Tanz mit seiner ganz eigenen Faszination
Quelle: Barbara Walzer©

Vorschau: Tanzfestival Rhein-Main

Tanz an (fast) allen Orten

Darmstadt, Frankfurt, Offenbach, Wiesbaden

Schon zum zehnten Mal eröffnet Ende Oktober das Tanzfestival Rhein-Main. In dieser Zeit hat es sich nicht nur in der Region einen Namen gemacht, sondern sich auch bereits zu einem der führenden Festivals in Deutschland entwickelt. Gestützt auf eine breite Infrastruktur in der Tanzplattform Rhein-Main mit den Flaggschiffen des Hessischen Staatsballetts und des Künstler*innenhauses Mousonturm. Die zehnte (Jubiläums-) Ausgabe steht unter dem Motto »Now or Never«. Gut zwei Wochen lang spüren Ensembles aus der Region und aus der ganzen Welt »Risiko« und »Grenzerfahrungen« im Leben nach und machen sich auf die Fährte von der inspirierenden Kraft von Gemeinsamkeiten und Lebenslust als Antworten auf diese Erfahrungen. Geradezu exemplarisch für Ersteres stehen die Arbeiten des französischen Choreografen Rachid Ouramdane. »Corps extrêmes« und »Contre-nature« sind fesselnde Mischungen aus Tanz, Akrobatik und Extremsport, die unter anderem in dichtem Nebel oder an einer Kletterwand spielen. »Möbius Morphosis« ist sogar selbst Teil im Rahmenprogramm Olympischer Spiele gewesen. Das Tanzfestival zeigt diese Inszenierung als Filmdokumentation. Von den Erfahrungen der Lebenslust und der Gemeinsamkeit erzählen »Rave Lucid« von Company Mazelfreten, eine Hommage an die Electro-Dance-Community im Paris der 2000er. »The Long Run« spielt das Thema mit der Geschichte eines jungen weißen Europäers in der schwarzen Jazz-Tap Community im New York der 1990er Jahre. Wie bereits seit einigen Jahren eingeübt, nimmt das Festival auch in diesem Jahr wieder die Region als Ganze und mit ihren Menschen mit. Spielorte sind einmal mehr in Darmstadt, wo das Festival auch eröffnet wird, in Frankfurt, in Offenbach und in Wiesbaden. (Fast) Beschlossen wird das Festival zudem auch in diesem Jahr wieder mit einem großen offenen Tanzfest: dem Tanztag am vorletzten Festivaltag in der ganzen Region, also auch weit über die vier Spielorte hinaus, der mit insgesamt rund 100 Workshops Tanz für die Besucher*innen direkt erlebbar machen soll (red.).


Abends in Sachsenhausen: Die Wendeltreppe in der Brückenstraße
Quelle: Barbara Walzer (bw.)©

Bücher & Menschen | Die Wendeltreppe

Eine Treppe und zwei Miss Marples

Mit 4.000 Titeln erste Adresse für Krimifans

Zu Orten der Kultur zählen ganz sicher auch Antiquariate und Buchhandlungen. Gerade wenn im September die ersten Herbsttage sich bemerkbar mache, kann man dort herrlich stöbern, sich inspirieren lassen und die ganze Welt der Literatur für den gemütlichen Sofa-Abend entdecken. Und: Die meisten von ihnen sind selten überlaufen. In der Reihe »Bücher & Menschen« stellen wir einige der besonderen Buchorte in Frankfurt vor. 

