©
Das Motto der WDC-Bewerbung von FrankfurtRheinMain
Quelle: Design for Democracy©

Kultur in der Debatte

Kultur. Macht. Sinn.

Ein Leitartikel von Volker Stahr

Bei Kultur wird der Rotstift in schwierigen Zeiten oft und gerne zuerst angesetzt, wenn irgendwo gespart werden soll. Die Kultur, sie gilt in solchen Zeiten gerne als verzichtbar. Gerade in den vergangenen Wochen jedoch demonstrierte in Frankfurt die Kulturszene eindrucksvoll, dass Kultur gerade in dieser Zeit und für die heutige Gesellschaft mehr ist als bloßes »l’ art pour l’ art«. Eine Woche lang füllten die mehr oder minder »freien Theater« der Stadt ihre Bühnen von Mousonturm bis Offenes Haus der Kulturen mit politischen Themen. Beim Festival »Politik im Freien Theater« ging es um (fast) alle Fragen rund um den Sinn in dieser Zeit und wurde immer wieder deutlich, dass es die Kultur ist, die Halt und Haltung zu vermitteln in der Lage ist. Ein Höhepunkt war sicher das dreitägige Symposium »Kosmopolitismus von unten«, in dem Politiker*innen, Kulturschaffende und sonstige Intellektuelle über Demokratie im 21. Jahrhundert diskutierten. Ein weiterer Höhepunkt war die Rede zum Tag der Deutschen Einheit in der Paulskirche, die diesmal ein Kulturschaffender hielt: Matthias Wagner K, der als Direktor des Museum Angewandte Kunst sein Haus immer wieder an der Schnittstelle des gesellschaftlichen Diskurses positioniert. Und der als Gestalter (neudeutsch: Designer) in seiner Rede die durchaus doppeldeutige Aufforderung »Gestalten wir, wie wir leben wollen!« machte und nach »Atmospheres for a better life« rief

Womit wir bei dem vierten prägenden Kulturereignis dieser Tage und zugleich einiger noch kommender Tage wären: Nicht Frankfurt, aber die Region FrankfurtRheinMain, bewirbt sich darum, im Jahr 2026 »World Design Capital« (WDC) zu werden, eine Art »Welthauptstadt der Kultur«. Kultur ist dabei durchaus in der ganzen Spannbreite des Begriffes gemeint. Die Feder dazu führt jener Wagner K, unterstützt durch die Städte sowie den wichtigsten Kulturförderer der Region, den Kulturfonds Frankfurt RheinMain. »Gestalten wir, wie wir leben wollen« hat Wagner K dabei seiner Bewerbung auf die Fahnen geschrieben. Oder genauer: auf das Äußere eines Trucks, der gerade durch die Region tourt und auf Markt- und anderen Plätzen für diese Idee – oder wiederum genauer: für das dahinter stehende Miteinander in der Region – wirbt. Eine wichtige Rolle bei der Kampagne spielen Kulturschaffende und Gestalter*innen – beides übrigens wunderbar mehrdeutige Bezeichnungen. Kultur als prägende Kraft – dabei ist auch diese Bewerbung nur Spitze eines Eisberges. Wer genau hinschaut, sieht immer wieder, wie Kulturschaffende und Gestalter*innen Verantwortung für diese Gesellschaft wahrnehmen. Mit Filmfestivals und -reihen, die Umwelt und Nachhaltigkeit fokussieren. Mit Ausstellungen, die Gesellschaftsfragen spielerisch-künstlerisch unter die Leute bringen. Mit großen und kleinen Lesefesten, die Menschen mit Büchern und den darin steckenden Ideen zusammenbringen. Mit Buchreihen, die fremde und andere Welten zu den Menschen hierzulande bringen. Was alle diese Termine, Reihen und Festivals eint: Sie bringen nicht nur Themen zu Menschen, stellen Fragen und sensibilisieren, sie bringen auch Menschen zusammen, um zu reden und eben zu gestalten, wie sie heute und wie sie künftig leben wollen. So verstanden, füllt Kultur ihre tragende Rolle für die Gesellschaft. Eine Rolle mithin, die in diesen Fällen nicht zur Disposition stehen sollte. Für eine Gesellschaft mit Kultur in jeder Hinsicht … (vss.).