Ausnahmsweise eine Kunstinstallation und nichts, was Direktorin oder andere auch noch aufräumen müssen
Quelle: Veronika Scherer©

Reihe • Kultur lebt Denkmal [2]

Viel Alltag im Ambiente

Beate Kemfert und Rüsselsheims Opelvillen

»Die Opelvillen« – Für ein Museum klingt der Titel fast mondän, nach viel gediegenem Ambiente, einem üppigen Staff und einem ebensolchen Etat. Doch im Rüsselsheimer Ausstellungshaus am Main steckt vielmehr viel Arbeit, mit den historischen Gebäuden, mit Ausstellungen und Vermittlung, mit Akquise von Geld und Mitteln. Direktorin Beate Kemfert über ihr trotzdem nur kleines Team und dessen Alltag zwischen Vernissagen und Finanzplänen, rührig-aufwändiger Vermittlungsarbeit und defekten Pumpenschächten. Und über das hartnäckige Gerücht vom Autokonzern im Rücken … 

»Nein, wir sind kein Museum der Opel Automobile GmbH«. Auch wenn über zwanzig Jahre seit dem Start unseres Wirkens vergangen sind, bleibt dieser Satz ein fester Bestandteil unseres Alltags. Bei meinen Leihgesuchen und Förder-Akquisen, bei vielen neuen Gästen und selbst bei manchem Menschen aus Rüsselsheim erläutere ich immer zunächst, dass wir weder zum Autokonzern gehören noch von diesem finanziell unterstützt werden, sondern dass unser Name auf den einstigen Firmenmitinhaber Friedrich (»Fritz«) Opel, einem Sohn des Firmengründers Adam Opel, zurückgeht. Unser Namenspatron ließ von 1931 bis 1933 die größere Villa, das sogenannte Herrenhaus, erbauen. Den Komplex mit Wintergarten und der kleinen Villa Wenske bewohnten er und seine Frau bis zu seinem Tode 1938. Nach dem Krieg war es erst Lazarett, später Krankenhaus. Zeitzeugen konnten mir noch anschaulich erzählen, in welchem Zimmer ihnen im Kindesalter die Mandeln in den Opelvillen entfernt wurden. Und wahrscheinlich könnten manche noch von Scheidungen und Nachbarschaftsstreits erzählen, nachdem hier später das Amtsgericht und einige Ämter angesiedelt wurden.

Die Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim wurde 2001 von der Stadt ins Leben gerufen. Bereits wenige Jahre später wurde damit begonnen, die denkmalgeschützte Villenanlage am Main für Ausstellungen zu nutzen. »Geerbt« haben wir damals vor allem den Namen, das zugegeben schöne Ambiente – und jede Menge Arbeit, mit einem begrenzten Etat jährlicher Zustiftungen der Stadt Rüsselsheim. Die Ziele der Stiftung sind nämlich vor allem Sanierung und Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudeensembles und dessen kulturelle Nutzung. Beides ist komplex, doch wer dafür hinter den Kulissen ein riesiges Team vermutet, irrt sich. Bei den Vorbereitungen der Ausstellungen hilft mir eine wissenschaftliche Mitarbeiterin und wirbeln einige studentische Hilfskräfte. Das Bauwerk – vom Keller bis zum Dach – und die grüne Außenanlage werden von einem Haustechniker und einem Minijobber im Rentenalter betreut. Sämtliche »bauliche Koordination« läuft, neben Finanz-, Personal- und Ausstellungsplanung, über meinen Schreibtisch – von der Restaurierung historischer Treppenhäuser bis zur Reparatur alter Pumpenschächte. Daneben gibt es auch noch das gastronomische Pachtverhältnis, um das sich mein ehrenamtlich tätiger Vorstandskollege federführend kümmert, einige stets hilfsbereite Seniorinnen und Senioren im Besucherservice und unsere kunsthistorischen Jungtalente, die Kassenabschlüsse ebenso beherrschen müssen wie Social Media Posts.

Unsere Leuchtkraft haben wir uns vor allem durch viele internationale und zuweilen auch regionale Ausstellungskooperationen erarbeitet. Seit 2004 bin ich als Kuratorin tätig, und seit 2005 führe ich als Vorstand die Geschäfte der Stiftung, bin also sowohl für die Inhalte der Ausstellungen als auch für deren Finanzen verantwortlich. Letzteres bindet ebenfalls viel Zeit. Da die jährlichen Zustiftungen der Stadt nicht den Stiftungsbedarf für Haus und Ausstellungen decken, benötigen wir stets weitere Unterstützer. Zuletzt haben wir quasi aus der »Not« eine Tugend gemacht – und das Haus buchstäblich »mit eingespannt«. In dem von mir ins Leben gerufenen Projekt »Interior« haben wir gemeinsam mit fünf anderen ähnlichen Museen in der Region unsere Häuser selbst zum Thema gemacht – und dafür großzügige Unterstützung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain erhalten. Dabei fließt zwar nicht direkt Geld zu uns, aber wir profitieren von der Aufmerksamkeit. Gesellschaftliche Einbindung ist mir besonders wichtig, zumal gerade in Rüsselsheim so viele Menschen eigene Geschichten mit den Opelvillen verbinden. Weil uns unser Bildungsauftrag sehr am Herzen liegt, werde ich nicht müde, Förderanträge für soziale Projekte zu stellen. Unsere Vermittlungsprogramme werden stets neu entwickelt und richten sich an alle Menschen – egal welchen Alters und welcher Herkunft. Wir wenden uns gezielt bedürftigen Menschen zu und fördern Kinder im Kindergartenalter genauso wie Menschen mit Demenz. Unterstützt vom Bund finden in den Ferien »Peer-Projekte« statt, an denen Rüsselsheimer Schülerinnen und Schüler aus eigenem Antrieb teilnehmen. Die Pandemie hat uns nachdrücklich gezeigt, welch wichtigen Stellenwert Orte wie die Opelvillen als außerschulische Lernorte erreicht haben. Trotz Lockdown öffneten wir mit erwirkter Zustimmung von Stadt und Land für Kinder und Jugendliche die Opelvillen. Das waren bewegende Momente.