsfähigkeit erhoben.
Nein, ich stehe hier und lese das, was ich mir vorher überlegt habe, von meinen Zetteln ab. Und dann und wann schaue ich hoch, um zu gucken, ob Sie noch da sind. Das zwingt das Fernsehen vielleicht, über meinen Text Landschaftsbilder zu legen, aber das soll nicht meine Sorge sein. Mir war immer schon wichtiger, was ich sage, als wie ich dabei aussehe. Dessen ungeachtet ist es dennoch schmerzhaft wichtig, bei einer offiziellen Begrüßung zu einem so wichtigen gesellschaftlichen Anlass keinen oder keine der überreich anwesenden Ausnahmeexistenzen zu übergehen oder gar zu vergessen. Wir wissen: Je wichtiger sich einer nimmt um so schlechter kann sie es aushalten, nicht erwähnt zu werden. Und die Anwesenheit des Fernsehens macht wie immer alles eigentlich nur noch schlimmer.
Daher hier also nun die offiziöse und allumfassende Begrüßungsouverture: Damen und Herren, Ministerpräsidenten und -innen, Kanzlisten und Kanzleusen, Staatssekretäre und Bürgermeisterinnen, Spektabilitäten, Excellenzen, Redundanzen und Reminiszenzen, Älteste, Quiriten, Mainzessen und Mainzer, Zuhörerinnen an den Empfängnisgeräten und Zuschauer vor den zu Recht flachen Schirmen, Ansässige und Aufsässige, Auf- wie Zugezogene, Migranten wie Permanente, hochmögende Damen und edle Herren, endlich: Menschen!
Es ist mir Prüfung wie Party gleichermaßen, Sie alle hier und heute und jetzt und nun zur abermaligen Verleihung eines der, wenn nicht nach eigenem Empfinden gar des, wichtigsten, ja eigentlich einzig richtigen Kleinkunstpreises des germanoglotten Weltenraumes begrüßen zu dürfen, den, und darob preisen wir uns glücklich, das Mainzer unterhaus, jener legendäre Gärkeller moussierenden Spaßes, perlender Komik und aufstoßender Satire stellvertretend für die gesamte mikroartifizielle Welt deutscher Zunge nun auch im 51. Jahr seines Bestehens zu stiften, auszustatten und zu vergeben nicht müde wird. Neben dieser Tatsache ist auch dieser Satz einen Applaus wert, ich danke Ihnen.
Der Deutsche Kleinkunstpreis! Aus Mainz! Und das nur wenige Tage nach Rosenmontag! Was uns die seltene Gelegenheit bietet, innerhalb einer sehr kurzen Zeit beide Enden jener Parabel, die hierzulande auch Humor genannt wird, zu erleben, nämlich Karneval auf der einen und Kabarett und Kleinkunst auf der anderen Seite. Um diese ridente Dichotomie in ihrer ganzen Ehrfurcht gebietenden Präsenz erfassen zu können, ist es hilfreich, die ursprünglichen Bedeutungen der Begriffe »Kabarett« und »Karneval« zu kennen.
Sie wissen sicherlich, dass der Begriff »Kabarett« auf die Kabanossi, eine äußerst scharf gewürzte Wurst, die bisweilen Eselanteile aufweist und ihr Schneidbrett, das Kabanossibrett, verweist. Daraus wird dann, wenn man über dem Bruchstrich kürzt, und im Zuge der dritten germanischen Konsonantenschmelze von 1912: Kaba-rett! Während der Begriff »Karneval« ja aus dem Lateinischen auf uns kam und wörtlich übersetzt »Fremdgehen zu schlechter Musik« bedeutet.
Damit zeigt uns das Begriffspaar Kabarett und Karneval auch sehr deutlich, wie im Kabarett die Anwesenheit und das tätige Wirken von Humor Aufklärung und Trost, Erkenntnis und Heilung bewirken kann und andererseits, welch’ furchtbare Wunden die grundsätzliche Absens von, ja gar der willentliche Verzicht auf Humor in Brauchtum und Musik, Geselligkeit und freie Rede riß, reißt und wohl fürderhin noch reißen wird. Hier hilft oft nur noch ein veritables Unwetter.
Wie anders da die Kleinkunst! Es gibt nicht wenige da draußen, die eine die Kleinkunst betreffende Auszeichnungsflut, eine Preisschwemme auszumachen glauben und darob eine Entwertung des jeweiligen Preises wie des oder der Bepreisten befürchten, und die gar behaupten, die schiere Anzahl der zu bekommenden Kabarettpreise in den letzten Jahren sei so unmäßig gewachsen, dass sie dabei die Menge derjenigen Kabarettisten und -innen, die auszeichnungswert sind, schlechterdings längst überflügelt hat.
Mittlerweile könnte es also bereits eine Auszeichnung sein, keine Auszeichnung zu bekommen, ein Ansatz, der inhaltlich gerade von jenen Haushaltsmitgliedern der Ausgezeichneten begrüßt wird, die für die Pflege jener Vitrinen verantwortlich zeichnen, in der die gerade noch vorzeigbaren Statuetten, rachitischen Stelen, verstörenden Glasobjekte und perhorreszierend talentarm, aber nichtsdestotrotz handgemalten Teller lagern.
