Barcelona - einst das erste LNG-Terminal Spaniens
Quelle: Port of Barcelona©

Optionen für einen Wandel

Wind, Sonne und Häfen

Spanien - ein europäischer Energiepark?

Rund die Hälfte der deutschen Energie kam bisher aus Russland. Um diese Abhängigkeit abzubauen, schaut man in den Nahen Osten, tauscht aber damit womöglich nur einen Krieg führenden und Menschenrechte verletzenden Diktator gegen einen anderen. Klüger könnte es sein, den Blick Richtung Iberische Halbinsel oder sogar weiter auf den afrikanischen Kontinent zu wenden. 

Spanien ist, was seine Energieversorgung angeht, weiter und nachhaltiger unterwegs als viele andere Teile Europas. Rund ein Drittel der spanischen Energie kommt bereits heute aus erneuerbaren Rohstoffen. Strom produziert das Land sogar bereits zur Hälfte aus Energien wie Sonne oder Wind. Beides gibt es schließlich auf der Iberischen Halbinsel zur Genüge. Importiertes Gas wird hingegen nur zu 15 Prozent für die Stromerzeugung genutzt. Wobei Spanien – und Nachbar Portugal – beim Gas sogar fast völlig unabhängig von Russland sind. Der Grund: An den Küsten der Halbinsel liegt fast die Hälfte der europäischen LNG-Häfen, an denen Tanker etwa aus den USA, aus Nigeria oder aus Norwegen Liquefied Natural Gas, also verflüssigtes Gas, anliefern können. Direkt vor Ort wird das Gas wieder in den Originalzustand versetzt und weitertransportiert. Sechs der Häfen liegen an der spanischen, einer an der portugiesischen Küste. Dort könnte ein Teil der jährlich bis zu 50 Mrd. Kubikmeter LNG ankommen, das allein die USA in den kommenden Jahren nach Europa liefern sollen. Die beiden iberischen Nachbarn hatten früher als viele andere europäische Staaten auf diese Häfen gesetzt. Portugal kann damit seinen kompletten Gasbedarf decken. Spanien wäre sogar in der Lage, mit einer Kapazität zur Löschung von 30 Tankern pro Monat einen Teil des Gases nach Europa weiterzuliefern. Ähnliches gilt auch für Solar- oder Windenergie, welche auf oder vor der Halbinsel produziert werden könnten. Spanien nutzt seine Kapazitäten vielfach gar nicht aus.

Nicht von ungefähr sehen Spanien und Portugal nicht nur Chancen für eine eigene Autarkie von russischer Energie, sondern Iberien sogar als Energie-Reservoir oder zumindest Durchgangsstation für Europa. Allerdings hat die Sache bisher noch zwei überraschende Haken. Zum einen ist Spanien so gut wie gar nicht mit dem Stromnetz Resteuropas verbunden. Zum anderen gibt es nur zwei, noch dazu recht leistungsschwache Gas-Pipelines durch die Pyrenäen nach Frankreich, eine dritte endet bei Girona gar im Niemandsland. Doch selbst wenn alle drei Pipelines funktionieren würden, flöße mit gut 15 Mrd. Kubikmetern Gas im Jahr nur ein gutes Viertel des Volumens von Nord Stream I durch diese Verbindungen. Dabei wäre ein Ausbau beider Netze nicht nur kurzfristig ein Gewinn. Sowohl die Häfen als auch die Pipelines könnten langfristig auch für sogenannten grünen Wasserstoff umgerüstet werden. Er ist umweltfreundlicher als das LNG und kann mit Sonne, Wind und Wasser sowohl in Spanien als auch in und um Afrika im großen Stil produziert werden. Deutschland etwa arbeitet zur Zeit gemeinsam mit Namibia an entsprechenden Versuchsanlagen im südlichen Afrika (wenn auch bisher noch ohne eigene Abnahmehäfen in Deutschland selbst). Ganz nebenbei verfügt auch Mittelmeeranrainer Algerien über große Gasvorkommen und könnte über zwei Pipelines ganz klassisch über 20 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr nach Spanien pumpen. Allerdings ist dieser Teil des Ganzen politisch heikel, da dazu auch das Transitland Marokko teilweise mit eingebunden werden müsste. Dieses aber liegt wegen der West-Sahara mit Spanien und Algerien im Streit. So oder so könnte die Iberische Halbinsel in Zukunft für die Energieversorgung Europas zunehmend wichtiger werden – sei es selbst als Produzent von Energie oder zumindest als Anlande- und Transitland Richtung Zentral-Europa. Das größte Manko aber: Die Europäische Union müsste vorher kräftig in den Anschluss der Halbinsel investieren. Und eines noch: Angesichts von 155 Mrd. Kubikmetern russischen Gases, das 2021 alleine in die EU floss, werden die Anlagen Iberiens alleine das Energie-Problem Europas nicht lösen. Aber laut Fachleuten sollen sie gemeinsam mit den Kapazitäten der anderen Häfen in Europa rund zwei Drittel des russischen Gases ersetzen können … (sfo.).


