Setareh Alipour: Zwischenstopp auf der Suche nach Räumen
Quelle: Vlada Shcholkina©

Seterah Alipour

Die Inprovisationskünstlerin

Die Orte der Kultur überall gestalten

Vielleicht war jene Ausstellung vor ein paar Jahren einfach so auf dem Grün des Offenbacher Büsingparks jene, die am meisten über Setareh Alipour verrät. Es ging um Alltagsrassismus, um die Erfahrungen junger Menschen, zusammengetragen vom Fotografen Zino Peterek, kuratiert für nur diesen einen Tag von Alipour mit Fotos und Texten, die an den Bäumen hingen und die Geschichten dieser Menschen mit deren eigenen Worten erzählten.

Orte der Kunst und der Kultur könnten überall sein, sagt Alipour. Orte des Lebens wohl auch. Setareh Alipour ist Kunstschaffende und Ausstellungsmacherin. Die 30-Jährige beendet derzeit noch an der »HfG« in Offenbach ihr Studium Experimentelle Raumkonzepte sowie Film und Konzeptionelles Zeichnen. Neue Medien und Stadtkonzepte sind ihre Schwerpunkte. Ein klassisches Atelier, in dem sie Ideen umsetzt, hat sie nicht. Sie nutzt immer mal wieder freie Räume an der Hochschule. Gleiches gilt für das Wohnen, wenn sie hier in der Region ist. Ein Bett bei Freunden oder das Zimmer bei der Mutter in Sachsenhausen sind immer mal wieder ihr Zuhause. Ideen für ihre künstlerische und kuratorische Arbeit entwickelt sie offenbar überall. Und sei es bei einer Residenz in Paris oder bei Verwandten in Schweden. Dass alles für die Studentin in der teuren Rhein-Main-Region auch mit Geld zu tun hat, verhehlt sie in ihrer direkten Art nicht. Allerdings braucht sie seit einiger Zeit in Rhein-Main auch kein festes Domizil mehr. Vielmehr wohnt sie mit ihrem Lebensgefährten im beschaulichen Potsdam; zumindest für eine gute Zeit im Jahr.

Der Wechsel und wechselnde Orte wiederum begleiten bisher praktisch fast das gesamte Schaffen von Setareh Alipour. Seit 2013 – lange bevor sie 2019 mit ihrem Kunststudium begann – kuratiert Alipour Ausstellungen. Oft Einzelausstellungen, ganz gleich ob mit einzelnen Kunstschaffenden oder einem Künstlerkollektiv, und immer an Orten, die ihr temporär in Frankfurt und Offenbach zur Verfügung standen: »Off Spaces«, also Orte außerhalb klassischer Ausstellungsräume wie Museen und Galerien. Es sei der Wechsel zwischen eigener Kunst und dem Sichtbarmachen Anderer, den sie spannend finde. Wobei es immer eine Zeit gebe, in der sie Ausstellungen organisiere, und eine, in der sie sich dem Studium widme. Der Frankfurter Kreative Hannibal Tarkan Daldaban hatte ihr einst den Zugang zum Kuratieren ermöglicht, sie mitgenommen in die Welt der Off Spaces, als sie 2013 als Praktikantin zu seinem Projekt »Punkt« dazukam. Damals wurde ein Raum an der Berliner Straße mit Kunst bespielt. Später kam der »Oststern«, eine ehemalige Mercedes-Benz-Niederlassung an der Hanauer Landstraße, die bis zu ihrem Abriss temporär als ein Ort für Kultur und Ausstellungen genutzt wurde. Drei Schauen dort hat sie kuratiert und Erfahrungen im Projektmanagement gesammelt. Etwas später folgte in einem ehemaligen Geschäft für Trauringe an der Frankfurter Katharinenkirche das Projekt »Umweg by Punkt«. Mittlerweile hatte sie sich zusehends dem improvisierten Organisieren in der freien Szene gewidmet, dort wo Organisieren oft aus dem Stegreif heraus geschieht.

Für Alipour eröffnen Orte die Möglichkeit, Menschen einzuladen, Räume aktiv mitzugestalten. Doch es müssen nicht immer leerstehende Räume sein. »Geschäfte sollten nicht nur Produkte ausstellen, sondern auch Ideen«, sagt sie. Die Vorstellung von Kunst sei zu sehr geprägt von Institutionen. Sich von diesen tradierten Vorstellungen zu lösen, versteht sie auch als Chance für eine Gesellschaft, Stadtentwicklung neu zu denken. In Offenbach hatte sie in den letzten Jahren prominent sichtbare Projekte wie »Und Offenbach« oder »Diamant Offenbach« mitgestaltet. Zuletzt wandte sie sich aber auch wieder stärker Identitätsprojekten zu. »Nachbarn« hieß eines, in dem es um die Geschichten von Menschen in Offenbach ging. »Vogue Offenbach« war wahrscheinlich das Spektakulärste: Menschen aus Offenbach inszenieren wie Prominente. Manche Rezipient*innen meinten damals bei diesem Projekt: Keine Stadt eigne sich dafür wohl besser als Offenbach. Diese Projekte machte sie mit Partner*innen zusammen. Langsam denkt Alipour allerdings darüber nach, hier ihre Zelte abzubrechen. Bei einem Stadt- und Kulturprojekt in Potsdam hat sie eine Stelle im Projektmanagement übernommen. Der Vorteil: nur zehn Minuten von der Wohnung entfernt. Zumal es im Rhein-Main-Gebiet nicht so viele Angebote gab, wenn sie in Kürze ihr Studium beendet. Aber wie gesagt: Orte der Kunst und Kultur können überall sein … (alf.).