Der kleine Buchladen am Rande des Brückenviertels gehört heute zum festen Inventar des Sachsenhäuser Kultquartiers. Und: Er ist selbst längst Kult geworden. 4000 Titel, ausnahmslos Krimiliteratur, stehen gut sortiert in den Regalen. Auch ein kleines Buchantiquariat ist Teil des Angebots. Die Wendeltreppe – sie ist seit über drei Jahrzehnten das Reich der beiden Krimi-Expertinnen Jutta Wilkesmann und Hildegard Ganßmüller. Mittlerweile fast schon selbst zwei veritable Miss Marples, kennen sie fast alle Autor*innen und Inhalte, können beraten und laden immer mal wieder am ersten Donnerstag im Monat zu einer Lesung in das Geschäft ein. An diesen Abenden, bei denen sie auch von Freund*innen unterstützt werden, gehe es darum, in entspannter Atmosphäre über die Bücher und ihre Inhalte zu sprechen und einen lebendigen Austausch zu ermöglichen. Wie viele Krimis sie selbst schon gelesen haben, können sie nicht genau beziffern. Auf jedem Fall »sehr viele«. Deswegen sind Krimi-Fans auf der Suche nach spannenden Büchern hier auch an der richtigen Adresse … (weiter lesen).


Das Kino im Filmmuseum: Vor allem Ende November im Festivalfokus
Quelle: Filmmuseum / Uwe Dettmar©

Festivals | November/Dezember

Filme feiern, wie sie fallen

Wochen voller Filmfestivals in der Region

Wenn die Tage nun wieder grauer und ungemütlicher werden, ist es eine gute Zeit, im Kinosessel zu versinken und in andere Welten abzutauchen. Nicht von ungefähr ist der November der Kino- und Festivalmonat schlechthin. Auch dieses Jahr glänzt er wieder mit über einem halben Dutzend Filmfestivals in der gesamten Region. Kaum ein Tag, an dem es nicht irgendwo einen Film zu sehen gäbe. Kurz- wie Langfilme, Independent-Streifen im Dutzend billiger, deutsche und internationale Neuproduktionen – Wer da als Fan nicht auf seine Kosten kommt, schafft das wohl in kaum einem anderen Monat …

Gleich vier große Festivals prägen den November. Den Auftakt bilden das »jüngste« und das »älteste« Festival praktisch gleichzeitig. Am 6. November eröffnen in Mainz und in Mannheim das kultig-studentische und gar nicht mehr so kleine Mainzer Filmz– Festival des deutschen Kinos sowie das in der sage und schreibe 74. Ausgabe längst noch nicht angestaubte Internationale Filmfestival Mannheim Heidelberg. Mitte des Monats kommt es dann für Filmfans »richtig dicke«. Noch während die ersten beiden Festivals teils noch laufen, folgen bereits am 14. und dann am 18. November in Wiesbaden der legendäre Independent-Klassiker exground und das 42. Kasseler Dok(umentar)fest wenige Tage später. Bedenkt man, dass einige Festivals noch verlängerte Online-Ableger haben, kann man/frau in diesen Tagen fast nonstop und zuweilen sogar an fast allen Enden der Region gleichzeitig Filme schauen und Festivalluft schnuppern.

Und auch weiter nimmt die Schlagzahl kaum ab. Vor allem einige kleinere Perlen glänzen. Ab dem 20. November entführen einen gleich drei kleinere Festivals nach Frankreich und nach Italien. Den Auftakt macht die Französische Filmwoche in Frankfurt, die bundesweit auch in zahlreichen anderen Städten stattfindet. Wer eher dem italienischen Film zuneigt, kommt zeitgleich dann gleich flächendeckend und bis in den Dezember hinein beim Italien-Klassiker Verso Sud (Filmmuseum Frankfurt) und bei den diversen Ausgaben von Cinema Italia in der Region auf seine Kosten (u.a. im Filmforum Höchst). Ach ja: Beschlossen wird das Jahr dann noch durch einen Klassiker. Am 21. Dezember ist in vielen Kinos der Region noch der Kurzfilmtag am kürzesten Tag des Jahres zu Gast. Doch dazu mehr zu gegebenem Zeitpunkt … (vss.).


