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Eileen O'Sullivan, Lara Goertz, Martin Huber - geballte Kompetenz zu Politik und Wirtschaft
Quelle: Jee-Hae Youm / Volt©

Frankfurts Einsteiger*innen [2]

Die jungen Unwilden

Volt, die Pragmatisch-Progressiven

Selten hat sich Frankfurts Stadtparlament so verändert wie mit dieser Wahl. Mehr Frauen, jüngere Menschen, mehr Internationalität. Das Parlament nähert sich der Stadt an. Urban shorts hat mit drei Aufsteiger*innen gesprochen. Von der neuen Partei Volt. Sicher die jüngste Partei, die im Römer angekommen ist – und mit der auch ein Stück Stadt angekommen ist, das noch selten dort mitredet. Angefeindet wurden sie auch schon: als »neoliberal«. Um es vorweg zu nehmen: Sie sind vieles, aber das sicher nicht. Noch eine wohlwollende Betrachtung der und des Neuen – erzählt nochmals in drei Shorts. 

 

Träumen …

*

»Neoliberal« – Kaum gewählt, hatte Volt ein erstes Etikett weg. Von einer Partei, die selbst vor fünf Jahren neu und überraschend im Römer war. Nun wohl etwas aufgeschreckt? Ihrerseits von einer Partei, die in diesem Jahr neuen, frischen Wind ins Parlament bringt? So gesehen scheint das Etikett vor allem ein Beleg, dass man die Neuen ernst nimmt im Politikbetrieb. – Nun, als wir das Trio Eileen O’Sullivan, Lara Goertz und Martin Huber am Willy-Brandt-Platz – bezeichnenderweise für die Europa-Partei direkt unter dem Euro-Zeichen – trafen, wirkten sie alles andere als »neoliberal«. Oder sind Neos unkonventionell? Denn wo kommt schon mal fast eine komplette Fraktion zum Pressetermin anmarschiert? Oder staunend? Hatten sie doch gerade den Römer kennengelernt, mit der Verwaltung über Räume, Geld und Ressourcen gesprochen. In anderen Größenordnungen als die 10.000 Euro, mit denen die drei aus Wohnungen und Studentenbuden Wahlkampf gemacht hatten. Und Neos sind wohl auch selten träumerisch, oder euphorisch, oder geben zu, noch ein bisschen suchend zu sein. »Grüne Lunge«? Da sagen sie frank und frei, noch keine Meinung zu haben. Außer, dass viel Grün bleiben müsse. Ein erstes Treffen immerhin dieser Tage. Nicht mit Instone, sondern mit den »Gemüseheldinnen«. Es zeigt zumindest die Richtung. Konkreter wird es an anderen Stellen. Mainkai? »Autofrei!?« kommt von Eileen O’Sullivan wie aus der Pistole geschossen, aber doch irgendwie vorsichtig. Kann man das so sagen? »Es könnte ein Ort der Begegnung sein, von denen wir in der Stadt viele brauchen«, schiebt Martin Huber nach. »Eigentlich sollte die ganze Innenstadt im Alleenring autofrei sein«, spinnt Eileen O’Sullivan es weiter. »Und die Berger«, wirft Lara Goertz ein. »Dann hätte der Handel mehr Platz, und die Menschen«. Und es wären weniger Autoposer unterwegs (sorry, das war jetzt der Einschub des Journalisten). Schnell merkt man, dass sie von ihrer Stadt, ihren Stadtteilen reden, die sie verändern, sich vielleicht ein Stück weit zurückholen wollen. Kunststück: Wie reden mit Menschen Mitte 20, die vielleicht noch ein paar Jahrzehnte in dieser Stadt leben wollen. Grund genug, mitreden, mitmischen zu wollen. Vielleicht sogar mitgestalten? »Wenn man uns lässt …«, sagt Eileen O’Sullivan. Es bleibt offen. Aufmischen wollen sie aber auf jeden Fall. Aufgeschreckt haben sie zumindest schon mal da oder dort.

 

…. mit Plan …. 

