Mit dem Auto durch Barcelona zu fahren, ist eine feine Sache. Die Stadt ist – wie New York – als Schachbrett angelegt. Wenn frau ungefähr weiß, wo sie hin will, erreicht sie mit Immer-Geradeaus und der einen oder anderen 90-Grad-Kurve problemlos jedes Ziel. Zumindest, wenn sie überhaupt mit dem Auto unterwegs sein will. Und: So lange sie nicht in einen »Superilla« fährt. Diese »Superblocks« bestehen aus drei mal drei, also neun, im Quadrat liegenden Häuserblocks. Und ergo vier Durchgangsstraßen, zwei geradeaus und zwei quer dazu. Der Begriff »Durchgangsstraße« bekommt allerdings in einem Superilla eine ganz neue, wenn auch keineswegs abwegige Bedeutung. Nachdem sich schon bei der Einfahrt in das Viertel die Fahrbahn gleich mal um zwei Drittel verengt hatte, geht es am Ende des ersten Blocks strikt rechts ab und nach noch einmal der gleichen Strecke im 90-Grad-Winkel wieder aus dem Viertel hinaus. Und das ist im ganzen Viertel so. Als Durchfahrtsstraße also schlicht ungeeignet. Doch das ist auch schlicht der Sinn dahinter. Fände ich als Durchfahrerin wohl nervig. Als Anwohnerin würde ich anders darüber denken …
Seit 2015 hat Barcelona eine neue, alternative Bürgermeisterin. Ada Colau war mit dem Ziel angetreten, die Stadt ihren Bürgern zurückzugeben. Und der Spekulation, der Industrie und den Autos zu entreißen. Teil dessen war der Plan mit den Superilles, der im Inneren eines solchen Superblocks rund um den zentralen Block und die vier angrenzenden Plätze neuen Freiraum schuf. Betonierter Freiraum anfangs, der oft noch neu gestaltet werden muss(te). Aber immerhin. Die Superilles sind dabei Teil eines ziemlich ehrgeizigen Planes. Bis 2030 will Barcelona den Straßenverkehr um 21 Prozent (gegenüber 2005) reduzieren und den Anteil des Fußgänger, Radfahrer und des Nahverkehrs erhöhen. Ebenfalls bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent reduziert und städtische Grünflächen um einen Quadratmeter pro Einwohner erweitert werden. Dabei sollen 165 Hektar neue Grünflächen entstehen. Zug um Zug soll die Öffentlichkeit dabei in die Gestaltung und Verwaltung der Flächen einbezogen werden. Dies war bisher teils noch ein Problem bei den ersten Superilles und sorgte auch da und dort für Ablehnung bei Anliegern. So war der erste im nicht so dicht besiedelten Stadtteil Poblenou nicht gerade unumstritten. Doch die Proteste sind weniger geworden.
Flankiert wird das Ganze durch ein neues Verkehrskonzept. Das städtische Radwegenetz soll auf über 300 Kilometer fast verdreifacht werden. Zu Gunsten von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen werden neue verkehrsberuhigte Zonen in den Superilles geschaffen. Das Modell verteilt den Raum innerhalb dieser Blöcke zwischen motorisierten Fahrzeugen und Menschen um und gewährt den letzteren Vorrang. In naher Zukunft soll diese Maßnahme auf andere Stadtviertel ausgeweitet werden. Kurz vor dem Abschluss steht auch die Einführung des neuen Busliniennetzes mit über 28 Buslinien. Die Busse werden alle fünf bis acht Minuten fahren, so entsteht ein leistungsfähiges Liniennetz mit kürzeren Warte- und Fahrtzeiten. Nächstes Ziel im öffentlichen Nahverkehr ist die Verknüpfung der beiden derzeit getrennten Straßenbahnnetze der Stadt mittels einer 3,9 Kilometer langen Verbindungsstrecke. Damit ließe sich laut Planung die gegenwärtige Nutzung verdoppeln. Alles in allem ist dies ein regelrechter Masterplan, mit dem die Einwohner Barcelonas ermutigt werden sollen, Wege möglichst nachhaltig zu bewältigen: zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Private Pkw-Fahrten sollen reduziert werden und damit die Wohn- und Lebensbedingungen im Stadtgebiet verbessert werden. Vor allem der Fahrradanteil lässt mit rund zwei Prozent schon zu wünschen übrig. Immerhin sieht es beim Autoverkehr mit 26 Prozent schon jetzt gar nicht mal so schlecht aus. Offenbar sind die einheimischen Autofahrer weniger begeistert von ihrem Schachbrett als so manche Touristin … (hak. / dam.).