Am Morgen im Schatten der Hochhäuser
Quelle: Julia Krohmer©

Urban_Green | SoLaWi

Von der Acker-Allmende

Mit SoLaWis können alle besser leben

Auf der Webseite »Solidarische Landwirtschaft« findet man aktuell rund 400 »SoLaWis« in Deutschland (dazu bald 100 weitere in Gründung). SoLaWi boomt. Und warum auch nicht? Das Prinzip ist bestechend: Landwirt*innen in der Region produzieren, Verbraucher*innen nehmen direkt ab und beteiligen sich bedingt auch am Risiko. Es wird Obst und Gemüse produziert, manchmal auch Eier und Honig, seltener Milch und Fleisch. Die Produkte kann man abholen oder sich umweltfreundlich liefern lassen. Sehr häufig liegen SoLaWis in oder nahe Ballungsräumen – wo die Städter*innen dann beim exotisch geworden Landleben nicht nur mitreden, sondern bei gemeinsamen Pflanz-, Jät- und Ernteaktionen auch gerne selbst die Ärmel hochkrempeln und mit anpacken können. Wenn sie denn wollen …

Ein schnelles Googeln ergibt in Frankfurt und naher Umgebung gleich neun SoLaWis: SoLaWi Frankfurt, SoLaWi Maingrün, SoLaWi Ffm, SoLaWi Guter Grund, SoLaWi Luisenhof, SoLaWi 42, der Birkenhof Egelsbach, Auf dem Acker und Die Kooperative. Auch in Frankfurt, der engen, von Banken und Börsen regierten Hessenmetropole, und der aus allen Nähten platzenden, verkehrszerfurchten Rhein-Main-Region gibt es also Raum für sowas. Ein Sechstel des Frankfurter Stadtgebiets (4000 Hektar, also 40 Quadratkilometer!) ist landwirtschaftliche Fläche. In der Metropolregion FrankfurtRheinMain sind es sogar 42 Prozent – reichlich Platz also nicht nur für die übliche marktorientiert-produzierende konventionelle Landwirtschaft, sondern auch für viele Direktvermarkter und SoLaWis. Eine davon ist die 2018 gegründete, schnell und pragmatisch wachsende »Kooperative« mit ihrer Demeter-zertifizierten »Cityfarm« in Oberrad sowie weiteren Flächen des Quellenhofs in Steinbach. Sie versorgt bereits 550 Frankfurter Haushalte mit diversen Angeboten (groß/klein, Obst und/oder Gemüse, mit/ohne Eier etwa). Wobei für einen kleinen Haushalt mit einer kleinen Obst-Gemüse-Kiste, ein paar Eiern und, nicht zu vergessen, zwei Hühnern im Jahr etwa 25 bis 30 Euro die Woche plus/minus anfallen können (ohne Gewähr natürlich). Das eigene Sortiment der Kooperative wird durch Kooperationen mit anderen Höfen noch erweitert. Wenn nicht gerade Corona ist, kann man auch mitmachen. Man kann Obstbäume pflanzen, mitgärtnern und -imkern, Marmelade kochen oder Sauerkraut herstellen. Es gibt Kinderkurse, Pflanz- und Ernte-Tanz-Feste, Schnittkurse, aber auch Versammlungen, zahlreiche Dialogprozesse, ein Online-Forum und vieles mehr. Kommunikation und das gemeinsame Beschließen ist allen SoLaWis sehr wichtig. Doch man kann sich natürlich auch einfach nur wöchentlich die per Fahrradkurier direkt vom Feld ins Depot gelieferte Kiste abholen, ein bisschen mit anderen Abholer*innen schwatzen und hin und wieder nach Oberrad radeln, um die zutraulichen Hühner in ihrem Hühnermobil auf der grünen Wiese zu besuchen.