Da allerdings haben die heutigen und alle Vorgängerkleinkunstpreisträger richtiges Glück, denn die Ihnen übereignete Trophäe ist formschön, pflegeleicht und in fast jeden Haushalt integrierbar. Es handelt sich dabei nämlich um eine Nachbildung der berühmten Unterhausglocke, welche seit den Wirren der 70er Jahre die jeweilige Abendveranstaltung einläutet und nach der Pause die rieslingbedampften Kabarettbesucher zur zweiten Hälfte in die Schwitzhütte gepflegter Abendunterhaltung zurückruft. Wir daheim rufen unsere saumseligen Söhne vermittels jener Kleinkunstpreisglocke zum Mittagessen und die Kinder haben, sicherlich auch wegen des trommelfellschreddernden Diskants der Glocke, sie ist auf das zweigestrichene, hohe O gestimmt und bereits über die Haut hörbar, keine Mahlzeit mehr versäumt und daher im Laufe der Jahre gleichermaßen substanziell zu- wie auditiv abgenommen.
Richtig ist auch, daß die Menge der Auszeichnungen seit der Renaissance sicher zugenommen hat, was aber auch bedeuten könnte, daß die Menge des auszuzeichnenden Materials, dass die Menge der zu bedenkenden Künstlerinnen und Künstler derart angewachsen ist, was nicht »festgewachsen« bedeutet, dass es einfach mehrerer, verschiedener Auszeichnungen bedurfte, um alles Preiswerte auch gebührend zu würdigen. So kam eine irrisierend vielfarbige Liste herausragender Auszeichnungen zustande, die es möglich macht, jede noch so eigen-artige, merk-würdige und spezielle Bühnenleistung angemessen zu würdigen.
Zu nennen sind da natürlich Auszeichnungen, wie etwa das Passauer Scharfrichter Beil, der Deutsche Kabarett-Preis, das silberne C-Rohr der Freiwilligen Feuerwehr Quakenbrück, der bayerische Kabarett-Preis, der Goldenen Bolzenschuß am Bande der Westdeutschen Fleischerinnung, das Cornichon der Oltener Kabarettage, der marmorne Milchshake der Gesellschaft »Stillen bis ins hohe Alter«, der Stuttgarter Stützstrumpf, das Hamelner Hodenbänkchen, der Goldenen Spaten der Tiefbaufreunde Wuppertal, der Salzburger Stier und der Bulle von Tölz. Und eben der Deutsche Kleinkunstpreis.
Warum aber ein Preis? Weil ein Preis dem Bepreisten durch den Preisenden offiziell und für jeden sichtbar mitteilt, dass von seinen Bemühungen Notiz genommen wird, und zwar zusätzlich zu seinem Publikum am Abend auch noch von einer Jury, und damit dann, nach der öffentlichen Bekanntgabe, auch von einer enorm großen Menge an Leuten, die nach sowas gieren, weil die Bemühungen jedes und jeder einzelnen, die hier heute ausgezeichnet werden, Not tun und das enorm! Das Kabarett zeichnet sich, anders als die Comedy, die allabendlich in zwei Sorten zerfällt, nämlich in Stand up oder Stay lay, das Kabarett also zeichnet sich durch fast so viele Spielarten wie Protagonisten aus, ein Jeglicher spielt seine eigene Form dessen, was man Kabarett heißt und so nimmt es nicht Wunder, daß auch der Deutsche Kleinkunstpreis in drei großen Kategorien verliehen wird,
# in der Kategorie »Kleinkunst« natürlich, in der alles zusammenfasst wird, was weder Chanson noch Kabarett ist, also etwa Stepptanz, das Tätowieren von Reiskörnern oder die Jonglage mit Fischen, wenn währenddessen gesprochen wird,
# in der Kategorie »Chanson/Lied/Musik«, wo es vornehmlich um Chansons – das ist französisch für Lieder -, Lieder – das ist deutsch für Chansons – und Musik geht – das ist griechisch für Tonkunst, meint aber nicht Töpfern
# und in der Kategorie »Kabarett«, in der vornehmlich politisches Kabarett ausgezeichnet wird, also die satirische Auseinandersetzung mit den Zeitläuften und den sie gestaltenden, einflussreichen Minderbegabungen.
Zudem gibt es den Förderpreis der Stadt Mainz, nach dessen Erhalt man bitte weitermachen soll, und den Ehrenpreis des Landes Rheinland-Pfalz für das Lebenswerk, nach dessen Erhalt man aber weitermachen darf.
In diesem Sinne begrüßen wir den ersten Preisträger in der Sparte Kabarett …
An dieser Stelle beendet urban shorts die Muster-Einführung zum Deutschen Kleinkunst- und allen sonstigen Preisen. Mehr dazu auf 3sat …
Und eigene Wünsche für den zweiten Teil einer halbwegs eigenen Rede bitte mit üppigem Honorarvorschlag direkt an Jochen Malmsheimer …