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Studenten protestieren gegen Studiengebühren und -inhalte
Quelle: Susanne Benner©

Letter from Johannesburg

Fees Must Fall

Kampf um Bildung in Südafrika

Bildung ist häufig ein Schlüssel zum sozialen Aufstieg – eines Menschen und sogar eines ganzen Landes. Südafrika war nach dem Ende der Apartheid gerade auf diesem Sektor ein Hoffnungsträger für den gesamten schwarzen Kontinent. Ein wohlhabendes und prosperierendes Land mit einem guten Bildungssystem. Doch die Hoffnung trog. [weiter…]

Letter from Johannesburg

Fees Must Fall

Kampf um Bildung in Südafrika

Von Susanne Benner

Oktober 2015: Südafrikanische Studenten gehen in Pretoria auf die Straße, um gegen die Erhöhung der Studiengebühren zu protestieren. Mit diesem Protest begann in Südafrika, dem einstigen Hoffnungsträger des schwarzen Kontinents, ein Kampf, der das Land bis heute in Atem hält.

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Südafrikanische Studenten protestieren 2015 in Pretoria gegen höhere Studiengebühren (Foto: Paul Saad, Creative Common).

Als die Universitäten damals die Anhebung der Studiengebühren ankündigten, gingen Tausende von Studenten auf die Straße. Während des Protestes kam es teils zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Es war aber auch der Beginn der FeesMustFall-Bewegung – eines Protestes, der weit mehr zum Ziel hat, als die Abschaffung der Studiengebühren. Er adressiert den südafrikanischen Traum der Gleichstellung aller Menschen, egal welcher Gesinnung, Hautfarbe oder Herkunft.

Da das Bildungssystem Südafrikas nach britischem Vorbild aufgebaut wurde, sind Studiengebühren ein fester Bestandteil der Schul- und Hochschulfinanzierung. So kostet die Einschreibung an der größten Hochschule des Landes, der University of the Witwatersrand (kurz: Wits) 9.340 südafrikanische Rand. Das entspricht aktuell etwa 550 Euro. Hinzu kommen Kursgebühren, die je nach Fachrichtung einige Tausend Euro pro Jahr betragen können. Während eines vierjährigen Studiums zahlt ein Wits-Student also viel Geld oder häuft diese Summe an Schulden an. Zwar erhalten zahlreiche Studenten ein staatliches oder privates Stipendium, dennoch ist es für Familien ein Rechenexempel, ob sie sich das Studium ihrer Kinder leisten können, denn das Durchschnittseinkommen des Landes liegt bei knapp 5.000 Euro (im Vergleich zu dem Deutschlands von 32.000 Euro).

Der Protest nimmt Fahrt auf

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Simamkele Dlakavu fordert die Dekolonialisierung der Bildungsinhalte (Foto: Susanne Benner)

Aus Sicht der Studenten war der letztjährige Protest ein Erfolg, denn die Universitäten legten die Gebührenerhöhung auf Eis. Seitdem hat die Bewegung kontinuierlich an Fahrt aufgenommen, wenn auch mit teils veränderten Zielen. So schlossen sich die Reinigungskräfte, die man vor Jahren entlassen und über private Unternehmen wieder angestellt hatte, unter dem Slogan #OutsourcingMustFall zusammen und zwangen die Universität an den Verhandlungstisch. Auch dies war erfolgreich: Vor wenigen Tagen kündigte die Wits ein umfangreiches Insourcing–Programm an, das neben der Wiedereinstellung durch die Uni unter anderem den Gebührenerlass für die Kinder der Arbeiter garantiert.

»Wir wollen nicht nur die Gebühren abschaffen, sondern unser gesamtes Bildungssystem dekolonisieren«, sagt Simamkele Dlakavu, eine schwarze Wits-Studentin und eine der Anführerinnen der FeesMustFall-Bewegung. »Wir lernen doch mehr über europäische oder amerikanische Geschichte als über die Afrikas. Letztendlich wollen wir unser Land zurück.« Im Interview will sie sofort wissen, wie es in Deutschland zu einem gebührenfreien Bildungssystem kam.

Der Erfolg steht auf der Kippe

Leider schießen einige Anhänger der FeesMustFall-Bewegung, die breite Sympathie in der Bevölkerung hat, weit über das Ziel hinaus und riskieren dadurch deren Erfolg. So wird während der im Januar erneut aufgeflammten Proteste gerne und oft das F-Wort gebraucht. F*ck Fees, F*ck Wits, aber auch F*ck Whites war zu lesen. Im Gegenzug haben die Universitäten aufgerüstet: Seit Januar sind private Sicherheitskräfte, die Men in Black, ein alltäglicher Anblick.

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Sicherheitskräfte bewachen den Eingang des Hauptgebäudes der Wits (Foto: Susanne Benner)

Neben ihrer Heterogenität sind die Studentenproteste zudem sehr politisch, was durch die Tatsache verstärkt wird, dass in diesem Jahr Wahlen anstehen. Oft werden die gewählten Studentenvertretungen nicht anerkannt. Anhänger des ANC, der Partei Nelson Mandelas, der auch der jetzige Präsident, Jacob Zuma, angehört, versuchen sich gegen radikale Parteien wie Economic Freedom Fighters (EFF) zu behaupten.

 

Zuma, der vor kurzem seine Ansprache zur Lage der Nation hielt und seine Erfolge lobte, erwähnte die Studentenproteste allerdings mit keinem Wort. Das wäre jedoch dringend nötig, denn wie sollen sich die Universitäten ohne staatliche Unterstützung finanzieren? Verglichen mit den enormen Problemen des Landes wie der hohen Arbeitslosigkeit, der schwachen Wirtschaft, der massiven Infrastrukturprobleme, der hohen Kriminalitätsrate, der Kampf gegen AIDS und der aktuelle Dürre ist die Finanzierung des Bildungssystems offensichtlich nicht auf die politische Agenda gerückt. Sicher hat das Land in den nächsten Jahren eine Mammutaufgabe zu bewältigen, um sich zu stabilisieren. Aber viele werfen dem seit 2009 regierenden Präsidenten vor, dass er das einstige Vorzeigeland Afrikas mit Vetternwirtschaft und Korruption systematisch ruiniert. Kein Wunder, dass sich ein weiterer Protest formiert, die #ZumaMustFall-Bewegung.