SoLaWis gibt es in Deutschland schon seit fast 50 Jahren. Ursprünglich kam die Idee aus Japan. Dort schlossen sich 1974 engagierte Landwirt*innen und Verbraucher*innen im Kampf gegen Agrarchemie und Kunstdünger zusammen und »erfanden« so diese Form der Direktvermarktung und -gewinnung. Sie basiert auf gegenseitigem Vertrauen zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen, garantiert letzteren gesunde Nahrungsmittel mit geringem ökologischem Fußabdruck durch Produktion und Transport, viel Mitsprache und heute oft auch viel Mitmachen. Die Landwirt*innen können ihrerseits wegen der garantierten Abnahme und Bezahlung ihrer Produkte durch die mehr oder weniger straff organisierte Gruppe frei von Marktzwängen arbeiten. Mögliche Risiken, etwa durch Ernteausfälle, werden gemeinsam getragen – solidarisch eben. Damit steht SoLaWi, die solidarische Landwirtschaft, nicht nur zum gegenteiligen Vorteil, sondern meist auch zum Nutzen der Umwelt – denn hier wird meist aus Überzeugung ökologisch gewirtschaftet (juk.).

Julia Krohmer©
Könnten Autobahnen mehr, als nur Autos von A nach B bringen?
Quelle: BMVI / Austrian Institute of Technology©

Blaupause | Neue Energie

Strom von der Straße

Autobahnen als Energielieferanten

Manchmal gibt es wunderbare Wortspiele. »DACH« etwa ist eine gängige Abkürzung für die deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und Schweiz, nach ihren Autokennzeichen benannt. Mit »DACH» könnte man aber ebenso ein Forschungsprojekt der drei Länder überschreiben, bei dem es auch um Dächer und um Autos geht. Genauer: um die Überdachung von Autobahnen mit Solardächern, die ihren Strom in umliegende Netze einspeisen und die Länder unabhängiger von anderen Energiequellen machen könnten. Derzeit entsteht an der süddeutschen A 81 bei Hegau ein Versuchsdach, an dessen Bau und Erforschung das deutsche Fraunhofer Institut und das Austria Institute of Technology beteiligt sind. Die Idee hat Charme. Den Millionen Autos in diesen drei Ländern »verdankt« man auch ein im wahrsten Wortsinn flächendeckendes Netz an Autobahnen, die bisher einzig mit viel versiegelter Fläche das Fortkommen von Fahrzeugen beförderten (wenn sie nicht gerade als Staustandflächen dienten). Allein in Deutschland handelt es sich dabei um 13.000 Kilometer grauer Asphaltflächen. Verschiedenen Berechnungen zufolge könnten diese durchs ganze Land meandernden Pisten mit bis zu 333 Quadratkilometern Solardach überspannt werden und rund ein Drittel des Strombedarfs deutscher Privathaushalte decken.

Verschiedene Forschungsprojekte wie das in Süddeutschland versuchen nun herauszufinden, ob diese Mehrfachnutzung der Asphaltstrecken praktikabel und auch rentabel ist. So ist beispielsweise die Unfallgefahr zu klären. Oder die Frage der Schneeräumung auf den Dächern. Und Geld kosten die Anlagen natürlich auch. Der »Spiegel« hatte vor einem Jahr einmal die Kosten für ein solches Überdachungsprojekt auf rund 100 Mrd. Euro in Deutschland geschätzt. Allerdings weisen Befürworter auch auf Vorteile hin. So könnten die Straßen selbst durch die Dächer besser geschützt sein und Ausbesserungen seltener werden. Einschränkungen hätten Autofahrer*innen kaum, da für diese Pläne nur Solarpanels erwogen würden, die lichtdurchlässig wären. Solardächer sind übrigens nicht die einzige Idee, mit der in DACH-Ländern derzeit rund um Autobahnen experimentiert wird. In der Schweiz möchte man in Zukunft verstärkt Lärmschutzwände als Standorte für Solarpanels nutzen. Allerdings sind dort die Prognosen bisher nicht ganz so optimistisch, geht man doch eher von einem Ertrag von lediglich 0,1 Prozent für das eidgenössische Stromnetz aus. Und außerdem scheinen längst nicht alle Lärmschutzwände geeignet. Allerdings gibt es in der Schweiz auch nur gut 500 Kilometer solcher Wände an den Nationalstraßen. Offenbar sind Solardächer und die 13.000 deutschen Autobahn-Kilometer hier erheblich ergiebiger … (sfo.).

