Vier Kunstwerke von vier dänischen Künstler*innen an vier öffentlichen Orten in Kopenhagen
Quelle: Rådet for Visuel Kunst / Sebastian Quedenbaum©

BLAUPAUSE KULTUR | Dänemark

Kopenhagens kommunale Kunstkäufe

Wie die Stadt seit langem lokale Künstler*innen fördert

Seit 2010 arbeitet Sebastian Quedenbaum als Administrator und Kurator des Rådet for Visuel Kunst, der städtischen Kunstsammlung der Stadt Kopenhagen. Das Besondere an der Sammlung: Sie wird nicht in einem White Cube oder in einem Museum präsentiert, sie bringt ihre gestammelte Kunst direkt in den Kontext städtischer Einrichtungen. Das kann das Jobcenter, die städtische Bibliothek oder eine kommunale Einrichtung für betreutes Wohnen sein. So blickt man etwa an einer Bürowand des Stadtarchivs unvermittelt auf eine recht eigenwillige Skulptur mit zwei Beinen. »Vesterport with Legs« stammt vom dänischen Künstler Sebastian Hedevang und ist seine Interpretation des berühmten dänischen Stadtportals Västerport bei Kalmar. In einer anderen Ecke von Kopenhagen, in einem Zentrum für neurodiverse Menschen, dienen Kunstwerke hingegen den Nutzer*innen dazu, sich in dem architektonisch recht gleichförmig gestalteten Gebäude besser orientieren zu können. Wohl nicht nur Quedenbaum findet, dass in Dänemark bei der Gestaltung von öffentlichen Einrichtungen viel Liebe zum Detail beweisen wird.

Das Interesse der öffentlichen Einrichtungen in der dänischen Hauptstadt ist groß, sagt Quedenbaum. Nahezu alle Neuankäufe werden in der Regel in kürzester Zeit ausgeliehen. Das Depot der Sammlung hingegen ist nur minimal gefüllt – und genau das ist auch sein Ziel: Er will, dass die Kunst, die die Kommune sammelt, von möglichst vielen Menschen gesehen wird, vor allem von Bürger*innen und Mitarbeiter*innen der Stadt … (mehr lesen).


Kulturschaffende beim Arbeiten, beim Wohnen, beim Leben
Quelle: Sibylle Lienhard ©

Künstler. Innen. Orte.

Zwischen Wohnung und Wäscherei

Wie Kulturschaffende Raum für Kultur schaffen

Wie schaffen Kulturschaffende Räume für Kultur? Wie wohnen, wie arbeiten, wie leben sie? Diesen Fragen geht das Projekt »Künstler. Innen. Orte.« mit einer Porträtreihe in Form von Ausstellungen und Artikelserien über Kulturorte und Kulturschaffende in der Rhein-Main-Region nach. Den Auftakt bildete die gleichnamige Ausstellung »Künstler. Innen. Orte.«, die am 23. Oktober im Foyer des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach u.a. gemeinsam mit Oberbürgermeister Felix Schwenke eröffnet wurde. Zehn Künstler*innen – also genauer natürlich: ihre Porträts aus Fotos und Texten regionaler Fotograf*innen und Autor*innen – sind dort für einige Wochen bis Ende November zu Gast. Am letzten Novemberwochenende schließt dieses »Atelierhaus« wieder. Und drei der Künstler*innen verlassen dabei ihr Offenbacher »Künstler*innenhaus« und beziehen am 30. November gemeinsam mit einem weiteren, neuen Künstler in Frankfurt-Höchst ein neues Zuhause: eine »Residence« im Kulturraum 25, wo sich im Laufe des Jahres 2026 – dann im monatlichen Wechsel – immer neue Artists-in-Residences anschließen werden. Ein ganz normales Künstler*innen-Dasein, das wie so oft auf Zeit und an wechselnden Orten angelegt ist (weiter lesen).