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Wenn man eines schon sagen kann, was Volt und seine neuen Stadtverordneten zu sein scheinen, dann dieses: anders. Auch im Herangehen. Die drei werfen nicht mit fertigen Konzepten um sich. Ein »Plan« entsteht eher aus vielen punktuellen Verbesserungen. Auch bei den – natürlich grünen – Orten der Begegnung(en) bleiben sie nicht bei den Straßen und Plätzen. War Eileen O’Sullivan eben noch beim neu gestalteten Mainkai, blickt Martin Huber beim weiteren Gang durch die Innenstadt auf einige Flachdächer, etwa das des Schauspiels. »Viel Platz für Grün da oben«, sagt er. Seine Lieblingsidee, wie er später zugibt. Und nicht nur grün, auch kleine Spiel- und Sportplätze könnten dort entstehen. Womit auch klar ist, dass es keine privaten Plätze bleiben. Es gehe darum, so Lara Goertz, Platz neu zu definieren. Und sie holt die Diskussion wieder auf den Boden: Auch hier unten. Autos raus, das reiche nicht als Konzept. Apropos Konzepte. Die – so die von Volt, die nicht zufällig Europa-Partei sind – könne man sich in ganz Europa zu Hauf holen. Schon im Wahlkampf haben sie damit gepunktet. »ÖPNV fahren wie in Zürich«, »Bezahlbar wohnen wie in Wien« oder »Nachhaltig bauen wie in Barcelona« stand auf ihren Plakaten zu lesen. Diese »Best Practice-Methode« würde man gerne in die Stadt einbringen. Dorthin reisen, sich das anschauen, Idee mitbringen, hier mit Bürger*innen besprechen, umsetzen. Was gleich selbst nach einem neuen Konzept klingt: Städtepartnerschaft 2.0.  Überhaupt: Europa spielt bei Volt natürlich eine große Rolle. Wobei O’Sullivan gleich mal betont, dass man keine EU- oder gar EU-Bürokratie-freundliche Partei sei, sondern auch auf der Ebene eher Reformen anstoßen wolle. Aber eben als Europäer*innen. Europäisch ist auch die neue Fraktion. Eileen O’Sullivan, irischer Vater, türkische Mutter, in Deutschland aufgewachsen. Lara Goertz, deutsch-polnische Vorfahren. Klassische Parlamente stellen sie damit locker auf den Kopf. Auch damit, dass Martin Huber – tatsächlich ohne außerdeutsche Wurzeln – der einzige Mann der vierköpfigen Fraktion ist (und dann auch noch anfügt, dass er eigentlich auf einer (Fast-) Mädchenschule groß wurde). Doch mit ihnen kommt überhaupt eine ganz andere Generation in der Römer. Alle drei sind Mitte 20 (nur die vierte im Bunde hat die 30 schon hinter sich). Alle drei studieren, zwei mal Politikwissenschaften, einmal Wirtschaftsinformatik. Und um Kopfbildern gleich vorzubeugen: Lara Goertz, nicht Martin Huber, ist diejenige für die Wirtschafts- und die Technikthemen. Außerdem ist sie im Hauptberuf noch Bankkauffrau. Bei einer Sparkasse, sei zu ihrer Ehrrettung gesagt. Bevor wieder jemand mit neoliberal angelaufen kommt.

 

… gemeinsam.

Journalismus neigt dazu, für Menschen in der Kürze der Zeilen Schubladen zu generieren. Ein schwieriges Unterfangen bei Menschen, die (noch) nicht in solche reinpassen, aber – siehe oben – von anderen gerne schon in solche gesteckt werden, um mit ihnen umgehen zu können. »Schubladen«, so Mirrianne Mahn, eine unserer grünen Gesprächspartnerinnen dieser Tage, »dienen gerne zur Ausgrenzung«. Erneut: siehe oben. Die Neuen auszugrenzen dürfte allerdings nicht leicht werden. Sie zumindest haben sich zur Umsetzung ihrer Politik das Gegenteil auf die Fahnen geschrieben. Nicht nur auf den Begegnungsflächen in der Stadt. Auch sonst wollen sie gerne mit vielen reden, vor allem aber gerne viele mitreden lassen und mitnehmen bei der Veränderung der Stadt. Schon im Wahlkampf fielen sie mit Mitmachaktionen auf. Auch in ihrer Partei gibt es neben Mitgliedern auch Volunteers, die ihre Arbeit »nur« aktiv unterstützen. Vor allem aber wollen sie mehr Plattformen für Bürger*innenbeteiligung. Oder genauer, wie die Digitalexpertin Lara Goertz meint, bessere. Denn auch hier wollen sie gerne den Ansatz übernehmen, die Plattform »Frankfurt fragt Dich« zu übernehmen und mit europäischen Ideen dieser Art auszubauen. Warum? Einfache Antwort von Martin Huber: Man hätte dort selbst kürzlich etwas eingebracht, von dem man bis heute nicht wisse, was es gebracht habe. Erst hörte man lange nichts. Dann etwas nach dem Motto: Danke für den Vorschlag. Wir nehmen ihn ernst – und reichen ihn weiter. Da geht es wohl schneller, wenn man sich selbst im Römer drum kümmert. Und das wollen zumindest einige wie Martin Huber nicht nur als »Nebenjob« verstehen. Zumal – für Studierende – die gut tausend Euro Aufwandsentschädigung im Monat ja auch fast schon den eigenen Nebenjob ersetzt (spätestens bei dem Satz war das »neoliberal« übrigens endgültig vom Tisch). Ach ja, eine Frage haben wir den dreien von Volt dann doch noch gestellt: Wo sie sich denn eigentlich selbst verorten? »Progressiv«, war die ziemlich schnelle Antwort von Eileen O’Sullivan. Unser Eindruck nach eineinhalb Stunden? Auf jeden Fall pragmatisch-progressiv … Und wahrscheinlich in fünf Jahren weiter als die Kollegen von der Partei mit dem Neoliberalismus … (vss.).