BMVI / Austrian Institute of Technology©
Luxemburgs Bahnen - Schrittmacher für Europa ?
Quelle: Smiley.toerist • CC BY-SA 4.0 (s.u.)©

Blaupause | Verkehr

ÖPNV wie in Luxemburg

Das Land macht kostenlosen Nahverkehr vor

»ÖPNV kostenlos für alle geht nicht«, heißt es immer wieder. »Geht doch«, meint das kleine Luxemburg. Allerdings gilt es bestimmte Dinge zu beachten, damit dies auch zu einem Erfolgsmodell werden kann. 

Was haben Frankfurt und das Großherzogtum Luxemburg gemein? Nun, beide haben für ihre Verhältnisse als Land und als Stadt eine sehr kompakte Größe. Hier wie dort leben etwa gleich viele Menschen, 620.000 in Luxemburg, 750.000 in Frankfurt. Und als Wirtschaftsmetropolen ziehen beide täglich weitere Hunderttausende an. Und leiden mithin schon seit geraumer Zeit an massiven Verkehrsproblemen. Was macht Frankfurt dagegen? Führt jedes Jahr für einen halben Tag sogenannte »Sommerstraßen« ein und sperrt rigoros ebenfalls Jahr für Jahr eine komplette Straße in der Innenstadt für den Autoverkehr. Eine komplette Straße? Na ja. Ein Stück Straße zwischen zwei Brücken, immer wieder mal für ein paar Wochen im Sommer. Und in dieser Zeit wurde viel darüber diskutiert, ob man das »Stück Straße« überhaupt brauche. Über Ausweitungen reden wenige.

Richtige »Verkehrswende« findet eher in Luxemburg statt. Als erstes Land der Welt hat das Großherzogtum den öffentlichen Nahverkehr zur öffentlichen Domain erklärt und kostenlos gestellt. Bereits vor Corona wurden Ticketautomaten abgebaut und Kontrolleur*innen umgeschult. Bürger*innen wie Pendler*innen aus ganz Europa dürfen seither in Zügen, Trams und Bussen kostenlos mitfahren. Die Kosten waren schnell ermittelt. 41 Millionen Euro pro Jahr, kurzerhand verfügt durch eine Ampelkoalition aus Liberalen, Grünen und Sozialisten, die mit dem aufsehenerregenden Schritt die Verkehrswende starten wollten. Weitere Maßnahmen für die kommenden Jahre: ein um 60 Prozent auf 800 Millionen Euro pro Jahr gesteigerter Mobilitätsetat, der Ausbau des Tram- und Busnetzes sowie eine Verdoppelung der Park-and-Ride-Plätze an den Landesgrenzen. Noch zwei Zahlen: 600 Euro pro Einwohner sollen in den Ausbau des Nahverkehrs fließen (in Deutschland sind es rund ein Zehntel), und die Taktung der zentralen Straßenbahn soll in Stoßzeiten von fünf auf drei Minuten verdichtet werden, um Fahrpläne überflüssig zu machen. Apropos Straßenbahn. Es gibt zwar erst eine Strecke quer durch die Hauptstadt. Aber die kommt schick und hochmodern daher, wurde sie doch erst 2017 in Betrieb genommen.