Abends in Sachsenhausen: Die Wendeltreppe in der Brückenstraße
Quelle: Barbara Walzer©

Bücher & Menschen | Die Wendeltreppe

Eine Treppe und zwei Miss Marples

Mit 4.000 Titeln erste Adresse für Krimifans

Zu Orten der Kultur zählen sicher auch Antiquariate und Buchhandlungen. Gerade wenn die ersten Herbsttage sich bemerkbar machen, kann man dort herrlich stöbern, sich inspirieren lassen und die ganze Welt der Literatur für den gemütlichen Sofa-Abend entdecken. Und: Die meisten von ihnen sind selten überlaufen. In der Reihe »Bücher & Menschen« stellen wir einige besondere Buchorte vor. 

Der kleine Buchladen am Rande des Brückenviertels gehört heute zum festen Inventar des Sachsenhäuser Kultquartiers. Und: Er ist selbst längst Kult geworden. 4000 Titel, ausnahmslos Krimiliteratur, stehen gut sortiert in den Regalen. Auch ein kleines Buchantiquariat ist Teil des Angebots. Die Wendeltreppe – sie ist seit über dreieinhalb Jahrzehnten das Reich der beiden Krimi-Expertinnen Jutta Wilkesmann und Hildegard Ganßmüller. Mittlerweile fast schon selbst zwei veritable Miss Marples, kennen sie fast alle Autor*innen und Inhalte, können beraten und laden immer mal wieder am ersten Donnerstag im Monat zu einer Lesung in das Geschäft ein. An diesen Abenden, bei denen sie auch von Freund*innen unterstützt werden, gehe es darum, in entspannter Atmosphäre über die Bücher und ihre Inhalte zu sprechen und einen lebendigen Austausch zu ermöglichen. Wie viele Krimis sie selbst schon gelesen haben, können sie nicht genau beziffern. Auf jedem Fall »sehr viele«. Deswegen sind Krimi-Fans auf der Suche nach spannenden Büchern hier auch an der richtigen Adresse … (weiter lesen).


Martin Böttcher: Immer noch ein paar Stühle freigehalten
Quelle: Veronika Scherer©

Martin Böttcher

Der Raumteilende

Von Kunst- und Wohngemeinschaften

(Frankfurt-) Höchst, einst selbständige stolze Stadt, später der kleine und gerne unterschätzte Arbeitervorort der Mainmetropole. Ein Stück am Rande, in der Brüningstraße, parallel zum Main. Zwischen einem kleinen Parkstück mit Kleinfeld, den Hallen- und Asphaltflächen einer Nachkriegs-Fabrik- oder Lagerhalle (die noch nicht euphemistisch »Industriepark« hieß), und einer Mischung von Mietshäusern, die bessere Tage in früheren Jahrhunderten gesehen hatten, und Nachkriegsbauten, die von solchen wohl nur träumen durften. Hier, an einer Straßenkreuzung, sticht eines der Mietshäuser heraus: bereits etwas aufgearbeitete Klinkerfassade, Reste von Fassadenstuck unter sanierten Fenstern, eine grüne Erdgeschoss-Fassade mit Blick in zwei frisch sanierte Ladenlokale, zusammengelegt, mit freigelegtem Fliesenboden, elektronische Sicherheitsschlösser an den Türen. Wahrscheinlich, so denkt man, typisches »Frankfurter Haus-Schicksal«, aufgekauft, aufgehübscht, zur Gentrifizierung freigegeben …

»Ich habe lange ein solches Haus gesucht«, sagt Martin Böttcher. Der Satz lässt das Bild leicht wanken. Dass Böttcher zwar Architekt – Schwerpunkt Bauen im Bestand –, aber gleichzeitig Medien-, Installations- und Keramikkünstler mit Brennwerkstatt im Gebäude des Offenbacher Atelierhauses B71 ist, lässt es verschwimmen (weiter lesen).


