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Daniela Cappelluti, Mirrianne Mahn, Katharina Knacker - die Geschäftsführerin, die Diversitätsreferentin, die Öffentlichkeitsarbeiterin
Quelle: Katharina Dubno / Die Grünen©

Frankfurts Aufsteiger*innen [1]

Von Jobs, Kids & Mandaten

Drei der Neuen für die grüne Stadt

Selten hat sich Frankfurts Stadtparlament so verändert wie mit dieser Wahl. Mehr Frauen, jüngere Menschen, mehr Internationalität. Das Parlament nähert sich der Stadt an. Urban shorts hat mit drei grünen Aufsteiger*innen gesprochen. Drei aus einem neuen Mainstream? Auf jeden Fall drei, die Stadt verändern wollen – und können. Die viel von Miteinander und Mitnehmen sprechen. Von Erfahrung(en) – und von einer Sorge. Eine wohlwollende Betrachtung der und des Neuen – erzählt in drei Shorts. 

 

Die Kultur

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Eine Szene mit Symbolwert? Als wir beim Gespräch über die Stadt und ihre Zukunft am Main entlang gingen, fragte Daniela Cappelluti: »Ist das auf der Bank nicht Thomas Dürbeck?« Dürbeck, gerade noch CDU-Stadtverordneter und deren Kultur-Sprecher, saß lesend in der Mittagssonne. »Mit dem will ich auch noch mal reden.« Gesagt, getan. Kurzer Plausch, Karten getauscht, das Gespräch eingetütet. – Cappelluti spricht später vom Mehr-miteinander-Reden, von einer anderen Kultur, aber auch vom Wert der Erfahrung. Erfahrung, die sie sich auch beim scheidenden Kultursprecher der Konkurrenz einholen mag. Wobei es einen fast schmunzeln lässt, bei einer Frau, die für Kultur in Frankfurt steht wie wenige andere: Event- und Kulturmanagerin, die wegen ihrer Ausgehtipps (fast) jede/r in der Szene und in der Stadt kennt. Aber vielleicht ist gerade das auch jene »neue Kultur«, von der sie sagt, dass die Stadt sie brauche. Wobei selten ein Begriff so vieles gleichzeitig meint. Den anderen Kulturbegriff, der bei Schauspiel und Kulturcampus weder anfängt noch endet, sondern bis weit in die Freie Szene, die Off Spaces, aber auch die Clubkultur, Straßenfeste und das Urban Gardening geht. Der aber auch Stadt-Kultur meint: vom Leben der Stadt auf ihren Plätzen (und das ganz besonders in diesem Sommer) und in den Vierteln. So denkt sie gerade über die künstlerische Bespielung von Schaufenstern in der darbenden Innenstadt nach; wobei Innenstadt für sie nicht am Rande von Wallanlagen oder gar Zeil endet. Aber eben auch um die Kultur eines Miteinanders. Nicht nur mit »älteren weißen Männern« (Zitat Dürbeck) von der CDU. Überhaupt will sie Menschen in dieser Stadt mehr mitnehmen. Und Anlaufstellen schaffen, damit sie mitgenommen werden. Für Menschen, die mit Behörden Probleme haben. Ganz allgemein. Aber auch für Kulturschaffende, die sich durch den Förderdschungel arbeiten. Und natürlich für die Szene, etwa durch einen Nachtbürgermeister, der sich eben um jene Szene kümmern soll, die – in besseren Zeiten – nachtaktiv ist. Ach ja, den Ort des Gesprächs, den Mainkai, hätten wir fast vergessen. Aber dass der autofrei wird, ist ja eigentlich auch längst kein Thema mehr in Frankfurt …

 