Verkehrsexperten bestätigen Luxemburg, mit diesem Gesamtkonzept für die Zukunft auf gutem Wege zu sein. Einzelmaßnahmen – so ihr einhelliges Credo – nützen wenig, wenn etwa neben den Gratisfahrten nicht auch Komfort wie Takt, Kapazitäten und Sauberkeit bei den Bahnen und flankierende Maßnahmen drumherum hinzukommen. Das hört man auch immer wieder, wenn man sich für Frankfurt mit Verantwortlichen des regionalen Verkehrsverbundes RMV unterhält. Zwar wird auch rund um die Mainmetropole mittlerweile ernsthaft über ein flächendeckendes 365-Euro-Jahresticket als Einstieg diskutiert und könnte ein 49-Euro-Ticket ein erster Versuch sein. Doch aus dem RMV ist zu hören, dass die Politik für eine dauerhafte Lösung nicht nur den Einnahmeausfall zu den bisherigen Jahrestickets (für Frankfurt etwa stolze 900 Euro) und eben jenen 49-Euro-Tickets bewerkstelligen, sondern auch zumindest Gelder zum Ausbau der Kapazitäten für das erhoffte Mehraufkommen bereitstellen müsste. Denn schon jetzt stoßen Züge und Busse außerhalb in Stoßzeiten an ihre Grenzen. Ansonsten könnte sich der Umstieg schnell als Luftnummer erweisen. Auch den Luxemburger*innen kommt bei ihrer jetzigen Gratis-Maßnahme entgegen, dass zuvor ihre hochmoderne Tram ihren Dienst aufnahm und Lust zum Umsteigen machte. Um diesen konzeptionellen Umstieg aber zu gewährleisten, bedarf es politischen Willens und vor allem Handelns. Ersteres scheint in Frankfurt mittlerweile zumindest vorhanden zu sein … (vss.).

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Die roten Pfeile sind in Italien die neuen Flugzeuge
Quelle: Mikhail Shcherbakov • CC BY-SA 2.0 (s.u.)©

Blaupausen | Italiens Bahnen

Wenn Bahnen fliegen …

Gute Züge ersetzen Flieger von selbst

Dass Fliegen ein »Klimakiller« ist, ist selbst Vielfliegern klar. Dass auf Kurzstrecken die Bahn eine Alternative ist, bestreiten auch wenige. Doch das Umsteigen mit Verboten zu erreichen, greift oft zu kurz. So gut wie angepriesen sind viele Alternativen nicht. Italien zeigt, dass zu einem nachhaltigen Umsteigen anderes wichtiger wäre. Zum Beispiel: eine konkurrenzfähige Bahn. Oder besser gleich zwei davon. 

Das Fliegen auf Kurzstrecken kann man sich wunderbar schön- und auch schlechtrechnen. Vor drei Jahren etwa hat der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft – schon am Namen leicht als Lobbyist zu erkennen – für die Kurzstrecken-Konkurrenz Bahn-Flugzeug mal das unschlagbare Beispiel Hamburg-Nürnberg aufgerufen: achteinhalb Stunden mit der Bahn versus knapp zweieinhalb mit dem Flieger. Auch die Luftikusse des BDL haben zumindest verschämt noch »reine Fahr- bzw. Flugzeit« angefügt, aber doch den Unterschied vor allem Geschäftsreisenden mit drohenden Übernachtungen und Überstunden als kaum zumutbar herausgearbeitet. Aber auch unterschlagen, dass das Ganze mit An-, Abfahrts- und Wartezeiten nicht mehr ganz so rosig aussieht. Und erst recht mit anderen Flughäfen (wobei es nicht gleich der in Berlin mit vier Stunden Vorlauf sein muss). Genauso schön hat sich dieser Tage Greenpeace die Alternativwelt der Bahn gerechnet. Rund zehn Prozent aller europäischen Kurzstreckenflüge sei in zwei Stunden mit der Bahn zu machen, nochmals knapp 20 Prozent unter sechs Stunden und weitere 15 Prozent mit Nachtzügen. In Deutschland ließen sich damit über 50 Prozent, in Österreich sogar über 80 Prozent der Kurzstrecken ersetzen.