Verena Freyschmidt: Vom Wachsen, Verschwinden, Wechseln
Quelle: Marie Schwarze©

Verena Freyschmidt

Die Auswärts-Arbeitende

Vom (Un-) Glück der kleinen Räume

Die Zollamt Studios – das Gebäude hält, was sein Name verspricht: ein ehemaliges Bürohaus, schmucklos, mit dem funktionalen Charme der 50er Jahre. Klingeln gibt es keine, auch keine Namensschilder. Das Foyer ist zugig. An den Wänden: Sticker, Tags und sinnfreie Sprühdosen-Experimente. Links eine Glastür, dahinter ein umgekippter Einkaufswagen voller Dosen. »Ist das schon Kunst oder kann das noch weg?« – Studierende der Hochschule für Gestaltung Offenbach, der HfG, bauen gerade die letzte Ausstellung auf.

Die Zollamt Studios gehören zu einer der zwei gängigen Atelierhaus Stereotypen: Alt- und alte Bauten, meist einstige Büro- oder Fabrikgebäude, die besseren Tagen nachhängen, wie hier zum Abriss freigegeben oder zumindest in sanierungsbedürftigem Zustand. Mit dem Aufzug geht es nach oben. Im dritten Stock: ein langer Gang, graue Türen rechts und links – kafkaeskes Bürokratie-Ambiente, leicht dystopisch, wenn das Neonlicht im Flur flackert. Hinter einer geöffneten Tür: ein heller, nicht allzu großer Raum mit bemerkenswerter Aussicht auf das Deutsche Ledermuseum. Hier hat Verena Freyschmidt ihr Atelier. Der Raum ist eigentlich zu klein für ihre sich ausbreitenden Arbeiten – also schiebt sie einen Rollwagen mit Utensilien und Sammelstücken kurzerhand auf den Gang, um Platz zu schaffen (mehr lesen).


Ausnahmsweise eine Kunstinstallation und nichts, was Direktorin oder andere auch noch aufräumen müssen
Quelle: Veronika Scherer©

Reihe • Kultur lebt Denkmal

Viel Alltag im Ambiente

Beate Kemfert und Rüsselsheims Opelvillen

»Die Opelvillen« – Für ein Museum klingt der Titel fast mondän, nach viel gediegenem Ambiente, einem üppigen Staff und einem ebensolchen Etat. Doch im Rüsselsheimer Ausstellungshaus am Main steckt vielmehr viel Arbeit, mit den historischen Gebäuden, mit Ausstellungen und Vermittlung, mit Akquise von Geld und Mitteln. Direktorin Beate Kemfert über ihr trotzdem nur kleines Team und dessen Alltag zwischen Vernissagen und Finanzplänen, rührig-aufwändiger Vermittlungsarbeit und defekten Pumpenschächten. Und über das hartnäckige Gerücht vom Autokonzern im Rücken … 

»Nein, wir sind kein Museum der Opel Automobile GmbH«. Auch wenn über zwanzig Jahre seit dem Start unseres Wirkens vergangen sind, bleibt dieser Satz ein fester Bestandteil unseres Alltags. Bei meinen Leihgesuchen und Förder-Akquisen, bei vielen neuen Gästen und selbst bei manchem Menschen aus Rüsselsheim erläutere ich immer zunächst, dass wir weder zum Autokonzern gehören noch von diesem finanziell unterstützt werden, sondern dass unser Name auf den einstigen Firmenmitinhaber Friedrich (»Fritz«) Opel, einem Sohn des Firmengründers Adam Opel, zurückgeht. Unser Namenspatron ließ von 1931 bis 1933 die größere Villa, das sogenannte Herrenhaus, erbauen. Den Komplex mit Wintergarten und der kleinen Villa Wenske bewohnten er und seine Frau bis zu seinem Tode 1938. Nach dem Krieg war es erst Lazarett, später Krankenhaus. Zeitzeugen konnten mir noch anschaulich erzählen, in welchem Zimmer ihnen im Kindesalter die Mandeln in den Opelvillen entfernt wurden. Und wahrscheinlich könnten manche noch von Scheidungen und Nachbarschaftsstreits erzählen, nachdem hier später das Amtsgericht und einige Ämter angesiedelt wurden.