Bekannt für Innenräume. Doch Candida Höfer kann auch draußen
Quelle: Candida Höfer / VG Bild Kunst Bonn 2024©

Region | Ausstellungen

Der etwas andere Blick

Ein Fokus auf weibliche und regionale Positionen

»Mehr Frauen in die Kunstmuseen«, forderte die feministische Kunstbewegung schon Anfang der 1970er Jahre. Seit einigen Jahren folgen Ausstellungshäuser nun endlich vermehrt diesem Ruf. In diesem Jahr sind gleich in mehreren Häusern der Region einige herausragende künstlerische Positionen dazu zu sehen, darunter einige viel versprechende Einzelausstellungen. Zwei, drei interessante Gruppenausstellungen versprechen zudem regionale Positionen. 

Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt ehrt 2025 eine ganz große Fotokünstlerin: Candida Höfer gilt als eine der renommiertesten deutschen Fotografinnen. Bekannt wurde die Schülerin von Bernd und Hilla Becher durch ihre präzise komponierten Aufnahmen von Innenräumen öffentlicher Gebäude. Als Betrachter*in möchte man regelrecht eintauchen in die großformatigen Aufnahmen von ungewöhnlichen Räumen, die Höfer in Bibliotheken, in Konzerthäusern oder in Theatersälen vorfindet und deren Struktur die Fotografin immer wieder faszinierend freilegt, um ein Gefühl von Zeitlosigkeit entstehen zu lassen. Doch nicht nur einen Überblick über Candida Höfers bekannte Fotoserien möchte das Landesmuseum in seiner Ausstellung seit Mai geben. In unmittelbarer Nachbarschaft zum »Block Beuys« werden zugleich auch neuere Fotoarbeiten zu sehen sein, eine Beschäftigung der Künstlerin mit Alltagsgegenständen, genauer mit provisorischen Beleuchtungskörpern …

»Spot an«, könnte man zur Candida-Höfer-Schau sagen. Und diesen sogleich auch auf eine zweite Gegenwartskünstlerin in Darmstadt richten: Nevin Aladağ, die bei Olaf Metzel an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert hat, wurde durch ihre wunderbaren Klang- und Soundarbeiten international bekannt. Für ihre Einzelausstellung auf der Mathildenhöhe lässt die Performance- und Installationskünstlerin ab Juni eine ortsspezifische Installation entstehen, welche erneut die Grenzen von Gattungen, Körpern und Raum auslotet – ein Zusammenspiel von bildender Kunst, Musik und Performance. Auch in Frankfurt lässt in diesem Jahr eine Ausstellung aufhorchen: Seit März widmet die Liebieghaus Skulpturensammlung der Bildhauerin Isa Genzken eine Einzelausstellung. Frech, unangepasst und ästhetisch unverwechselbar, so könnte man das Werk dieser Ausnahmekünstlerin beschreiben. Immerhin: Sie gilt vielen gar als einflussreichste deutsche Gegenwartskünstlerin. Collagen und Skulpturen der Berlinerin rütteln ab dem Frühjahr die Skulpturensammlung im Liebieghaus auf. Ein ohne Zweifel spannendes Kontrastprogramm (weiter lesen).


Das Crespo Haus - viel Platz für Kultur und Begegnung
Quelle: Veronika Scherer (ver.)©

Orte & Menschen

Wo Kultur neu zu Hause ist

Crespo-Haus & Museum Reinhard Ernst

Kultur muss sparen. Das hört man in jüngster Zeit wieder öfter. Städte und Gemeinden müssen nach Corona wieder die Rotstifte auspacken. Und die, so scheint es, scheinen vielen Stadtkämmerern oft am besten zur Kultur zu passen. Umso erfreulicher, dass in der Region gerade in dieser Zeit 2024 durch außergewöhnliches privates Engagement zwei neue, ebenso außergewöhnliche Kultur-Häuser entstanden sind: in Frankfurt das Crespo-Haus, zu dem die Stadt mit einem 50er-Jahre-Sanierungsfall den Grundstein legte, und in Wiesbaden das gänzlich neue Museum Reinhard Ernst, bei dem nur das Grundstück der Stadt gehört und das praktisch komplett privat finanziert wurde durch den Unternehmer gleichen Namens. Doch auch in Frankfurt wurde das neue Haus nur möglich durch das posthume Engagement der verstorbenen Wella-Erbin Ulrike Crespo – selbst begeisterte und zuweilen begeisternde Fotografin –, aus deren Stiftungsvermögen das neue Haus komplett grundsaniert wurde, nunmehr auch betrieben wird und wo zur Zeit auch ausgewählte Werke von ihr zu sehen sind.

