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Aus der 3sat-Reportage »Johannesburg 2.0«
Quelle: 3sat©

Johannesburg | Mediathek

Joburg 2.0 – hipp, aber heftig

Zwei Blicke auf Johannesburg im Wandel

»Johannesburg ist auf Blut, Schweiß und Gold gebaut«. Das hört man in der Metropole Südafrikas immer wieder. Einstige Goldgräberstadt, dann ein Zentrum der Apartheid, Niedergang und heute wieder Boomtown sowie Finanz- und Wirtschaftszentrum des Landes am Kap. Eine zwielichte Boomtown allerdings. Einerseits zieht sie Unternehmen und Menschen wie ein Magnet an. Andererseits »boomen« auch Armut, Kriminalität, Beton, Asphalt und Müll. Urban shorts-Redakteurin Susanne Benner lebte und arbeitete für einige Monate in Südafrika. Nach ihrer Rückkehr nahm sie sich die aktuelle 3sat-Reportage »Johannesburg 2.0« zum Anlass, noch einmal auf die Metropole Südafrikas zurückzublicken. Urban shorts dokumentiert die beiden Einblicke Benners und des 3sat-Autors Timm Kröger in eine hippe, aber heftige Metropole Afrikas (red.).

Letter from Johannesburg

Wahrlich keine Schönheit

Joburg 2.0 - Boom und Schattenseiten

Von Susanne Benner 

»Johannesburg ist auf Blut, Schweiß und Gold gebaut«, tönt es aus dem Lautsprecher während einer Stadtrundfahrt durch die südafrikanische Metropole. Die einstige Goldgräberstadt im Nordosten des Landes ist mit 130 Jahren im Vergleich zu europäischen Städten zwar sehr jung, hat durch die Minenarbeiten, die jahrzehntelange Apartheid-Politik und den anschließenden Niedergang jedoch bereits viele Wandlungen erlebt.

Doch seit einigen Jahren boomt die Metropole. Sie ist nicht nur die größte Stadt, sondern auch das Wirtschafts- und Finanzzentrum des Landes. Investoren haben das Potenzial der Innenstadt entdeckt und setzen mit der Schaffung von Wohnraum auf Rückkehrer aus der wohlhabenden Mittelschicht. Stadtteile wie das Universitätsviertel Braamfontein oder das einst zwielichte Maboneng stehen hoch im Kurs der Stadtentwickler und locken mit kultureller Vielfalt und Geschäftigkeit vor allem junge Menschen an.

Diesen Trend beschreibt auch die nette Stimme während der City-Tour, und prophezeit, dass man sich in die Stadt leicht verlieben kann. Man möchte also meinen, dass es sich in Johannesburg – kurz Joburg genannt – hervorragend leben lässt. Das stimmt vermutlich, wenn man jung und risikobereit ist oder sehr gut planen kann. Ein Einkaufsbummel im Stadtzentrum oder mal eben eine Runde Joggen gehen, ist aber – trotz aller Sicherheitsmaßnahmen wie der allgegenwärtigen Überwachungskameras – selbst am Tag nicht ratsam. Und da es Sommer wie Winter in Joburg gegen 19 Uhr dunkel wird, muss man seinen Feierabend und die Wochenenden gut organisieren. Zu groß ist noch immer die Gefahr, Opfer eines Überfalls zu werden. Oder ist es die tiefsitzende Angst davor?

Die hohe Kriminalitätsrate ist ein großes landesweites Problem in Südafrika, und schon die offiziellen Zahlen für Joburg sind alles andere als beruhigend: Nach jahrelangem Rückgang nahm die Kriminalitätsrate im Jahr 2015 in sämtlichen Bereichen von Einbruch über Mord bis hin zur Polizeigewalt wieder deutlich zu. Das Stadtbild ist vielerorts geprägt von Bettlern, Obdachlosen und einer Masse an offensichtlich armen Menschen. Und diese Masse wie auch 73 Prozent der Einwohner Joburgs sind schwarz. Hinzu kommt, dass die Einwohnerzahl recht unbestimmt ist. Die Angaben schwanken von 4,4 bis zu mehr als acht Millionen Menschen für den Großraum Johannesburg. Eine Ursache liegt darin, dass das ökonomische Powerhouse des Landes viele Menschen, auch Migranten aus anderen afrikanischen Staaten, anlockt. Sie hoffen auf Arbeit und ein besseres Leben. Weiße sieht man in den Straßen Joburgs eher selten. Sie leben in der Regel in den weiträumigen Vororten hinter Mauern mit Elektrozaun und Stacheldraht und fahren zum Einkaufen in eine der zahlreichen Shopping Malls.

Joburg ist – das zeigt auch die 3sat-Reportage »Johannesburg 2.0« sehr plastisch – wahrlich keine Schönheit. Zwar gibt es laut Stadtverwaltung mehr als zehn Millionen Bäume, aber durch Hochhäuser, Baustellen, Schnellstraßen und Stadtautobahnen mit ihrem unbändigen Verkehr lassen kaum Raum für ästhetische Stadtgestaltung. Hinzu kommen noch Müll und Lärm im Überfluss. Kein Wunder, dass jeder ins Schwärmen gerät, wenn er von Kapstadt spricht. Die Kapregion ist auch unter Südafrikanern ein beliebtes Ziel zur Erholung oder für die spätere Rente. Sie ist, wie man sich eine lebenswerte Region vorstellt: eine atemberaubende Landschaft mit Bergen, Strand und Meer und malerischen Sonnenuntergängen und bietet eine intakte Infrastruktur. Ein weiterer Unterscheid: Kapstadt ist weder schwarz noch weiß, sondern mehrheitlich von Farbigen bewohnt. Doch wer von Südafrika mehr sehen möchte als beschaulich-touristische Schönheiten, kommt um einen Abstecher in die weniger schöne Schwester kaum herum …