Die Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim wurde 2001 von der Stadt ins Leben gerufen. Bereits wenige Jahre später wurde damit begonnen, die denkmalgeschützte Villenanlage am Main für Ausstellungen zu nutzen. »Geerbt« haben wir damals vor allem den Namen, das zugegeben schöne Ambiente – und jede Menge Arbeit, mit einem begrenzten Etat jährlicher Zustiftungen der Stadt Rüsselsheim. Die Ziele der Stiftung sind nämlich vor allem Sanierung und Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudeensembles und dessen kulturelle Nutzung. Beides ist komplex, doch wer dafür hinter den Kulissen ein riesiges Team vermutet, irrt sich. Bei den Vorbereitungen der Ausstellungen hilft mir eine wissenschaftliche Mitarbeiterin und wirbeln einige studentische Hilfskräfte. Das Bauwerk – vom Keller bis zum Dach – und die grüne Außenanlage werden von einem Haustechniker und einem Minijobber im Rentenalter betreut. Sämtliche »bauliche Koordination« läuft, neben Finanz-, Personal- und Ausstellungsplanung, über meinen Schreibtisch – von der Restaurierung historischer Treppenhäuser bis zur Reparatur alter Pumpenschächte. Daneben gibt es auch noch das gastronomische Pachtverhältnis, um das sich mein ehrenamtlich tätiger Vorstandskollege federführend kümmert, einige stets hilfsbereite Seniorinnen und Senioren im Besucherservice und unsere kunsthistorischen Jungtalente, die Kassenabschlüsse ebenso beherrschen müssen wie Social Media Posts.

Unsere Leuchtkraft haben wir uns vor allem durch viele internationale und zuweilen auch regionale Ausstellungskooperationen erarbeitet. Seit 2004 bin ich als Kuratorin tätig, und seit 2005 führe ich als Vorstand die Geschäfte der Stiftung, bin also sowohl für die Inhalte der Ausstellungen als auch für deren Finanzen verantwortlich. Letzteres bindet ebenfalls viel Zeit. Da die jährlichen Zustiftungen der Stadt nicht den Stiftungsbedarf für Haus und Ausstellungen decken, benötigen wir stets weitere Unterstützer. Zuletzt haben wir quasi aus der »Not« eine Tugend gemacht – und das Haus buchstäblich »mit eingespannt«. In dem von mir ins Leben gerufenen Projekt »Interior« haben wir gemeinsam mit fünf anderen ähnlichen Museen in der Region unsere Häuser selbst zum Thema gemacht – und dafür großzügige Unterstützung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain erhalten. Dabei fließt zwar nicht direkt Geld zu uns, aber wir profitieren von der Aufmerksamkeit. Gesellschaftliche Einbindung ist mir besonders wichtig, zumal gerade in Rüsselsheim so viele Menschen eigene Geschichten mit den Opelvillen verbinden. Weil uns unser Bildungsauftrag sehr am Herzen liegt, werde ich nicht müde, Förderanträge für soziale Projekte zu stellen. Unsere Vermittlungsprogramme werden stets neu entwickelt und richten sich an alle Menschen – egal welchen Alters und welcher Herkunft. Wir wenden uns gezielt bedürftigen Menschen zu und fördern Kinder im Kindergartenalter genauso wie Menschen mit Demenz. Unterstützt vom Bund finden in den Ferien »Peer-Projekte« statt, an denen Rüsselsheimer Schülerinnen und Schüler aus eigenem Antrieb teilnehmen. Die Pandemie hat uns nachdrücklich gezeigt, welch wichtigen Stellenwert Orte wie die Opelvillen als außerschulische Lernorte erreicht haben. Trotz Lockdown öffneten wir mit erwirkter Zustimmung von Stadt und Land für Kinder und Jugendliche die Opelvillen. Das waren bewegende Momente.