Was beide Häuser neben zwei sehr ansprechenden Architekturen eint, sind hohe, wenn auch fast diametral gegensätzliche Ansprüche. Hier das neue, fast futuristische Museum Reinhard Ernst im Herzen von Wiesbaden, das sich als (künftiger) Leuchtturm und selbsternanntes »Kompetenzzentrum für abstrakte Kunst« positionieren will. Lee Krasner, Ernst Wilhelm Nay, Günther Uecker, Kenneth Noland – Schon die Eröffnungsausstellung »Farbe ist alles!« war ein Who is who der abstrakten Kunst; bestückt ausschließlich aus dem Fundus des Stifters selbst. Dazu eine Hommage an den wenige Tage vor der Eröffnung im Juni verstorbenen Architekten Fumihiko Maki, welcher den abstrakten Meisterwerken ihr Museum regelrecht auf den Leib geschneidert zu haben scheint. »Für eine menschliche Architektur« wurde diese zweite Schau überschrieben – und schlug damit geradezu die Brücke zu dem anderen neuen Haus in Frankfurt. »Menschen stark machen« war das Motto, das Ulrike Crespo ihrer gleichnamigen Stiftung und indirekt auch dem neuen Haus auferlegt hat. Menschen durch Kunst und durch kulturelle Bildung stärken, ihnen die Chance geben, Persönlichkeit(en) zu entwickeln, ist der Auftrag des Hauses und der mit bis zu 25 Millionen Euro pro Jahr gut ausgestatteten Stiftung. Ein Stück weit fließt das Geld in dem weiten und lichten Crespo-Haus, das vor allem aus viel Luft zum Atmen zu bestehen scheint, in Projekte und Veranstaltungen, die dort stattfinden sollen oder die von dort aus gesteuert und noch mehr als bisher gefördert werden sollen. Kultur und Soziales soll mit den Projekten sehr konkret verbunden werden. Abstrakt ist hier wenig. Jugendliche sollen gefördert und gefordert werden, wie schon gleich nach der Eröffnung ein sehr offener »Social Dreaming Day« lebhaft illustrierte. Zusammenleben soll befördert werden, wie etwa die Unterstützung für die migrantische Plattform »Amal« unterstreicht. »Kultur-Schaffende« in vielerlei Sinn sollen ebenfalls dort buchstäblich Raum erhalten. »Eine gläserne Werkstatt« nannte es Crespo-Vorständin Christiane Riedel kurz nach dem Einzug. Nicht von ungefähr besteht das Haus aus vielen großen Fensterfronten – und einer nach außen offenen Freitreppe. Eine Architektur, welche das Innere nach außen trägt. Das wiederum hat das sehr offene Crespo-Haus mit der streng abstrakten weißen Kubenlandschaft des Museums Reinhard Ernst auf eine sehr eigene Art und Weise gemeinsam …  (vss./ver.).

Orte & Menschen

Im Garten der Welt

Offenbachs Interkulturelle Gärten

Der Ort hat in vielerlei Hinsicht etwas von einer »Nische«. Etwas eingeklemmt auf einer Grundstücksbrache zwischen Bahndamm, Busbahnhof und einem grauen Häuserblock nahe dem alten Offenbacher Hauptbahnhof. Zugleich eine Nische mitten in der Stadt. Nur etwas weitläufiger für eine Nische. Und wo sonst vieles grau, versiegelt, wenig einladend ist, hat sich fast buchstäblich »in einer Ecke« – genauer: auf einem Eckgrundstück, das eigentlich ziemlich versiegelt war – ein Biotop aufgetan. Mit fünf Hügeln, Hochbeeten, Bauwagen, Bäumchen, Grünflächen, Spielflächen, Lichterketten – und einer bunten Schar von Menschen. Neben Menschen, die im Grünen werkeln und plaudern, sind es heute viele, die zwischen improvisierten Tischen mit allerlei Gerät, Büchern und Klamotten schlendern. Flohmarkt ist angesagt an diesem Wochenende in Offenbachs kleinem Biotop, den »Interkontinentalen Gärten«.

