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Quelle: Ernst Nay (Peter Hinschläger), Walid Raad, Ferhat Bouda, Anna Meuer©

Region | Ausstellungen

Kultur mitten im Leben

Vier sehr politische Ausstellungen

Kultur ist immer auch politisch, Kultur muss immer auch politisch sein. Dies zeigt sich dieser Tage nicht nur an Benefiz-Konzerten und -Auktionen. Von denen kein einziges, keine einzige (wie zuweilen zu hören war) überflüssig ist. Es zeigt sich nicht nur an Festivals wie GoEast, dem Festival des mittel- und osteuropäischen Films, das in diesen Tagen das Forum schlechthin sein wird. Es zeigt sich auch an Ausstellungen wie jenen, die derzeit in der Kunsthalle Mainz, in der Schirn, dem Fotografieforum und der Villa Gründergeist in Frankfurt zu sehen sind. Ausstellungen, die vor Putins Krieg geplant wurden. Da sind Walid Raads faszinierende Mainzer Neuinszenierungen von Geschichte, etwa von jenen Wasserfällen im Libanon, die nach jenen Machthabern benannt sind, welche die verschiedenen Seiten im »Bürgerkrieg« unterstützten. Man könnte es belächeln, wenn nicht gerade Putin mit Geschichts-Inszenierungen seinen Krieg begründen würde und Raads Ausstellung beklemmende Aktualität gibt. Der Unterschied: Raad inszeniert mit subtiler Ironie, etwa mit einem unterirdischen Museum des Libanon, das durch geheime Gänge mit der »Biennale für eine abwechslungsreiche Perspektive« verbunden ist. Bittere Ironie: In Beirut besteht derzeit eine Baugrube, geschaffen wie für dieses Museum – nur leider von einem anderen Museum, für das das Geld ausging. Ebenso – wenn auch immer etwas anders – politisch sind die drei Ausstellungen in Frankfurt. Die Schirn arbeitet Künstler*innen-Schicksale aus dem Nationalsozialismus auf. Nicht minder beklemmend vor dem Hintergrund der Unterdrückung von Opposition im heutigen Russland. Dass es auch noch eine Welt abseits von Putins Krieg gibt, ist im Fotografieforum und noch für wenige Tage in der Villa Gründergeist zu sehen. Bei Ferhat Bouda, einem ursprünglich aus der nomadischen Kultur Nordafrikas stammenden Frankfurter Fotografen, geht es um die Schicksale von Menschen in derzeit scheinbar ferneren Teilen dieser Welt. Anna Meuer hat hingegen direkt vor der Frankfurter Haustür Künstler*innen gefilmt, fotografiert und befragt zu ihren Erfahrungen aus der Pandemie-Zeit. Vier Ausstellungen pars pro toto für die Bedeutung von Kultur in unserer Zeit, in unserer Gesellschaft. Vier Ausstellungen, die gerade jetzt um so mehr deutlich machen, wie wichtig Kultur ist. Als Ort, als Medium des Nachdenkens, des Bewusstmachens, des Erinnerns, des Einordnens – oder eben des Helfens bei all dessen. Und: Wie sehr Kultur mitten im Leben steht. Vier – jede auf ihre Art – höchst politische Ausstellungen. Ach ja, und vier exzellente Ausstellungen obendrein. Vier Ausstellungen, bei denen man erleben kann, warum öffentliche Gelder in Kultur fließen. Fließen müssen … (vss.).