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Die Frankfurter Gruneliusschule: Umbauen im Bestand, das Schule machen kann
Quelle: Karsten Ratzke / Public Domain©

Impulse | Frankfurt baut um

Graue Energie weiternutzen

Ein Gastkommentar von Sylvia Weber

Viel zu oft werden in Städten alte Gebäude durch mehr oder minder schicke Neubauten ersetzt. Nicht selten ist dies Unsinn – zuvorderst ökologisch, oftmals sozial und am Ende auch ökonomisch. Frankfurts Bau-Dezernentin Sylvia Weber plädiert für ein Umdenken und nimmt auch die eigene Verwaltung in die Pflicht. 

Bereits seit über einem Jahrhundert gehen im Frankfurter Stadtteil Oberrad Schülerinnen und Schüler in die Gruneliusschule. Mittlerweile aber ist der mehrfach erweiterte Komplex um das turmartige Schulgebäude von 1907 trotz Renovierungen in die Jahre gekommen – und damit auf meinem Schreibtisch als Bau- und Schuldezernentin gelandet. Längst sind Lehrräume nicht mehr zeitgemäß, ist die Sportversorgung bestenfalls noch eine Turnhalle und das Ganze energetisch eine Katastrophe. Deshalb sollte die Schule abgerissen und neu gebaut werden. Doch dann kam der Ortsbeirat mit dem Wunsch, den Turm zu erhalten. Er sei mit der markanten Erscheinung und seiner Geschichte wichtig für die Identifikation der Bürger*innen mit ihrem Ortsteil. Wissend, wie wichtig Identität für Bewohner*innen eines Stadtteils ist, haben wir uns mit Schulgemeinde und Eltern erneut zusammengesetzt und einen neuen Plan erdacht: Wir erhalten den Turm und einen Großteil der alten Schule, werden drinnen um- und drumherum an- und weiterbauen. Alle Beteiligten sind überzeugt, dass wir das zu eng gewordene Erbe der Stifterfamilie Grunelius in ein zeitgemäßes Schulgebäude transformieren können, welches Raum gibt für neue pädagogische Ansätze bei weitgehendem Erhalt des Bestandes. Zumal der Erhalt von viel sogenannter »grauer Energie« auch ökologisch Sinn macht. Untersuchungen haben ergeben, dass mehr als die Hälfte der Energie, die wir in die Herstellung von Gebäuden gesteckt haben, erhalten bleiben kann, wenn wir nicht abreißen. Nimmt man alles zusammen, ist es am Ende sogar ökonomischer, mit Bestand zu bauen.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig Bauen mit Bestand in vielerlei Hinsicht ist. Es verfolgt nämlich einen nachhaltigen Ansatz, der ökologische, ökonomische und sozio-kulturelle Aspekte zusammenführt. Besonders in der Stadt Ernst Mays und des Neuen Frankfurt. In wenigen Schlagworten: Bauen für die Öffentlichkeit ist damals wie heute Bauen für die Gemeinschaft – hier möchte ich, dass wir wieder stärker das Allgemeinwohl in den Vordergrund stellen. Zugleich passiert Bauen und Sanieren heute immer auch vor den Herausforderungen des Klimawandels. Nie waren ökologische Aspekte wichtiger. Last but not least sind unsere finanziellen Mittel begrenzt, nicht nur im Schulbau, sondern insgesamt bei der baulichen Infrastruktur der Stadt. Das erfordert auch neue Herangehensweisen. Von uns fordern wir etwa selbst als öffentlicher Bauherr, intensiv und nicht nur nach Kostengesichtspunkten zu prüfen, ob Bestand erhalten, um- und weitergebaut werden kann. Ohne diesen Nachweis soll künftig keine Abrissgenehmigung erteilt werden. Zudem berücksichtigen die gerade novellierten »Leitlinien für wirtschaftliches Bauen« in der Kostenrechnung die positiven Auswirkungen des Erhalts »grauer Energie«. Also dessen, was schon verbaut ist. Als Stadt folgen wir dem Bundesumweltministerium, die Tonne CO² mit 201 Euro in die Gesamtkosten einzusetzen. Bleibt die tragende Konstruktion erhalten, schlagen diese Kosten nicht zu Buche. Auch die Architekturbüros, die bei der IGS Süd oder beim Bildungscampus Gallus an unseren Wettbewerben teilgenommen haben, bewegten sich bereits erfolgreich in diesen Vorgaben. Doch »Bestand« betrifft nicht nur alte Bauten. Wir stellen uns derzeit auch verstärkt der Herausforderung, »jüngere« Bestände in eine neue Nutzung zu bringen. Aktuell könnten etwa zwei große Bürogebäude in Zukunft jeweils mehrere Bildungseinrichtungen beheimaten. In Frankfurt haben wir Gebäude der 80er/90er Jahre, die gerade erst unter Denkmalschutz gestellt wurden. Sie sind exemplarisch für ihre Zeit, aber vielfach nicht so beliebt. Auch hier sind wir als Stadt gefragt, sie zu erhalten und weiterzuentwickeln. Mein Ziel ist es, Schulen auch in großen, hohen Gebäuden dieser Zeit zu etablieren. Die Komplexe auf kleiner Fläche machen es möglich, verschiedene Funktionen in die Höhe zu stapeln. So wird der Flächenverbrauch minimiert – wichtig in einer Stadt, die nur begrenzt Grundstücke hat.​ Um es etwas pathetisch zu sagen: Unsere Kinder sind es wert, in Gebäude einzuziehen, die in den 80ern mächtigen Unternehmen vorbehalten waren. Genauso, wie ich früher als Integrationsdezernentin aus einem Bankgebäude ein Zentrum für interkulturelle Bildung und Begegnung gemacht habe, will ich jetzt ehemalige Unternehmenszentralen zu Schulen und Kitas umnutzen. Und solche Ideen lassen sich nicht nur im Schulbau umsetzen. Weitere Beispiele in der Stadt: die Umnutzung des Lyoner Viertels von Büros zu Wohnungen, die Nachverdichtung der Fritz-Kissel-Siedlung oder die Umnutzung des Juridicums am Campus Bockenheim, das auf meine Initiative hin von der Städtischen Wohnbaugesellschaft ABG interimsweise mit Wohnungen für Geflüchtete umgebaut wird …