Die »Interkontinentalen Gärten« sind mehr als ein Nischenprojekt. Im Gegenteil: Sie setzen ein klares Zeichen für Offenbachs Vielfalt und Gemeinschaft. Das Projekt startete im Frühjahr. Auf dem von der Stadt gestellten Gelände entstanden in Kooperation mit Scape°, dem Amt für Planen und Bauen sowie engagierten Bürger*innen erste Gärten. In einer Stadt, die oft als die internationalste in Deutschland gilt, werden auf einer fast vergessenen Brachfläche am Rande der Innenstadt gemeinsam mit diesen Bürger*innen diese Gärten angelegt. Fünf bepflanzte Hügel bilden das Herzstück einer lebendigen Landschaft aus Beeten, Hochbeeten und Spiel- und Aufenthaltsflächen. Bauwagen, bunte Tische, Grillplätze und Lichterketten sorgen für eine einladende Atmosphäre. Das Besondere: Es dominieren Zier- und Nutzpflanzen aus den Herkunftsländern der Menschen. Diese Gärten, die die fünf Kontinente repräsentieren, sind mehr als nur Orte des Anbaus – sie stehen für Offenbachs interkulturelles Miteinander und sind Ausdruck der Geschichte(n), welche die Bewohner*innen mitbringen. Jeden Donnerstag um 18 Uhr versammeln sich Nachbar*innen, Aktivist*innen und Interessierte, um gemeinsam zu gärtnern, Feste wie Hochzeiten zu feiern oder gemütliche Abende am Feuer zu verbringen.

Doch nicht nur an diesen Abenden oder am Wochenende ist hier etwas los. Das Projekt, initiiert vom bereits an anderen urbanen Stellen aktiven Team des »Diamant Offenbach« um HfG-Professor Heiner Blum sowie die beiden Projektmacher*innen Sonja Drolma Herrmann und Jihae An, hat viele Facetten. Eine »Interkontinentale Schule« etwa begleitet das Garten-Biotop mit Workshops und Veranstaltungen für alle Altersgruppen. Kinder und Jugendliche können Insektenhotels und Vogelhäuser bauen, Gemüse pflanzen, Erntedankfeste feiern und bei Expeditionen die Stadt und Natur erkunden. Vormittags gibt es ein spezielles Programm für Schulklassen, während nachmittags AGs und offene Projektgruppen angesprochen werden. Workshops und Vorträge zu Themen wie Fermentieren oder Einwecken bereichern das Angebot. Die Schule ist zugleich ein naturnaher Spielplatz, der Kindern und Jugendlichen mitten in der Stadt eine Alternative zu digitalen Medien bietet. Und sie steht symbolisch für das, was »die Gärten« sein sollen: ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der gemeinsamen Gestaltung – offen für Menschen aller Kulturen und jeden Alters. Ein Ort, an dem man nicht nur Pflanzen, sondern eben auch sich selbst einbringen kann. Allerdings: Die Zukunft dieses Ortes ist wohl endlich. Ende des Jahres wird die Brache wohl zur Baustelle. Dann wird man sehen, wo die Saat dieser Idee an anderer Stelle neu aufgehen wird … (set.).