Klingt plausibel. Aber auch gut? Zwei mal sechs Stunden Fahrt hin und zurück sind nun auch nicht gerade der (terminliche Zu-) Bringer. Bis zu 90 Prozent weniger CO2-Ausstoß ist schon eher ein Argument. Doch die Alternative Bahn würde eine noch bessere Alternative, wenn es mehr gute Gründe gäbe. Der Blick nach Italien – oder zumindest in einen lesenswerten Artikel der Neuen Zürcher Zeitung dieser Tage (s.u.) – könnte hier ein Fingerzeig sein. In Italien hatte im Oktober die einst stolze Fluggesellschaft Alitalia ihren letzten Flug. Nicht, weil man ihr Flüge verboten hatte. Sondern weil sie – vereinfacht gesagt – Pleite war. Zugegeben: Gründe waren auch Corona und ein Missmanagement auf Langstreckenflügen. Doch zum Niedergang trug auch das Wegbrechen des Inlandsgeschäftes maßgeblich bei. Und das trug einen Namen: »Le Frecce«, die »Pfeile«. Seit 2008 ist die Bahngesellschaft Trenitalia mit ihren so genannten Hochgeschwindigkeitszügen unterwegs – und eroberte in gut einem Jahrzehnt Passagier*in um Passagier*in. Paradestrecke ist die Verbindung Rom – Mailand. Die Frecce schaffen sie in drei Stunden. Mit dem Flieger dauert es von Innenstadt zu Innenstadt rund vier Stunden. In der Zeit ist man von Mailand mit dem gleichen Zug schon bequem in Neapel. Entsprechend entwickelten sich die Zahlen: Während das Flugzeug auf der Strecke binnen eines Jahrzehnts knapp zwei seiner einst drei Millionen Passagier*innen verlor (kleine Konkurrenten der Alitalia inbegriffen), gewann der Zug von einer auf rund dreieinhalb Millionen dazu. Und das Gleiche gilt für das gesamte Hochgeschwindigkeitsnetz: In zehn Jahren steigerten die »Pfeile« die Passagierzahl auf ihren Strecken von 6,5 auf 40 Millionen Menschen. Hinzu kommt, dass die Frecce in Italien nicht alleine unterwegs sind. »Italo« heißt neben Trenitalia ein zweiter Akteur mit Hochgeschwindigkeitszügen. Willkommener Nebeneffekt für die Reisenden: Die Preise sind überschaubar. Ergebnis: Im Inland konnte Alitalia, die vor zwei Jahrzehnten noch fast ein Drittel ihres Umsatzes mit solchen Flügen machte, zum Schluss eigentlich nur noch auf den Strecken zu Inseln wie Sardinien punkten. Apropos Punkten: Ein bestens ausgebautes eigenes Netz sorgt bei den Bahnen zudem für eine Pünktlichkeit, welche die Deutsche Bahn zuverlässig nur einmal im Jahr schafft – wenn immer ab dem zweiten Dezember-Sonntag neue Preise gelten. Nicht von ungefähr hat die Regierung in Rom im europäischen Post-Corona-Aufbau-Plan auch einen weiteren zweistelligen Milliardenbetrag für den Ausbau dieser Hochgeschwindigkeitsstrecken vorgesehen. Nach über 30 Milliarden Euro, die bisher bereits in dieses Netz gesteckt wurden. Ein Beispiel dafür, dass es oft ausreicht, die umweltfreundlichen Alternativen konkurrenzfähig zu machen. Und das war noch, bevor für das Fliegen CO2-Abgaben ins Gespräch kamen (sfo.).

Mikhail Shcherbakov  • CC BY-SA 2.0 (s.u.)©
Doppelter Effekt: Offenbar wird nicht selten das Falsche gefördert - Mit Geld, das auch besser eingesetzt werden könnte
Quelle: Public Domain©

Impulse | Umweltbundesamt

Fliegen, Fahren, Fleischkonsum

Studien legen umweltschädliche Subventionen offen

Deutschland streitet – mal wieder – über die Finanzierung des 49 Euro-Tickets. Zwei Studien haben aber bereits aufgelistet, wo Geld dafür allein im Bundeshaushalt zu finden wäre – wenn man Subventionen streichen würde, die ihrerseits explizit umweltschädliche Produkte und Verhaltensweisen fördern. Sie fanden zig Milliarden … 