Die Stadt

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Viel vor, wenn sie das alles in dieser Stadt verändern will. Cappelluti, die auch noch Grünen-Geschäftsführerin, Mutter eines gerade erwachsenen Sohnes und nun im »Nebenjob« Stadtverordnete ist, ist eine der Aufsteiger*innen der jüngsten Wahl. Von hinten auf der Liste nach vorne gespült – was sie ihrer Popularität, aber auch den im Wahlkampf vielfach vernachlässigten Kulturschaffenden verdankt. Doch sie steht auch für jenen Wandel, den die Wahl mehr als frühere Wahlen brachte. Frau, Mutter, geboren in Mailand – einer der Menschen, mit denen die Stadt langsam in ihrem Parlament ankommt. – Szenenwechsel. Unicampus Bockenheim. Noch so eine Baustelle der Stadt. Katharina Knacker wurde ebenfalls weit noch vorne kumuliert. Junge Mutter, aktiv im Radentscheid, 30 Stunden Pressearbeit die Woche für eine Kulturinstitution. Das Herzstück dieser Herzensprojekte ist allerdings die »Kidical Mass« – unterwegs mit dem eigenen Sohn und vielen anderen Kids auf Fahrraddemos durch die Stadt. Denn dort, wo früher Kinder auf den Straßen spielen konnten, dominiert heute Blech und gefährdet diese Kids – und nicht nur diese. Eine andere Stadt, von unten her gedacht, könnte man sagen. Und dieses Bild, es trifft tatsächlich in vielerlei Hinsicht. Katharina Knacker, eine Frankfurterin zur Abwechslung, steht wie wenige für diese andere lebenswerte Stadt, von der Grüne gerne träumen und deren Herzstücke das florale Grün und die Verkehrswende sind. Sie hat es beim Radentscheid mit angepackt – und wurde wohl nicht zuletzt deshalb auch mal um rund ein Dutzend Plätze nach vorne und ins Parlament hineinkumuliert. Und sie kämpft dafür auf Mainkais und in Oeder Wegen, wo sich nun offenbar nach und nach einiges ändert – gerade durch solche Menschen, die nun auch in die Parlamente drängen. By the way: Wohl nur wenige haben für die Untermauerung all dessen meist nicht nur Herzblut, sondern oft auch noch irgendeinen Link oder eine Studie parat; zum Beispiel wider die Mär, dass autofrei dem Handel schaden würde. Was von ihr zu erwarten sei? Dass Frankfurt grüner wird, Straßen lebendiger und sicherer – und die Zukunft nicht nur ihres Sohnes eine gute in dieser Stadt. Zumindest, wenn sie auch nur einen Teil dessen umsetzt, was sie uns alles an neuen Grün-, Radwege- und ÖPNV-Konzepten erzählt hat – und für das alles der Platz hier beim besten Willen nicht reichen würde. Fragt sich nur, ob ihre Zeit reicht, sitzt sie doch ganz »nebennebenbei« auch noch im Bockenheimer Ortsbeirat. Da, wo mit über den Kulturcampus entschieden wird  – wenn er denn mal kommt. Weswegen wir erst mal über alles andere gesprochen haben …

 

Die Menschen

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Zwei Worte fallen öfter, wenn man mit grünen Aufsteiger*innen spricht. »Bürokratie« und »Zeit«. Die Hoffnung, mit dem eigenen Elan »nicht an der Bürokratie zu scheitern«. Und an der Zeit: 30-, 40-Stunden-Jobs, Kids und Ehrenämter – und jetzt auch noch Stadtparlament(e). Man mag mancher schon mal eine Assistenz anraten. Auch der dritten im grünen Bunde: Mirrianne Mahn, Stadtverordnete, Diversitäts-Referentin und – natürlich – Mutter zweier Kids, alleinerziehend obendrein. Unser Treffen wurde kurzfristig zum Telefonat, da die Kids früher vom Vater zurückkamen. Mahn, eingeholt von einer ihrer diversen Identitäten. Und davon hat sie nun auch noch einige mehr als die anderen: Geboren in Kamerun, aufgewachsen in USA und Deutschland, deutscher (Adoptiv-) Vater, der in Kamerun gearbeitet hatte, kamerunische Mutter, die heute in Deutschland lebt, viele Jahre selbständig in der Gastronomie, jetzt eben Diversitätsreferentin, deutscher Pass, dunkle Hautfarbe, und eben Mutter. Fast ein Abbild des modernen Frankfurt – oder des grünen Wahl-Programms. Mahn spricht wenig über Dinge, die sie direkt ändern will, viel über Erfahrungen. Die, die sie einbringen kann. Ob etwa bei einer Verordnung an Selbständige gedacht wurde, und zwar an die jungen, die alleinerziehenden, die dunkelhäutigen? Ganz nebenbei erfahren wir von ihr, dass abendtagende Stadtparlamente und Fraktionen auch nicht gerade für Alleinerziehende gemacht sind (und sie mithin die übliche Aufwandsentschädigung gleich zur Kinderbetreuung durchreichen könne). Noch ein etwas anderer Blick zum Einbringen. Kultur ist ebenfalls ihr Thema. Neben dem »großen Lebenslauf« hat sie auch noch an eine Theatergruppe angedockt. Und auch sie spricht von »anderer Kultur«. Und meint natürlich vieles, die der Freien Szene, die des Miteinander und die der Hautfarbe(n). In allem dreien ist ihr der Mensch am wichtigsten, den abseits seines Passes, den, der sich verwirklichen kann, der nicht diskriminiert wird – egal weswegen. Sie weiß, was die sagt. Und doch spricht auch sie von der Erfahrung anderer. Und nennt »den Herrn Schlimme«. Ein grünes Frankfurter Urgestein, Anfang 60, Bio-Bauer, der grün vorlebt, aber offenbar auch gut zuhören kann. Sie lobt sein Engagement für Umwelt, seine Erfahrung, auf die auch sie hört. Und nennt gerade diesen »älteren weißen Herrn« (nicht ihr Zitat, sondern oben ausgeliehen) als positives Beispiel für die Diversität in der Partei. Ein Satz, der mehr aussagt über das Zusammenwachsen der Menschen in dieser Stadt, wie Mahn dieses versteht – aber auch, wie es zunehmend Realität in dieser Stadt wird. Angekommen nun auch im Römer … (vss.).