Viel Platz im Hafen 2 - Vor allem im Sommer
Quelle: Catalina Somolinos©

Orte & Menschen | Offenbach

Sheep and Screens

Subkulturelles Biotop par excellence

»Soziokulturelle Zentren«, in denen meist mehr oder weniger alternativ angehaucht Kultur und Gesellschaft zusammenkommen, werden für eine offene und demokratische Kultur im Lande immer wichtiger. Ein solches Zentrum par excellence ist der Hafen 2 in Offenbach. Er besteht mittlerweile seit über 20 Jahren. Ein Tipp auch noch im ausklingenden Sommer … 

Sie gehörten zu jenen Kultur- und Gastro-Orten, die selbst in heftigeren Corona-Tagen eine Chance hatten, zu öffnen. Zumindest, wenn nicht alles geschlossen war. Wo anders schließlich als im Offenbacher Kultur-Biotop »Hafen 2« gibt es sonst Kultur und Chillen mit so viel Auslauf? Weite und Freiraum waren schon immer dessen Markenzeichen – im übertragenen Sinne und auch wortwörtlich. Das gilt für das Programm: von den vielen fremdsprachigen Filmen bis zu coolen Singern und Songwritern. Und es gilt für das Drumherum. Nicht von ungefähr tummeln sich hier vor allem von Frühjahr bis Herbst Familien und Freidenkende, um im gepflegt-alternativen Ambiente eben diese Filme und Konzerte zu genießen oder die Kids im ausufernden Sandkasten und bei Schafen und Hühnern spielen zu lassen.

Nicht von ungefähr hatte sich Hessens damalige Kulturministerin Angela Dorn vor einigen Jahren eben diesen Hafen 2 ausgesucht, um die Verdoppelung der Fördermittel für soziokulturelle Zentren im Lande auf rund zwei Millionen Euro zu verkünden. Nun hat man zwar zuweilen den Eindruck, dass ganz Offenbach in den letzten Jahren mit seinem »Stadtpavillon«, den Projekten »UND« oder »First Entry«, den »Kunstansichten« im Frühjahr sowie dem »Riviera-Festival« im Spätsommer ein einziges soziokulturelles Zentrum ist. Doch für »den Hafen« gilt dies besonders. Möglich macht es der in der Region wohl einmalige Open Air-Kino- und Konzertsaal mit echten Tieren, viel Kinder-Freifläche und dem chilligen Blick aufs Wasser. Das kleine Café auf einer Brache im sich wandelnden Hafen kann so beileibe nicht nur in Corona-Sommern punkten, gerade mit viel freiem Grün und dünigem Sand, mit locker gestellten Bierbänken, beweglichen Sonnen-Stühlen und Platz für Picknickdecken. Alles übrigens gepaart mit viel Engagement für Migrant*innen und Flüchtende. Apropos Engagement: Im Jahr 2020 profitierte der Hafen auch vom besonderen Engagement seiner Fan-Gemeinde. Die Filme fanden zwar statt, fielen aber lange als Haupteinnahmequelle bei mühsam die Kosten deckenden 100 Plätzen praktisch weg. Erst später spülten erlaubte 250 Gäste wieder etwas mehr Geld in die Kassen. Konzerte waren – auch wegen vieler Tournee-Absagen – lange praktisch komplett verschoben und fanden erst vereinzelt wieder statt. So startete der Hafen damals einen Spenden-Aufruf. Der brachte mehrere Zehntausend Euro ein – und den Hafen 2 schließlich zusammen mit einigen öffentlichen Geldern in den folgenden Jahren doch über die Runden. Wobei es zwischenzeitlich allerdings auch schon mal sehr knapp gewesen sein soll …

Von März bis September – wenn das Wetter mitspielt – hat »der Hafen« draußen geöffnet, unterstützt auch aus dem aufgestockten Etat des Landes und getragen von seinen vielen Fans. Vor allem im Sommer ist er ein echter Place to be. Und bei Nicht-Sommer geht es in den Schuppen nebenan. Vor allem Konzerte und kleine Ausstellungen können dort immer wieder stattfinden. Zwischenzeitlich lebt immer auch mal wieder eine andere Hafen-Tradition auf: die üblichen Fußball-Live-Übertragungen, meist zu EM oder WM gibt es dann im Schuppen oder auch draußen ein Public Viewing. Ein Stück weit ist Hafen 2 aber immer auch Impro-Theater: Was wann wo zu erleben ist, muss man stets den aktuellen Ankündigungen entnehmen – egal ob früher die für das Virus oder heute die für das Wetter … (vss.).