Fünf Frankfurterinnen

Ayan aus Somalia

»Ich stamme aus Somalia und habe zehn Geschwister, vier Brüder und sechs Schwestern. Mein Vater ist Landwirt. Von klein auf habe ich meine kleineren Geschwister betreut. Mit sechs Jahren kam ich zu meiner Großmutter und wurde von ihr beschnitten. Zwei andere Frauen haben mich dabei festgehalten. Die Grausamkeit und die Schmerzen, die ich damals gespürt habe, werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Ich möchte nicht, dass meine jüngeren Geschwister oder andere Kinder so etwas je erleben müssen.

Mit 16 Jahren, das war 2015, bin ich geflohen, da ich mit einem 40-jährigen Mann verheiratet werden sollte. Manche Mädchen bringen sich in einer solchen Situation um. Auch ich hatte Suizidgedanken. Diese Heirat war für mich unvorstellbar, und ich wünsche mir, dass das kein Kind mehr erleben muss. Heute habe ich zu meiner Familie nur wenig Kontakt. Meine Flucht führte über Äthiopien, Sudan, Libyen und Italien nach Deutschland. Auf dem Meer ist unser Schlauchboot gekentert. Ich kann nicht schwimmen und habe es gerade so geschafft zu überleben. Das war entsetzlich, ich dachte, ich schaffe es nicht. Dabei habe ich alles verloren, auch das einzige Foto aus meiner Kindheit. Auf der Flucht war ich mehrmals in Lebensgefahr, zweimal wurde auf mich  geschossen. Gott sei Dank hat mir eine Frau geholfen. Sie hat mich mitgenommen und damit gerettet. Ohne sie wäre ich heute nicht mehr am Leben.

Zuerst wohnte ich in einem Jugendheim in Frankfurt, dann kam ich nach Wiesbaden; mit 18 Jahren zog ich in eine betreute Wohneinrichtung für junge Erwachsene. Heute lebe ich in einer Wohngemeinschaft in Frankfurt. Ich spiele Theater, habe Deutsch gelernt, gehe in die Schule und möchte alle Abschlüsse machen, die für meine Ausbildung als Altenpflegerin notwendig sind. Am liebsten würde ich danach Medizin studieren. Ich mag die Natur, Wasser und die Farbe Pink. Joggen macht mir Spaß; während ich aufräume, putze und koche, höre ich gerne Entspannungsmusik. Das Wichtigste für mich sind Sicherheit, Freiheit und Gesundheit. Den ehrenamtlichen Helfer*innen, die mich unterstützt haben, die immer für mich da sind, danke ich von Herzen, das werde ich ihnen nie vergessen. Sie sind hier in Deutschland meine neue Familie geworden.«