Das Umweltbundesamt (UBA) hat bereits 2022 einen interessanten Katalog vorgelegt. Es listet viele – im wahrsten Wortsinn – umweltschädliche Subventionen in Deutschland auf. Also die Förderung von Produkten und Verhaltensweisen, die direkt der Umwelt schaden. Ganz oben auf der Liste stehen Steuervergünstigungen für Flugbenzin und Diesel gegenüber Normalbenzin, die zusammen alleine mit 16,6 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Es folgt die teils mehr, teils weniger sinnvolle Pendlerpauschale mit weiteren sechs Milliarden sowie der verminderte Mehrwertsteuersatz für einige tierische Produkte wie Fleisch mit weiteren gut fünf Milliarden. Der Staat fördert mit diesen Geldern alleine Fliegen, Fahren und Fleischkonsum mit über 25 Milliarden Euro jedes Jahr. Mit den weiteren Posten auf der Liste summieren sich die Gelder auf stolze 65,4 Milliarden Euro. Abgesehen von den Schäden für die Umwelt, zeigt ein Beispiel, wie paradox diese Subventionen oft sind. So fördert der Staat einerseits den Umstieg auf Elektro-Fahrzeuge mit Kaufprämien – konterkariert dies aber, indem er auch den Erhalt umweltschädlicher Fahrzeuge subventioniert.

Ein weiterer Punkt auf der Liste sind Dienstwagen und das sogenannte »Dienstwagen-Privileg«. Hierzu hatte auch eine Studie des Öko-Instituts und der Denkfabrik Agora bereits einmal nachgerechnet. Knapp ein Drittel aller neu zugelassenen Pkw in Deutschland sind demnach Dienstwagen, die auch privat genutzt werden dürfen. Und gerade diese private Nutzung koste laut Studie zwischen drei und sechs Milliarden Euro pro Jahr an Steuern. Ein doppeltes Problem für die Studien-Autor*innen: Zum einen sind geförderte Dienstwagen im Schnitt mit 160 PS deutlich hochmotoriger und damit ebenfalls umweltschädlicher als privat zugelassene Fahrzeuge (115 PS), zum anderen bringe das Ganze in diesem Falle auch noch eine soziale Schieflage, da von diesen Fahrzeugen vor allem ohnehin einkommensstarke Bevölkerungsschichten profitieren würden. Laut Studie erhält das Fünftel der Nutzer*innen mit den höchsten Einkommen die Hälfte der Steuervorteile. Zudem rechneten sie nach, dass die Vorteile zunehmen, je hochpreisiger und -motorisierter die Fahrzeuge sind. Außerdem seien sie nicht gerade auf Wenigfahren ausgerichtet. Geradezu als »Flatrate zum Vielfahren« kritisierten sie etwa vom Arbeitgeber gestellte Tankkarten, die dieser steuerlich absetzen könne. Wobei paradoxerweise gerade in diesem Segment Lenkungswirkungen zugunsten von Elektroautos kaum griffen. Die Autor*innen weißen darauf hin, dass andere Länder wie Großbritannien Steuervorteile etwa von CO2-Vorgaben abhängig machen. Sowohl Bundesamt als auch die Studie des Öko-Instituts kommen deshalb zu dem Schluss, dass viele Subventionen sowohl aus ökologischen als auch aus sozialen Gründen auf den Prüfstand gehörten. Selbst die derzeit in der Koalition nur leicht strittige Pendlerpauschale halten manche Experten für reformbedürftig, da sie zu stark den Autoverkehr (der noch immer über 80 Prozent des Pendlerverkehrs ausmache) begünstige und wenig Anreize für ein zumindest teilweises Umsteigen biete. So oder so ließe sich laut Fachleuten aber gerade bei diesen Subventionen durch Streichung und Umverteilung viel finanzieller Spielraum für politische Neujustierungen gewinnen. Korrekterweise weisen die Studien allerdings auch darauf hin, dass einige Posten, etwa die international vereinbarten Flugbenzinregelungen, nur auf internationaler Ebene zu kippen wären und in einigen Fällen auch soziale Härten, etwa bei Fernpendlern, abgefedert werden müssten … (sfo.).