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Von den Koffern, die noch da sind
Quelle: Lutz Jahnke / afip©

Advents-Akzente | Offenbach

Sehr soziale Plastiken

Diverse afip-Abschlussarbeiten

Zugegeben: Es war nicht immer jedermanns oder jederfraus Geschmack, was sich in und um das alte Supermarkt-Ladenlokal am Offenbacher Goetheplatz so abspielte. Meist waren Kunst und Kultur, welche die »Akademie für interdisziplinäre Prozesse« – kurz: afip – anbot, schlicht schräg. Angefangen vom chaotischen Gesamtkunstwerk, in welches Gründer Lutz Jahnke die ehemalige 70er-Jahre-Schleckerfiliale mit dem Charme einer 70er-Jahre-Schleckerfiliale verwandelte (ohne das sie dabei irgendwas vom Charme einer 70er-Jahre-Schleckerfiliale einbüßte), bis hin zum schrillen »Sudden Orchestra«, bei dem sich viele fragten, ob das jetzt eigentlich richtig gut oder nur grottig schlecht war. Und wo neben viel Trash auch höchst-intellektuelle Diskurse und sogar zuweilen Jazzer oder Wortakrobaten erster Güte zu Gast waren.

Und doch: Selbst viele, deren Geschmack es nicht war, weinen ihm dezent eine Träne nach, nachdem die Nachricht von der Schließung in Offenbacher Kulturkreisen eingeschlagen hatte wie eine Bombe. Schluss, aus, vorbei, könnte man kurz sagen. Doch nicht ganz: Jahnke und einige in den letzten Jahren neue Mitstreiter*innen dieses merkwürdigen Biotops mobilisieren seither die Presse und veranstalten nun ihr – vorerst – letztes Event. Und auch hier ist es, wie bei der afip: Es ist so schräg wie der Name. In der ganzen Stadt kann man im »Offenbacher Skulpturenpark – soziale Plastik« sechs Wochen lang buchstäblich an jeder dritten Ecke über diverse Abschlussarbeiten von Jahnke, Mitstreiter*innen und regionalen Künstler*innen stolpern. Das reicht von kunstvollen Masken am alten Hauptbahnhof bis zum sperrmüllverdächtigen Ventilator in der Innenstadt. Und an der Stadtgrenze stehen flüchtige Koffer, stellvertretend für Momente von Flucht und Migration – und schon am ersten Tag selbst flüchtig, weil ein offenbar bedürftiger Offenbacher einfach einen mitnahm. Irgendwie alles afip, wie man sie seit Jahren kennt …

Apropos afip. Der Gründer und seine Mitstreiter*innen suchen nun neue Räume. Denn nein, geschlossen hatte sie keineswegs freiwillig und auch nicht corona-bedingt. Genau genommen fiel sie wohl eher einer verzögerten Gentrifizierung im Offenbacher Nordend zum Opfer. Denn glaubt man dem umtriebigen, aber nicht immer einfach zu handhabenden künftigen Ex-Betreiber, wurde ihm wegen des schnöden Mammons gekündigt. Ein Frankfurter Konzept-Künstler, Jochem Hendricks, von dem man bei Google erfährt, dass der Städel-Absolvent bereits mit Marina Abramowitsch zusammen gearbeitet hatte, will die schlecht beheizbare ehemalige 70er-Jahre-Schleckerfiliale als Atelier übernehmen. Hendricks ist in Offenbach übrigens nicht unbekannt, an sein mit Bier gefülltes Auto, eine geruchsintensive Installation auf dem Wilhelmsplatz, erinnern sich noch viele. Wobei manche schon meinen: So sehr viel Neues kündigt sich da ja offenbar noch nicht an im Offenbacher Nordend … (sfl./vss.).