©
Stadt, wie sie sich Menschen gebastelt haben. Beispiel aus einem Workshop 2020 am Frankfurter Mainkai
Quelle: Moritz Bernoully©

Impulse | VOLT und Stadt

Leben … wie in Frankfurt

Gastkommentar von Martin Huber

»ÖPNV fahren wie in Zürich«. »Bezahlbar wohnen wie in Wien«. »Nachhaltig bauen wie in Barcelona«. Schon mit den Wahlplakaten hat Volt für Aufmerksamkeit gesorgt. Mit ihrem Ergebnis bei der Kommunalwahl in Frankfurt erst recht. Und wie stellt die sich nun künftig Frankfurt vor? Martin Huber, einer von vier neuen Stadtverordneten, schreibt von Orten der Begegnung, von mehr Grün, weniger Autos, einfacherer Mobilität. Vor allem aber von der Inspiration durch andere Städte und vom Mitnehmen der Menschen vor Ort. Ersehntes Ziel: dass andere in Europa »… wie in Frankfurt« auf ihre Wahlplakate schreiben. Wofür dann auch immer.

»Mal dir deine Stadt« – so hieß eines unserer Wahlkampfevents direkt vor dem Frankfurter Römer. Die Idee: alte Kartons mit Visionen und Wünschen für die Stadt bemalen zu lassen. Auf einer Zeichnung wurden Wolkenkratzer mit grünen Pflanzen und Bäumen kontrastiert. Daneben Schriftzüge wie »Waldstadion statt Sponsoreneinnahmen«, »weniger Plastikmüll« oder »europäische Solidarität«. Einer zerfahrenen politischen Kultur im Römer wollten wir frische Impulse entgegensetzen. Denn was uns seit Jahren fehlt, sind mutige Visionen und langfristiges Denken – getragen und entworfen von Bürger*innen selbst. Grund, sich die Zukunft der Stadt einmal zu träumen.

Neue Ideen, ein anderes Miteinander und politische Teilhabe – dafür wollen wir stehen. Auch mit unseren eigenen Träumen, die gar nicht so unreal sind, weil andere sie schon gedacht oder gar verwirklicht haben. So gibt es drei Hochhäuser in Europa, die illustrieren, was »nachhaltig bauen« meint: der Bosco Verticale in Mailand, der Grosspeter Tower in Basel und der Mjøstårnet in Brumunddal (Norwegen). Gebäude bräuchten im besten Fall alles, was diese drei bereits haben: eine umfassende Begrünung, Photovoltaik zur Energieproduktion und Holz als nachhaltigen Baustoff. Und davon bitte viel, damit es günstig wird auch für viele Menschen in dieser Stadt. Außerhalb der Wohnung wollen wir mehr Orte der Begegnung – zum Feiern, Essen, für Kunst, zum Nachdenken oder Lernen. Auch hier der Blick woandershin: Barcelona hat mit seinen »Superblocks« neun Zehntel der öffentlichen Fläche in den Wohnvierteln frei für die Menschen gemacht. Madrid zeigte zudem, dass autofreie Zonen sich positiv auf die Umsätze von Restaurants und Lebensmittelgeschäften auswirken können. Kopenhagen glänzt seit Jahrzehnten durch eine grandiose und oft kostengünstige Stadtplanung. Und mit der Erkenntnis: Wer sichere Radwege säht, wird viel Radverkehr ernten. In Zürich wiederum ist keine ÖPNV-Station weiter entfernt als 300 Meter. Die (Auto-) Parkflächen dort wurden auf dem Niveau von 1990 eingefroren, auch deshalb nutzen lediglich 25 Prozent der Zürcher*innen ein Auto. Viele neue Frei- und Lebensräume können wir zudem auf kahlen, ungenutzten Flachdächern erschließen. Für Gärten, kleine Sportplätze oder Urban-Farming-Felder. Vorbilder: überall in Europa.

Das alles ist nicht neu. Andere haben es vorgemacht. Oder, wie in Barcelona und Reykjavik, haben Bürger*innen es selbst auf digitalen, partizipativen Plattformen (mit-) gestaltet. Beide Potentiale wollen wir heben. Denn was hat Frankfurt? Zur Realität gehören hier viele parkende Autos, ein ineffizientes Verkehrssystem, schlechte Luft, Platzmangel und ein ansteigendes Stadtklima. Etwa 70 Prozent der weltweiten CO2-Emmissionen sind auf große Städte wie Frankfurt zurückzuführen. Die Stadt muss sich deshalb dringend zu einem Inkubator für nachhaltige Stadtplanung und nachhaltigen Innovationsgeist entwickeln. Wir brauchen eine Veränderung des Stadtbildes, eine Umverteilung und Umfunktionierung des öffentlichen Raumes, eine, welche die digitale, demokratische und soziale Infrastruktur schafft. Neu erfinden müssen wir Stadt dabei nicht. Wir wollen vielmehr Synergien durch europäischen Städteaustausch und durch die Beteiligung der Menschen nutzen – in der Hoffnung, Frankfurt einmal selbst zu einem Best Practice zu machen. Mit Volt werden wir dabei weiter an der Zukunft der Stadt malen, nun aber nicht mehr vor, sondern im Römer …​